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IV. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informations­freiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2014 bis 30. September 2016

9.2 Das geplante E-Government-Gesetz des Landes

In meinem III. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit hatte ich mehrfach darauf hingewiesen, dass Sachsen-Anhalt ein Landes-E-Government-Gesetz und die flächendeckende Einführung der elektronischen Akte braucht (vgl. Nrn. 5.5, 6.4, 7.3). E Government ist nicht nur die technische Voraussetzung für Open Government und Open Data, sondern bedingt auch einen Akzeptanzaspekt: Elektronische Verwaltungsleistungen werden von den Bürgerinnen und Bürgern nämlich nur dann angenommen, wenn sie sicher und vertrauenswürdig sind. Die Einführung eines Landes-E Government-Gesetzes sowie der elektronischen Akte gehörten zu meinen Kernempfehlungen gegenüber der Enquete-Kommission des Landtages von Sachsen-Anhalt „Öffentliche Verwaltung konsequent voranbringen – bürgernah und zukunftsfähig gestalten“, die diese dankenswerterweise aufgegriffen hat (vgl. Nr. 6.2 dieses Berichts).

Die Landesregierung hat nun im Mai 2017 den Entwurf eines E-Government-Gesetzes Sachsen-Anhalt zur Anhörung freigegeben. Mit dem neuen Gesetz soll ein Organisations- und Verfahrensgesetz für die öffentliche Verwaltung geschaffen werden, das u. a. die Einführung und Nutzung neuer Kommunikationsmöglichkeiten sowie die Angebote elektronischer Verwaltungsleistungen regelt und bestehende Regelungslücken auf dem Gebiet der elektronischen Verwaltung schließt. Im Gegensatz zum Bundesrecht werden im E-Government-Gesetz des Landes keine Open-Data-Regelungen getroffen, da das Land vollkommen zu Recht davon ausgeht, dass es sich hierbei um eine informationsfreiheitsrechtliche Materie handelt, die in einem zukünftigen Transparenzgesetz zu regeln ist (vgl. LT-Drs. 7/1363 sowie Nrn. 4.1 und 8 dieses Berichts).

Ein Kernproblem des Gesetzesentwurfs besteht allerdings darin, dass das Landesgesetz weitreichende Verweisungen auf das E-Government-Gesetz des Bundes enthält, die nicht zur Verständlichkeit des Gesetzes beitragen. Alle anderen Bundesländer haben in ihren E-Government-Gesetzen Vollregelungen geschaffen und auf Verweisungen auf das E-Government-Gesetz des Bundes verzichtet. Im Ergebnis handelt es sich bei der Verweisungstechnik daher um einen Sonderweg Sachsen-Anhalts.

Aber auch aus inhaltlichen Gründen muss der Gesetzentwurf aus meiner Sicht umfassend überarbeitet werden. Ihm liegt nämlich eine Trennung der Verwaltungsebenen zwischen unmittelbarer und mittelbarer Landesverwaltung zugrunde und er nimmt insbesondere die Kommunen weitgehend von essentiellen Bestimmungen des E Government-Gesetzes, wie z. B. von der Pflicht zur elektronischen Aktenführung, aus. Damit würde sozusagen ein Recht auf eine unmoderne Verwaltung auf kommunaler Ebene perpetuiert.

Dass die Kommunen mit verbindlichen Vorgaben in den Digitalisierungsprozess mit einbezogen werden müssen, hat auch der Bundesgesetzgeber erkannt. Er hat zunächst durch eine Grundgesetzänderung die Voraussetzungen dafür gelegt, dass ein Bürgerportal schaffen werden kann, über das der Bürger Zugang zu allen Ebenen der öffentlichen Verwaltung in Bund, Ländern und eben auch der Kommunen hat. Nach Art. 91c Abs. 5 GG kann der Bund den übergreifenden informationstechnischen Zugang zu den Verwaltungsleistungen von Bund und Ländern durch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates regeln.

Bund und Länder haben sich mit dem neuen Onlinezugangsgesetz (OZG, BGBl. I 2017 S. 3122, 3138) auf die Einrichtung eines verbindlichen, bundesweiten Portalverbundes verständigt. Onlineangebote der Verwaltung in Bund, Ländern und Kommunen sollen über einen zentralen Zugang direkt, schnell, einfach und sicher genutzt werden können. Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen sollen die Leistungen des Portalverbundes jeweils mit einem einzigen Nutzerkonto in Anspruch nehmen können.

Im Gesetzgebungsverfahren hatte der Bundesrat noch vorgeschlagen, dass die Gemeinden und Gemeindeverbände sowie die sonstigen der Aufsicht der Länder unterstehenden Personen des öffentlichen Rechts dem Portalverbund „freiwillig“ hätten beitreten können. Dieser Vorschlag wurde von der Bundesregierung ausdrücklich abgelehnt, da es Sinn und Zweck des Gesetzes sei, einen Portalverbund zwischen allen Verwaltungsangeboten des Bundes, der Länder und der Kommunen zu schaffen. Der Gesetzentwurf wurde insoweit in der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Fassung vom Bundestag angenommen (BT-Drs. 18/12589). Der Bundesrat hat schließlich seine Zustimmung zu dem Gesetz erklärt (vgl. BR-Drs. 431/17).

Damit steht fest, dass die Gemeinden und Gemeindeverbände sowie die sonstigen der Aufsicht der Länder unterstehenden Personen des öffentlichen Rechts über den Portalverbund elektronische Verwaltungsdienstleistungen anbieten müssen. Dies muss spätestens mit Ablauf von fünf Jahren auf die Verkündung dieses Gesetzes folgenden Kalenderjahres umgesetzt sein (vgl. § 1 Abs. 1 OZG). Zudem sind die Länder verpflichtet, gem. § 4 Abs. 2 OZG die technischen und organisatorischen Voraussetzungen für die elektronische Abwicklung von Verwaltungsdienstleistungen sicherzustellen.

Die im Gesetzentwurf der Landesregierung angedachte Differenzierung zwischen bestimmten Verwaltungsdienstleistungen, die angeboten werden können, aber nicht müssen, lässt sich mit den Regelungen des OZG nur schwer in Einklang bringen. Gleiches gilt für das dem Gesetzentwurf zugrunde liegende Konzept der Verständigung zwischen dem Land und den Kommunen auf einheitliche Standards. Das OZG sieht nämlich einheitliche IT-Sicherheits- und Kommunikationsstandards vor, von denen nicht durch Landesrecht abgewichen werden kann (vgl. § 5 Satz 3 und § 6 Abs. 4 Satz 2 OZG). Festlegungen zur IT-Sicherheit werden durch das Bundesministerium des Innern (BMI) ohne Zustimmung des Bundesrates getroffen (vgl. § 5 Satz 1 OZG). Festlegungen zu den Kommunikationsstandards werden durch das BMI im Benehmen mit dem IT Planungsrat ohne Zustimmung des Bundesrates getroffen (vgl. § 6 Abs. 1 OZG).

Das neue OZG ist aus meiner Sicht auch für das Informationsfreiheitsrecht von Bedeutung. Bisher hatten sich die Kommunen nämlich dagegen verwahrt, amtliche Informationen über das Landesportal, das zu einem Informationsregister ausgebaut werden soll, zur Verfügung zu stellen. Da die Kommunen nach dem OZG ihre Verwaltungsdienstleistungen über das Landesportal zur Verfügung stellen müssen, ist jedoch kein vernünftiger Grund ersichtlich, warum sie sich weiterhin gegen ihre Einbindung in das Landesinformationsregister wehren sollten.

Bei aller Kritik an dem Gesetzentwurf zum Landes-E-Government-Gesetz ist es unter informationsfreiheitsrechtlichen Gesichtspunkten grundsätzlich positiv zu bewerten, dass in diesem erstmals ein elektronisches Beteiligungsportal für die Bürgerinnen und Bürger geregelt wird. Die Regelung ist allerdings vage und defensiv. Ein wesentlich besserer Standort für eine Regelung zum Beteiligungsportal des Landes wäre zudem ein Open-Government-Gesetz, dessen Erarbeitung im aktuellen Koalitionsvertrag vorgesehen ist (vgl. Nr. 9.3 dieses Berichts).

Es bleibt zu hoffen, dass ein überarbeiteter Gesetzesentwurf bald in den Landtag eingebracht wird, da die Landesregierung nach Abschluss der parlamentarischen Beratungen zum E-Government-Gesetz eine Gesetzesnovelle zur Weiterentwicklung des IZG LSA vorlegen muss (vgl. LT-Drs. 7/1363 sowie Nr. 8 dieses Berichts).