I. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2008 bis 30. September 2010
5.10. Einsicht in Unterlagen über Vergütungsvereinbarungen nach § 75 SGB XII bei der Sozialagentur Sachsen-Anhalt
Ein ganz seltenes Negativbeispiel bildet die Sozialagentur Sachsen-Anhalt, die einen Antrag eines Petenten auf Einsicht in Unterlagen über Vergütungsvereinbarungen nach § 75 SGB XII mit dem Argument, ich sei zur Klärung einer Grundsatzfrage eingeschaltet worden, über ein halbes Jahr lang nicht beschieden hatte. Zum einen musste die Behörde einräumen, dass eine entsprechende Anfrage bisher nur angedacht und bei mir nicht eingereicht worden war. Zum anderen bestand kein Klärungsbedarf, da die Rechtsprechung die maßgebliche Frage, ob die Informationsfreiheitsgesetze neben § 25 SGB X anwendbar seien, bereits entschieden hatte. Darauf hatte ich die Behörden in meinen Anwendungshinweisen mit Stand Oktober 2008 ausdrücklich aufmerksam gemacht. Von einer Beanstandung habe ich letztendlich jedoch abgesehen, da der zu beurteilende Fall atypisch war und einen hohen Schwierigkeitsgrad aufwies.
In ihrer Stellungnahme hatte mir die Sozialagentur mitgeteilt, dass das Akteneinsichtsbegehren mindestens 19 Aktenordner betreffe. Nach einer Sichtung der Unterlagen wolle die Behörde dem Informationszugangsantrag des Petenten grundsätzlich stattgeben. Der Antrag solle jedoch abgelehnt werden, soweit er sich auf Unterlagen beziehe, die Aufschluss über die Verhandlungsstrategien, Berechnungen/Prognosen und Verhandlungsmethodik der Behörde etc. geben könnten.
Die Sozialagentur verwies im Wesentlichen darauf, dass es sich bei den Vergütungsvereinbarungen zwischen ihr als überörtlichem Sozialhilfeträger und dem Petenten als dem Leistungserbringer um öffentlich-rechtliche Verträge handele, bei denen sich die Parteien im Rahmen der Verhandlungen bis zum Abschluss einer Vergütungsvereinbarung i. S. der §§ 75 ff SGB XII grundsätzlich gleichberechtigt gegenüberstünden. Eine Preisgabe von Informationen, die Aufschluss über ihre Verhandlungsstrategien geben könnte würde ihren Verhandlungsspielraum einseitig einschränken. Zudem müsse die Sozialagentur gem. § 75 Abs. 3 S. 2 SGB XII gewährleisten, dass die Vereinbarungen den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entsprechen. Diese Grundsätze könnten nicht eingehalten werden, wenn die Behörde verpflichtet würde, ihre Verhandlungsstrategien offenzulegen.
Im Ergebnis halte ich diese Argumentation für zutreffend. Eine Herausgabe von Unterlagen, die Aufschluss über die Verhandlungsstrategien, Berechnungen/Prognosen und Verhandlungsmethodik der Behörde geben, dürfte im Hinblick auf die laufenden Vertragsverhandlungen die behördlichen Beratungen beeinträchtigen, vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 3 IZG LSA. Müsste die Behörde ihre Berechnungsgrundlagen oder Verhandlungsstrategien offen legen, wären ihre Beratungen obsolet. Die Preisgabe der o.g. Informationen dürfte auch dazu führen, dass die Behörde die ihr nach § 75 Abs. 3 S. 2 SGB XII obliegende Aufgabe, Vereinbarungen zu treffen, die den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entsprechen, nicht mehr ordnungsgemäß erfüllen könnte, vgl. § 3 Abs. 2 IZG LSA. Denn bei einer Offenbarung dieser Informationen könnte sich der Verhandlungspartner auf die Verhandlungsstrategie der Behörde einstellen und die gesetzlich vorgegebenen Ziele unterlaufen.