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I. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2008 bis 30. September 2010

3.8.3. Die 18. Tagung der IFK am 24. Juni 2009 in Magdeburg und ihre Ergebnisse

Unter meinem Vorsitz tagten am 24. Juni 2009 die Informationsfreiheitsbeauftragten des Bundes und von neun Ländern, um über die Umsetzung des Rechts der Bürger und Bürgerinnen auf einen verfahrensunabhängigen Zugang zu allen Dokumenten der Verwaltung auf europäischer, Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene zu beraten.

Schwerpunkte der Tagung waren u.a. das Verhältnis der allgemeinen Informationsfreiheitsgesetze zu den Umweltinformationsgesetzen des Bundes und der Länder und dem Verbraucherinformationsgesetz, der Schutz von Whistleblowern, die Veröffentlichung der Empfänger von Agrarsubventionen im Internet sowie die Ratifizierung des Europaratsübereinkommens von 2008 über den Zugang zu öffentlichen Dokumenten.

Vereinfachung der Informationsfreiheitsgesetze

Die Erfahrungen der Informationsfreiheitsbeauftragten zeigten, dass den Behörden die Feststellung Schwierigkeiten bereitet, ob für einen Informationszugangsantrag das allgemeine Informationsfreiheits-, das Umweltinformations- oder das Verbraucherinformationsgesetz gilt. Die Regelungen unterscheiden sich ferner durch erheblich voneinander abweichende Versagungsgründe und Kostenregelungen. Deshalb forderte die Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten (IFK) die Gesetzgeber auf, die allgemeinen und bereichsspezifischen Gesetze zu vereinfachen und Ablehnungsgründe auf das unabdingbar notwendige Maß zu beschränken. Darüber hinaus hielt sie eine Evaluierung des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes für sinnvoll (siehe Entschließung vom 24. Juni 2009 "Informationszugang für Bürgerinnen und Bürger verbessern!" - Anlage 8; vgl. auch Anlage 9 und unter 3.7.1).

Schutz von Whistleblowern

Die Konferenz sprach sich ferner dafür aus, Beschäftigte, die  Rechtsverstöße in Behörden und Unternehmen aufdecken, vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu schützen. In vielen Fällen seien es erst diese Whistleblower, die für Transparenz sorgen. Das zeigten die sog. Gammelfleischskandale oder die heimliche Überwachung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die Konferenz fordert den Deutschen Bundestag auf, den Schutz von Whistleblowern endlich gesetzlich zu regeln (siehe Entschließung vom 24. Juni 2009 "Mehr Transparenz durch gesetzlichen Schutz von Whistleblowern" - Anlage 7). Vor diesem Hintergrund ist es zumindest ein Fortschritt, dass der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum Beschäftigtendatenschutz in einem geplanten § 32l Abs. 4 BDSG eine Whistleblower-Regelung enthält (BR-Drs. 535/10). Danach soll sich ein Beschäftigter an die für die Datenschutzkontrolle zuständige Behörde wenden könne, wenn tatsächliche Anhaltspunkte bestehen, die den Verdacht begründen, dass der Arbeitgeber Beschäftigtendaten unbefugt erhebt, verarbeitet oder nutzt und der Arbeitgeber einer darauf gerichteten Beschwerde des Beschäftigten nicht unverzüglich abhilft. Trotzdem hat der Gesetzesentwurf Anlass zu datenschutzrechtlicher Kritik gegeben. In der EU-Richtlinie, die durch ihn umgesetzt werden soll, ist die vorhergehende Beschwerde beim Arbeitgeber nicht vorgesehen.

Veröffentlichung von Agrarsubventionen

Die Konferenz hat sich ferner mit dem Streit um die Veröffentlichung der Empfänger von Agrarsubventionen im Internet befasst. Obwohl die EU-Mitgliedstaaten zur Veröffentlichung verpflichtet  waren, hatte das Landwirtschaftsministerium des Bundes diese jedoch vorübergehend ausgesetzt. Inzwischen waren der Bund und die Länder übereingekommen, die Empfänger von Agrarsubventionen ab Mitte Juni doch ins Internet zu stellen. Dementsprechend waren auch die Subventionsempfänger von Sachsen-Anhalt im Internet zu finden. Die Informationsfreiheitsbeauftragten hatten sich im Hinblick auf die notwendige Transparenz und Kontrolle der öffentlichen Subventionen grundsätzlich für eine Bekanntmachung der Empfänger der Agrarsubventionen ausgesprochen. Schutzwürdige Interessen der Subventionsempfänger müssten zurückstehen, da das Transparenzinteresse der Allgemeinheit überwiege. Dieser Position waren die Oberverwaltungsgerichte ganz überwiegend gefolgt. Die veröffentlichten Daten führten in der Öffentlichkeit zu einer Diskussion über den Sinn und Zweck der Subventionen, denn die Liste der Agrar-Subventionen barg große Überraschungen. So wurden nicht nur Bauern, sondern auch Fluggesellschaften, Pharmakonzerne oder Stromversorger mit nicht nur für den Laien abenteuerlich anmutenden Begründungen subventioniert. Der Europäische Gerichtshof hat mittlerweile mit Urteil vom 9. November 2010 die Rechtsvorschriften der Union über die Veröffentlichung von Agrarsubventionen für teilweise ungültig erklärt (EuGH, Rechtssache C-92/09 und C-93/09). Anders als die Berichterstattung in der Presse vermuten lässt, hat der Europäische Gerichtshof die Veröffentlichung von Agrarsubventionen jedoch nicht grundsätzlich untersagt, sondern sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in einer demokratischen Gesellschaft die Steuerzahler einen Anspruch darauf haben, über die Verwendung öffentlicher Gelder informiert zu werden. Er hat vielmehr die geltenden europäischen Vorschriften für unverhältnismäßig gehalten, da sie die Veröffentlichung der personenbezogenen Daten aller natürlicher Personen, die Empfänger der Agrarsubventionen waren, vorgeschrieben haben, ohne nach einschlägigen Kriterien wie den Zeiträumen, während deren sie solche Beihilfe erhalten haben, der Häufigkeit oder auch Art und Umfang der Beihilfen zu unterscheiden. Eine Veröffentlichung der Empfänger von Agrarsubventionen bleibt daher auch nach der Rechtsprechung des EuGH möglich, sofern die o.g. Grundsätze beachtet werden.

Auskunft im Besteuerungsverfahren

Die IFK hat sich ferner gegen eine Verwaltungsanweisung des Bundesministeriums der Finanzen gewandt, mit der der Rechtsanspruch der Bürgerinnen und Bürger auf Auskunft im Besteuerungsverfahren nach den Datenschutzgesetzen des Bundes bzw. der Länder durch das Erfordernis eines rechtlichen Interesses weitgehend eingeschränkt wurde. Die Verwaltungsanweisung wurde vom Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit mittlerweile beanstandet, da sie die Vorgaben einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur freien Auskunft in Steuersachen missachte (BVerfG NJW 2008, 2099) (vgl. IX. Tätigkeitsbericht zum Datenschutz 9.1). Ein Diskussionsentwurf des Bundesfinanzministeriums für eine neue Abgabenordnung (AO) sieht mittlerweile vor, einen Auskunftsanspruch in die AO aufzunehmen, der als speziellere Vorschrift datenschutz- sowie informationszugangsrechtliche Auskunftsansprüche verdrängen würde. Der neue Auskunftsanspruch soll allerdings im Wesentlichen die Vorgaben aus der Verwaltungsanweisung des Bundesfinanzministeriums übernehmen. Auch dies wurde von dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit kritisiert.

Internetsperren

Aus aktuellem Anlass hatte sich die Konferenz auch mit dem Zugangserschwerungsgesetz befasst, das das Bundeskriminalamt ermächtigte, Sperrlisten aufzustellen und an Access Provider weiterzuleiten, um so den Internetzugang zu kinderpornographischen Seiten zu sperren. Zwar sah das Gesetz vorrangig das Löschen und dann erst das Sperren kinderpornographischer Seiten vor. Das neue Gesetz ließ jedoch erstmals Eingriffe in Internetinhalte zu. Auch bewertete die IFK die Einrichtung eines Gremiums zur Kontrolle der Sperrlisten  beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit als systemfremd. Die Bundesregierung hat allerdings für das im Juni 2009 vom Bundestag beschlossene und im Februar 2010 in Kraft getretene Gesetz (BGBl. I, 2010, S. 78) ein einjähriges Moratorium verhängt. Das Bundeskriminalamt wird in dieser Zeit keine Sperrlisten erstellen, sondern sich für die Löschung der einschlägigen Websites einsetzen. Die gemachten Erfahrungen sollen in eine Gesetzesinitiative der Bundesregierung zur Löschung kinderpornographischer Inhalte im Internet einfließen. Vor diesem Hintergrund hat der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit von der Bestellung des Expertengremiums abgesehen. Im November 2010 hat die Mehrzahl der Sachverständigen bei einer Anhörung zu verschiedenen Gesetzesentwürfen zur Aufhebung des Zugangserschwerungsgesetzes im Rechtsausschuss des Bundestags zwar den derzeitigen Schwebezustand als rechtswidrig bezeichnet, sich jedoch nicht für eine Aufhebung des Gesetzes ausgesprochen. Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat im Übrigen im Ergebnis den Vorrang der Löschung von solchen Internetseiten befürwortet (LT-Drs. 5/83/2894 B).

Europaratskonvention über den Zugang zu amtlichen Dokumenten

Auf ihrer 17. Konferenz im Dezember in Schwerin hatten die Informationsfreiheitsbeauftragten des Bundes und der Länder die Bundesrepublik Deutschland aufgefordert, die Konvention des Europarates über den Zugang zu öffentlichen Dokumenten schnell zu ratifizieren (Anlage 5). Der Ratifizierungsprozess scheint nun ins Stocken zu geraten, denn viele Bundesländer, darunter auch Sachsen-Anhalt, haben Bedenken gegen den völkerrechtlichen Vertrag geltend gemacht. Die Konferenz forderte die Bundesländer auf, trotz der Geltendmachung von Anpassungsbedarf die Konvention nicht scheitern zu lassen. Der Appell blieb bisher ergebnislos (vgl. auch 2.3.2).