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I. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2008 bis 30. September 2010

1. Einführung

Am 1. Oktober 2008 ist das Informationszugangsgesetz Sachsen-Anhalt (IZG LSA) in Kraft getreten (GVBl. LSA 2008, S. 242 - siehe Anlage 1). Es ermöglicht erstmals in Sachsen-Anhalt den freien, an keine weiteren Voraussetzungen gebundenen Zugang zu amtlichen Informationen aller öffentlichen Stellen des Landes. Mit dem Erlass des neuen Gesetzes ist der Landesgesetzgeber dem Anliegen der Menschen nach mehr Transparenz und stärkerer bürgerschaftlicher Kontrolle der Verwaltung nachgekommen. Der Informationszugangsanspruch darf nur abgelehnt werden, wenn im Einzelfall ein gesetzlich geregelter Ausschlussgrund besteht. Damit wurde der Grundsatz der Amtsverschwiegenheit durch das Prinzip der Aktenöffentlichkeit ersetzt.

Das neue Gesetz überträgt dem Landesbeauftragten für den Datenschutz die Aufgabe des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit. Ihm obliegen in dieser neuen Funktion die gleichen Kontroll-, Beratungs- und Informationsrechte wie im Bereich des Datenschutzes. Jeder kann sich an den Landesbeauftragten wenden, wenn er sich in seinen Rechten nach dem IZG LSA verletzt sieht.

Gem. § 12 Abs. 3 IZG LSA i.V.m. § 22 Abs. 4 a Satz 1 bis 3 des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger (DSG-LSA) erstattet der Landesbeauftragte dem Landtag alle zwei Jahre einen Tätigkeitsbericht, zu dem die Landesregierung gegenüber dem Landtag Stellung nimmt. Der Landesbeauftragte informiert mit dem Bericht die Öffentlichkeit zu Fragen der Informationsfreiheit in seinem Kontrollbereich.

Mein erster Bericht zur Informationsfreiheit umfasst den Zeitraum vom 1. Oktober 2008 bis zum 30. September 2010. Er informiert über die Entwicklungen des Informationszugangsrechts in Sachsen-Anhalt und gibt praxisbezogene Hinweise aus Beratungen und anschaulichen Einzelfällen. Er dient damit der Unterrichtung des Landtages, der Öffentlichkeitsarbeit sowie der Information von Behörden bzw. von interessierten Bürgerinnen und Bürgern.

Mit der Aufnahme des IZG LSA in das Landesrecht mussten sich die Dienststellen aller Verwaltungsbereiche auf Neuland begeben. Dementsprechend lag ein Schwerpunkt meiner Tätigkeit im Berichtszeitraum darin, den öffentlichen Stellen beim Start und der Ausgestaltung der neuen Verwaltungsaufgabe sowie der Umsetzung des Gesetzes in der Praxis zu helfen. Pünktlich zum Inkrafttreten des Gesetzes habe ich den Behörden ein Prüfschema zum IZG LSA nebst Anwendungshinweisen in Form eines Kurzkommentars zur Verfügung gestellt (vgl. 3.5). Der in Abstimmung mit dem Innenministerium entstandene Kommentar wurde im August 2010 neu gefasst und um Rechtsprechung sowie um zahlreiche in der Praxis aufgetretene Fälle ergänzt. Daneben habe ich die öffentlichen Stellen durch zahlreiche Fortbildungsveranstaltungen auf die Durchführung des Gesetzes vorbereitet und sie bei Bedarf bei der Anwendung des Gesetzes beraten (vgl. 3.5.3).

Die Erfahrungen aus den anderen Bundesländern zeigen leider, dass die neuen Informationsfreiheitsgesetze der Bevölkerung zumeist noch nicht bekannt sind und daher auch nur bedingt in Anspruch genommen werden. Im Rahmen meiner Öffentlichkeitsarbeit habe ich daher versucht, die Bürgerinnen und Bürger auch mit Hilfe von Informationsflyern über ihre neuen Rechte zu informieren (vgl. 3.3.1). Die 1. Auflage in Höhe von 10.000 Exemplaren war bereits nach eineinhalb Jahren vergriffen. Unklar ist, wie viele Flyer tatsächlich bei den Bürgerinnen und Bürgern angekommen sind, denn nach meiner Einschätzung haben auch Mitarbeiter der Verwaltungen die Flyer zu ihrer eigenen Information genutzt. Vor diesem Hintergrund habe ich eine Neuauflage veranlasst.

Daneben habe ich den Bürgerinnen und Bürgern auf meiner Homepage Kurzhinweise sowie Antworten auf häufig gestellte Fragen zum IZG LSA zum Abruf zur Verfügung gestellt. Natürlich habe ich auch den Bürgerinnen und Bürgern bei der Antragstellung sowie bei der Durchführung des Gesetzes beratend zur Seite gestanden (vgl. 3.3).

Die hohe Anzahl von Anfragen, die sowohl von Bürgerinnen und Bürgern als auch von Behörden noch vor einer Entscheidung über einen IZG LSA-Antrag an mich gerichtet werden, zeigt, dass mein Beratungsangebot von beiden Seiten angenommen wird. Dadurch ließen sich Streitfälle schon im Vorfeld vermeiden.

Dennoch musste ich auch in meiner gesetzlichen Funktion als Streitschlichter tätig werden. Im Rahmen meiner Vermittlungstätigkeit konnte ich dafür sorgen, dass die Antragsteller die ihnen nach der Gesetzeslage zustehenden Informationen bekommen konnten. Es gab jedoch auch Konstellationen, in denen kein Informationszugangsanspruch bestand. Auffallend war, dass insbesondere oberste oder mittlere Landesbehörden einen Informationszugangsanspruch mit dem Hinweis auf den nicht mehr bestehenden Grundsatz der Amtsverschwiegenheit ablehnen wollten. Nachdem ich die Behörden auf die neue Rechtslage aufmerksam gemacht hatte, wurden die Anträge jedoch zumeist souverän bearbeitet (vgl. 5.1 und 5.2).

Negativ fiel lediglich eine Behörde auf, die einen Antrag mit dem Argument, ich sei zur Klärung einer Grundsatzfrage eingeschaltet worden, über ein halbes Jahr lang nicht beschieden hatte. Zum einen musste die Behörde einräumen, dass eine entsprechende Anfrage bisher nur angedacht und bei mir nicht eingereicht worden war. Zum anderen bestand kein Klärungsbedarf, da die Rechtsprechung die maßgebliche Frage, ob die Informationsfreiheitsgesetze neben § 25 SGB X anwendbar seien, bereits entschieden hatte. Darauf hatte ich die Behörden in meinen Anwendungshinweisen mit Stand Oktober 2008 ausdrücklich aufmerksam gemacht. Von einer Beanstandung habe ich letztendlich jedoch abgesehen, da der zu beurteilende Fall atypisch war und einen hohen Schwierigkeitsgrad aufwies (vgl. 5.10)

Zugang zu Informationen wurde in nahezu jedem Verwaltungsbereich begehrt. Die Bürger wollten insbesondere Genehmigungen, Verträge, Versicherungsunterlagen (vgl. 4.2.1), Prüfungsberichte des Landesrechnungshofes (vgl. 5.3) sowie Erlasse und Statistiken der Ministerien (vgl. 5.1) einsehen. Ein Verein begehrte und erhielt Einsicht in eine polizeiliche Verfügung, mit der ein Konzert rechtsradikaler Bands verboten wurde (vgl. 5.9). Damit erreichte er sein Ziel, diese Verfügung als Muster anderen Gemeinden zur Bekämpfung des Rechtsextremismus zur Verfügung stellen zu können. Auch politisch bedeutsam war eine Anfrage des Landtagspräsidenten zu den Einsichtsmöglichkeiten in ein von ihm in Auftrag gegebenes Gutachten zu den Verwaltungsermittlungen bei der Neugestaltung eines Landtagsraumes, der in der Presse als "luxussanierter Musterberatungsraum" bekannt geworden war (vgl. 5.4).

Die Bearbeitung der geschilderten Anfragen und Eingaben war zumeist komplexer Natur, da es neuartige Fragestellungen zu beantworten galt. Zudem bringt ein IZG LSA Antrag es mit sich, dass regelmäßig nicht nur ein, sondern eine Vielzahl von Informationszugangsbegehren zu bearbeiten sind. Insbesondere sind, was viele Behörden in der Anfangsphase vernachlässigt haben, die gesetzlich vorgesehenen Ausschlussgründe sachlich darzulegen, so dass der geschilderte Sachverhalt einer rechtlichen Würdigung unterzogen werden kann. Auch müssen Ansprüche auf teilweisen Informationszugang sauber geprüft werden. Nicht selten kommt es vor, dass Behörden einen unzutreffenden Ausschlussgrund nennen, ein anderer Ausschlussgrund jedoch einschlägig ist. Die Streitschlichtung ist daher sehr arbeitsintensiv, da ich jedes einzelne Informationszugangsbegehren überprüfen muss. Stelle ich einen Mangel fest, gebe ich der Behörde kein Ergebnis vor, sondern weise sie auf meine Rechtsauffassung hin und bitte sie, ihre Entscheidung zu überprüfen. Das erhöht insbesondere die Akzeptanz meiner Entscheidungen bei den betroffenen Behörden. In der Praxis haben daher die von mir kontrollierten Behörden erkannte Mängel nach einer nochmaligen Prüfung von sich aus abgestellt. Im Berichtszeitraum musste ich daher keine Beanstandung aussprechen.

Trotz der hohen Arbeitsauslastung im Bereich des IZG LSA gelang es, im Berichtszeitraum auch eine anlassunabhängige Kontrolle der Durchführung des IZG LSA bei einem Landkreis vorzunehmen (vgl. 6.). Der von mir kontrollierte Landkreis hat diesen ersten Test erfolgreich bestanden, lediglich in kleinen Teilbereichen besteht noch Verbesserungsbedarf. So ist die Abstimmung zwischen den einzelnen Fachbereichen und dem Beauftragten des Landkreises für das IZG LSA sowie die Gestaltung der Homepage noch optimierungsbedürftig. Auch war der Aktenplan noch nicht ins Internet eingestellt. Hierbei handelt es sich jedoch um ein generelles Problem vieler Behörden Sachsen-Anhalts.

Zu den Höhepunkten meiner Tätigkeit in den ersten beiden Jahren gehörte sicherlich auch der Vorsitz der Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten in Deutschland im ersten Halbjahr 2009 sowie die Ausrichtung der dazugehörigen Konferenz in Magdeburg (vgl. 3.8.3).

Zu meinen Aufgaben gehört auch die Beratung des Gesetzgebers in informationszugangsrechtlichen Fragen (vgl. 3.7). So habe ich insbesondere Stellung genommen zu Fragen der Veröffentlichung von personenbezogenen Daten nach dem Geodateninfrastrukturgesetz Sachsen-Anhalt, der Veröffentlichung von Qualitätsberichten im Entwurf eines Bewohnerschutzgesetzes Sachsen-Anhalt, zur geplanten Einschränkung des IZG LSA im Entwurf des Stiftungsgesetzes Sachsen-Anhalt sowie zum Entwurf eines Ausführungsgesetzes Sachsen-Anhalt zum Verbraucherinformationsgesetz (AG VIG LSA). Da das Verbraucherinformationsgesetz (VIG) auf Bundesebene gerade evaluiert wird und sich schon jetzt eine Reform abzeichnet, erscheint es nicht ausgeschlossen, dass das AG VIG LSA später noch einmal der Überarbeitung bedarf, um auf diese Änderungen zu reagieren.

Nachdem ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes die Voraussetzungen für die im Jahr 2013 zu erfolgende Evaluierung des IZG LSA noch nicht geregelt waren, habe ich im Einvernehmen mit dem Innenministerium und den kommunalen Spitzenverbänden einen Evaluierungsbogen entwickelt und den Adressaten des Gesetzes seine Verwendung empfohlen (vgl. 7.). Das Innenministerium hat den Evaluierungsbogen mittlerweile technisch aufbereitet und ihn in Abstimmung mit mir weiterentwickelt. Mit Erlass des Innenministeriums vom 8. März 2010 wurde die Verwendung des neuen Evaluierungsbogens nunmehr für die Adressaten des Gesetzes verbindlich gemacht (MBl. LSA 2010, S. 120).