I. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2008 bis 30. September 2010
5.1. Einsicht in Bürgschaftsdaten beim Finanzministerium
Eingangs hatte ich bereits erwähnt, dass die Bearbeitung der meisten Anfragen und Eingaben komplexer Natur und damit auch zeitaufwändig war. Dies ist jedoch nicht nur eine Folge davon, dass sich die Behörden Sachsen-Anhalts auf juristischem Neuland bewegen. Hinzu kommt, dass in den meisten Fällen nicht nur ein, sondern eine Vielzahl von Informationszugangsbegehren zu prüfen waren. Im Rahmen meiner Kontrolle musste ich daher für jedes einzelne Begehren prüfen, ob der von der Behörde angegebene Ausschlussgrund einschlägig war. Maßgeblich ist dabei, dass der von der Behörde dargelegte Sachverhalt einem Ausschlussgrund in vertretbarer Weise zugeordnet werden kann. Viele Behörden haben sich dagegen pauschal auf das Vorliegen von Ausschlussgründen, die ersichtlich nicht vorlagen oder nicht konkret dargelegt wurden, berufen. Ich musste daher in den meisten Fällen Hilfestellung bei der Prüfung der Ausschlussgründe geben. Den folgenden Fall, der den hohen Arbeitsaufwand einer Kontrolle dokumentiert, möchte ich exemplarisch schildern:
Ein Petent hatte mit seiner Hausbank Kreditverträge zur Gründung eines Unternehmens geschlossen. Die Kredite wurden gegenüber der Hausbank von der Bürgschaftsbank Sachsen-Anhalt teilweise verbürgt. Die Bürgschaften wurden u.a. durch Rückbürgschaften des Landes Sachsen-Anhalt abgesichert. Nachdem der Bürgschaftsfall eingetreten war, stellte der Petent bei dem Ministerium der Finanzen des Landes Sachsen-Anhalt einen Informationszugangsantrag mit folgenden Begehren:
- Auskunft über die allgemeine Vorgehensweise von Hausbank, Bürgschaftsbank und dem Finanzministerium im Kreditausfall.
- Auskunft zu einem ihn betreffenden Bürgschaftsvorgang.
- Akteneinsicht in den gesamten Schriftverkehr zwischen der Hausbank, der Bürgschaftsbank Sachsen-Anhalt und dem Ministerium.
- Übersendung von Statistiken für die Jahre von 1994 bis heute zur Vergabe und Abwicklung von Bürgschaften durch das Ministerium.
- Die Erstellung einer Liste aller Bürgschaften, in denen ein Verzicht gewährt wurde, u.a. unter Angabe personenbezogener Bürgschaftsdaten.
Das Finanzministerium hatte den Informationszugangsantrag zunächst mit der Begründung abgelehnt, dass die von dem Petenten erbetenen Bürgschaftsdaten "vertraulich" seien. In einem nachfolgenden Schreiben wurde der Antrag ferner unter pauschaler Berufung auf entgegenstehende Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der betroffenen Banken erneut abgelehnt.
Ich habe daraufhin das Ministerium um eine Stellungnahme gebeten und darauf hingewiesen, dass das IZG LSA einen allgemeinen Ausschlussgrund der Vertraulichkeit nicht kenne. Vielmehr könne ein IZG LSA-Antrag nur bei Vorliegen eines gesetzlich vorgesehenen Ausschlussgrundes abgelehnt werden. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der betroffenen Banken könnten im Hinblick auf die Begehren 2 und 3 zwar einen konkreten Ausschlussgrund darstellen, müssten aber in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ausreichend dargelegt werden. Ferner sei zu den Informationszugangsbegehren 1, 4 und 5 nicht Stellung genommen worden.
In einem ersten Schreiben hat mir das Finanzministerium zu den Begehren 1 bis 3 mitgeteilt, dass dem Petenten bis auf den internen Schriftverkehr der Banken mit dem Ministerium sämtliche Unterlagen zur allgemeinen Vorgehensweise bei Ausfall eines Kreditengagements sowie zu dem ihn betreffenden Bürgschaftsfall bereits bekannt seien. Die allgemeine Vorgehensweise sei dem Petenten in einem gesonderten Schreiben geschildert worden. Die internen Dokumente könnten nicht zugänglich gemacht werden, da diese Angaben zu bankinternen Ausfallabrechnungen, Ausführungen zur Kreditbereitstellung und Sicherheitsverwertung enthielten. Es handele sich daher um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, in deren Preisgabe die beteiligten Banken nicht eingewilligt hätten.
In einem zweiten Schreiben hat das Ministerium zu den Begehren 4 und 5 dargelegt, dass die von dem Petenten begehrten Statistiken nicht in dem von ihm gewünschten Umfang geführt würden. Es gebe eine Aufstellung der bisher beantragten und genehmigten Bürgschaften von der Bürgschaftsbank, die dem Petenten nunmehr zur Verfügung gestellt worden seien. Die Statistiken seien im Übrigen im Internet auf der Homepage der Bürgschaftsbank abrufbar. Zusätzliche Informationen könne er auch durch die Lokalpresse erhalten. Eine Liste mit Angaben zu Bürgschaften, in denen ein Verzicht gewährt wurde, existiere nicht.
Nach Prüfung der Stellungnahme des Finanzministeriums bin ich zu folgenden Ergebnissen gekommen:
Die Ablehnung des Informationszugangsantrags hinsichtlich der Themenkomplexe 1 bis 3 war grundsätzlich rechtmäßig.
Das Ministerium hat nachvollziehbar dargelegt, dass der Petent bis auf den internen Schriftverkehr bereits Kenntnis von sämtlichen in der Akte enthaltenen Unterlagen zu seinem Bürgschaftsfall sowie zur generellen Vorgehensweise bei Ausfall eines Kreditengagements besaß. Insofern durfte sein Informationszugangsantrag gem. § 9 Abs. 2 IZG LSA wegen Kenntnis abgelehnt werden. Klärungsbedürftig war in diesem Zusammenhang jedoch, ob - wie das Ministerium meinte - dem Auskunftsantrag zur allgemeinen Vorgehensweise bei Ausfall eines Kreditengagements genügt wurde. In dem genannten Schreiben wurde lediglich dargestellt, dass die Bürgschaftsbank im Fall des Petenten nach der üblichen Verfahrensweise vorgegangen sei. Es fehlten Angaben zur allgemeinen Vorgehensweise des Ministeriums und der Hausbank. Insofern schied eine Ablehnung des Informationszugangsantrags wegen Kenntnis aus. Auf meine erneute Bitte um Stellungnahme hin hat das Ministerium dem Petenten die gewünschten Informationen zur allgemeinen Vorgehensweise des Finanzministeriums bei Kreditausfällen zugänglich gemacht.
Einer Einsichtnahme in den internen Schriftverkehr der Bürgschaftsbank Sachsen-Anhalt sowie der Hausbank mit dem Finanzministerium Sachsen-Anhalt standen dagegen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse i.S.d. § 6 S. 2 IZG LSA entgegen. Das Ministerium hatte die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die Bejahung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen jetzt nachvollziehbar dargelegt.
Die hinsichtlich der Begehren 4 und 5 nur teilweise erfolgte Informationszugangsgewährung war ebenfalls grundsätzlich rechtmäßig.
Nach dem IZG LSA besteht nur ein Anspruch auf Zugang zu vorhandenen Informationen. Eine Behörde ist somit nicht verpflichtet, nicht vorhandene Informationen zu beschaffen oder neue, bisher (so) nicht vorhandene Informationen zu generieren. Es ist daher stets zu prüfen, ob ein Antragsteller Zugang zu bereits vorhandenen oder die Generierung neuer Informationen begehrt. Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein, denn bei einem hinreichend bestimmten Antrag kann nach der Rechtsprechung grundsätzlich verlangt werden, dass eine Behörde in ihrem Bestand dezentral vorhandene Informationen sammelt (VG Frankfurt a. M. NVwZ 2008, S. 1389) und dem Antragsteller über ihren Inhalt Auskunft gibt. Es ist folglich zu differenzieren, ob eine vorhandene Information für den Antragsteller lediglich aufbereitet wird, damit sie ihm in der von ihm begehrten Art zugänglich gemacht werden kann oder ob sie noch ausgewertet und damit neu geschaffen wird (vgl. Franßen/Seidel zur vergleichbaren Rechtslage in Nordrhein-Westfalen, in: Das Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen, § 4 Rn. 396 und 398). Als Faustregel gilt, dass eine Behörde nicht verpflichtet ist, "im Auftrag" eines Antragstellers neue Statistiken zu erstellen, da sie vorhandene Daten erst auswerten und daher Informationen schaffen müsste, die bis dahin so nicht existierten (vgl. VG Düsseldorf, Urt. vom 7. Mai 2002 - 3 K 335/02, Rn. 16; Franßen/Seidel, a. a. O, § 4 Rn. 396). Es kann daher nur Zugang zu vorhandenen Statistiken gewährt werden.
Im Hinblick auf das vierte Begehren, bei dem es im Wesentlichen um die Statistiken zu bewilligten Bürgschaften ging, wurde dem Informationszugangsbegehren des Petenten mit der Übersendung der vorhandenen Statistik ausreichend Rechnung getragen. Zur Erstellung einer neuen Statistik war das Ministerium nicht verpflichtet.
Dagegen wurde mit der Zusendung der Statistik das Informationszugangsbegehren des Petenten im Hinblick auf das fünfte Begehren inhaltlich nicht erfüllt, da die Statistik keine Angaben zu Verzichtsfällen enthielt. Diese ließen sich auch weder dem Internet noch der Lokalpresse entnehmen. Ein Themenkomplex wurde daher quasi nicht beantwortet. Es stellte sich daher die Frage, ob der Petent einen Anspruch auf die Erstellung der von ihm begehrten Liste hatte. Es kam daher wesentlich darauf an, ob er die Anlage einer Statistik, also eine Generierung neuer Informationen oder lediglich die Aufbereitung von Informationen in Form einer einfachen Auflistung begehrt hatte. Dies war eine Frage der Auslegung seines Informationszugangsantrags. Hier war zu berücksichtigen, dass wegen des überwiegenden Geheimhaltungsinteresses der Betroffenen eine Übermittlung der von ihm gewünschten personenbezogenen Daten wohl ausschied, zumal diese - würde ein Beteiligungsverfahren durchgeführt - der Preisgabe ihrer Daten nicht zustimmen würden. Die danach verbleibenden Daten reichten für die Erstellung einer Statistik nicht aus. Dies sprach in diesem Fall dafür, von einer Aufbereitung vorhandener Informationen auszugehen. Das Finanzministerium hat dem Petenten nach einer erneuten Prüfung des Vorgangs die Anzahl der Fälle, in denen ein Verzicht gewährt wurde, in Form einer Tabelle zugänglich gemacht. Positiv zu erwähnen ist, dass das Ministerium - über seine Pflichten nach dem IZG LSA hinausgehend - die Informationen aufbereitet hatte. Dem Petenten wurden - meinem Rat folgend - nicht nur die konkreten Zahlen genannt, sie wurden auch prozentual aufbereitet. So konnte der Petent einen Überblick gewinnen, ob er im Vergleich zu anderen Schuldnern gleich behandelt wurde.