III. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt
vom 1. Oktober 2012 bis 30. September 2014
6.4 Workshops der Ministerien
Workshop des Finanzministeriums zur Weiterentwicklung des Informationsfreiheitsrechts in Sachsen-Anhalt
Am 3. Mai 2011 hat die Landesregierung beschlossen, die Zuständigkeiten für die IKT-Strategie, den operativen IKT-Betrieb und E-Government unter der Verantwortung eines Beauftragten der Landesregierung für Informationstechnik CIO zu bündeln. Mit Kabinettsbeschluss vom 21. Juni 2011 hat die Landesregierung Sachsen-Anhalts erstmals einen "CIO" eingesetzt. Seitdem sind im Finanzministerium unter Federführung eines Finanzstaatssekretärs als CIO die ehemaligen Aufgaben der Landesleitstelle IT Strategie aus der Staatskanzlei sowie die Zuständigkeiten für E- und Open-Government aus dem Ministerium für Inneres und Sport angesiedelt. Informationszugangsrechtlich unterfallen damit zwei Kernbereiche in die Zuständigkeit des Finanzministeriums, die sich vereinfacht wie folgt beschreiben lassen:
E-Government erfasst die Abwicklung geschäftlicher Prozesse im Zusammenhang mit Regieren und Verwalten (Government) mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechniken über elektronische Medien. Die Aufgabe von E-Government besteht darin, die elektronische Kommunikation unter Einhaltung der Datenschutzgesetze des Bundes und der Länder zu ermöglichen.
Bei Open Government macht der Staat dagegen seine Daten der Allgemeinheit zugänglich. Es muss folglich zuvor eine Prüfung stattgefunden haben, ob die Daten veröffentlichungsfähig sind oder Ausschlussgründe einer Preisgabe der Information entgegenstehen. Rechtsgrundlage für die Veröffentlichung sind dabei im Wesentlichen die Informationsfreiheitsgesetze des Bundes und der Länder (allgemeine Informationsfreiheitsgesetze, Umweltinformationsgesetz, Verbraucherinformationsgesetz). Zentrale Rechtsvorschrift für die Veröffentlichung von Informationen durch die öffentlichen Stellen des Landes Sachsen-Anhalt ist § 11 IZG LSA, demzufolge die öffentlichen Stellen von sich aus zur Veröffentlichung geeignete Informationen in das Internet einstellen sollen. Die Prüfung, ob Daten schutzwürdig sind, erfolgt hier also im Rahmen der Informationsfreiheitsgesetze und nicht nach den Datenschutzgesetzen. Die Aufgabe von E-Government besteht hier darin, die technischen Voraussetzungen zu schaffen, damit die Daten der öffentlichen Hand über elektronische Medien offen und maschinenlesbar zur Verfügung gestellt werden können. E Government bildet daher die Grundlage zur Verwirklichung von Open Government bzw. des Open-Data-Gedankens. Transparenz und Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger werden erst durch die Veröffentlichung der Informationen ermöglicht.
Ob die Informationsfreiheit als eines der modernsten Bürgerrechte von den Bürgerinnen und Bürgern effektiv in Anspruch genommen werden kann, ist daher ein Stück weit auch vom Ministerium der Finanzen abhängig. Dieses hatte aber diese Zukunftsthemen bisher vernachlässigt (vgl. auch meine Kritik im II. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit, Nr. 9.4) Da das Ministerium aufgrund seiner Zuständigkeit für E- und Open Government einschließlich Open Data auch in die Evaluierung des IZG LSA einzubeziehen ist, diente ein Workshop am 16. April 2014 dem Meinungsaustausch. Ich habe insbesondere die Möglichkeit wahrgenommen, die aus meiner Sicht notwendigen Rahmenbedingungen für die Verbesserung der Informationsfreiheit darzustellen, und darauf hingewiesen, dass durch die Public-Sector-Information-Richtlinie (vgl. Nr. 2.1) und die G8-Open-Data-Charta (vgl. Nr. 2.2) auf europäischer und internationaler Ebene bereits eine Entwicklung zu mehr Open Data angestoßen wurde, die sich nicht aufhalten lässt und der sich die Bundesrepublik Deutschland aufgrund ihrer europa- bzw. völkerrechtlichen Verpflichtungen auch nicht entziehen kann. Dies gilt natürlich erst recht für die Länder. Ich habe das Ministerium darauf aufmerksam gemacht, dass Sachsen-Anhalt bisher weder ein eigenes Informationsregister noch eine eigene Open-Data-Plattform besitzt und sich dementsprechend auch nicht an dem gemeinsamen Open-Data-Portal von Bund und Ländern „GOV-DATA“ beteiligen kann. Auf der vom Bundesministerium des Innern ins Leben gerufenen „Open-Government-Landkarte“ sei Sachsen-Anhalt derzeit ein weißer Fleck. Mittlerweile würden selbst Bundesländer ohne Informationsfreiheitsgesetz – wie z. B. Sachsen – Sachsen-Anhalt in puncto E- und Open Government überholen. Ich habe daher empfohlen, den im Masterplan Landesportal beschlossenen Ausbau des Landesportals zu einem Informationsregister zügig umzusetzen und auch eine klarere Rechtsgrundlage für Register im IZG LSA zu schaffen. Erforderlich sei m. E. auch eine Reform des Gebührenrechts. Denn Bürger, die sich ihre Informationen noch über einen individuellen Antrag beschaffen müssten, würden im Vergleich zu denjenigen Bürgern benachteiligt, die sich die Information im Internet abrufen würden. Vor dem Hintergrund, dass die Landesregierung in dem geplanten Landesorganisationsgesetz ohnehin eine gesetzliche Regelung für E-Government verlange, habe ich für die Einführung eines Landes-E-Government- bzw. eines E- und Open-Government-Gesetzes geworben.
Auf Seiten des Ministeriums bestehen allerdings Vorbehalte, insbesondere auch unter finanziellen Gesichtspunkten. Vorgetragen wurde auch, dass der politische Wille zur Umsetzung dieser Ziele deutlicher zum Ausdruck kommen müsse. Ich halte allerdings die vom Ministerium angeführten finanziellen Bedenken nicht für nachvollziehbar. Zum einen handelt es sich um Kosten, die sich nicht vermeiden lassen, weil sie letztendlich durch die Umsetzung von Europarecht entstehen. Zum anderen sind offene Daten, worauf gerade die EU verweist, ein großer Wirtschaftsfaktor. Eine internationale Studie prognostiziert bis zum Jahr 2020 ein BIP-Wachstum der 28 EU- Länder um 206 Milliarden Euro. Diese Summe entspricht dem EU-Wirtschaftswachstum eines Jahres (Big and Open Data in Europe: A growth engine or a missed opportunity?). Der Aspekt, dass durch Open-Data die Wirtschaft gefördert wird, neue Wirtschaftsmodelle entstehen und damit auch Rückflüsse und mehr Steuern erzielt werden können, wurde bisher von dem Ministerium nicht entsprechend berücksichtigt.
Es ist erfreulich, dass sich das Ministerium für Finanzen auch als Ergebnis des Workshops aktiv an der Evaluierung des IZG LSA beteiligte.
Workshop der Ministerien des Innern und der Finanzen zur Einführung eines Landes-E Government-Gesetzes
Am 1. August 2013 ist das E-Government-Gesetz des Bundes in Kraft getreten, das in weiten Teilen auch für Landesbehörden gilt, soweit sie Bundesrecht ausführen (BGBl. I S. 2749).
Nach § 2 Abs. 1 EGovG ist jede Behörde ab dem 1. Juli 2014 verpflichtet, einen Zugang für die Übermittlung elektronischer Dokumente zu eröffnen, auch soweit sie mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind. Dies gilt also auch für Landes- und Kommunalbehörden, die Bundesrecht ausführen. Bundesbehörden werden darüber hinaus verpflichtet, auch einen De-Mail-Zugang und zur Identifizierung einer Person den elektronischen Identitätsnachweis nach § 18 des Personalausweisgesetzes oder nach § 78 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes anzubieten. Für Landes-und Kommunalbehörden besteht diese Verpflichtung bisher nicht.
Weiterhin sollen die Behörden des Bundes gemäß § 6 EGovG ab 2020 die Akten elektronisch führen. Der Bundesgesetzgeber veranschlagt damit eine Vorlaufzeit bis zur elektronischen Aktenführung von sechs Jahren. Insbesondere die Einführung der elektronischen Akte ist eine wesentliche Grundvoraussetzung für Open Government und Open Data. Deshalb verlangt auch § 12 EGovG die Verwendung maschinenlesbarer Formate, damit eine automatisierte Weiterverarbeitung mittels Software ermöglicht wird und dadurch Medienbrüche vermieden werden.
Bereits in meiner Stellungnahme vom 12. April 2013 vor der Enquete-Kommission „Öffentliche Verwaltung konsequent voranbringen – bürgernah und zukunftsfähig gestalten“ habe ich darauf verwiesen, dass Sachsen-Anhalt über die Notwendigkeit eines Landes-E-Government-Gesetzes nachdenken muss, da das E-Government-Gesetz des Bundes die Landesbehörden nur betrifft, wenn sie Bundesrecht ausführen und somit eine Lücke für die Tätigkeit der Landesbehörden sowie für die Kommunalbehörden bei der Ausführung von Landesrecht besteht. Da mit einem E-Government-Gesetz zugleich die Voraussetzungen für Open Data und Open Government sowie die technischen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass amtliche Informationen - wie von der PSI-Richtlinie verlangt - in offenen maschinenlesbaren Formaten zur Verfügung gestellt werden können, handelt es sich auch um eine informationsfreiheitsrechtliche Thematik.
Über ein Jahr nach Einführung des E-Government-Gesetzes des Bundes hat das Ministerium für Inneres und Sport in Kooperation mit dem Ministerium der Finanzen am 19. September 2014 einen Workshop durchgeführt, der die Erörterung der Notwendigkeit eines Landes-E-Government-Gesetzes zum Ziel hatte. An dem Workshop nahmen die Vertreter fast aller Ressorts sowie der kommunalen Spitzenverbände teil.
Ich sehe zur Einführung eines Landes-E-Government-Gesetzes keine vernünftige Alternative. Dies hatte ich auch zuvor dem CDU-Wirtschaftsrat in einem Vortrag, der auf meiner Homepage zum Abruf zur Verfügung steht, ausführlich erläutert. Für die Landesverwaltung gibt es bisher keine dem EGovG entsprechenden Regelungen, wenn Landesrecht ausgeführt wird und damit das EGovG nicht gilt. Diese Lücke ist zu schließen. In diesem Zusammenhang ist, wie in § 6 EGovG, auch eine Regelung zur Einführung der elektronischen Akte notwendig. Sie ist nicht nur eine Grundvoraussetzung für Open Government und Open Data und eine medienbruchfreie Kommunikation, sondern auch erforderlich für die Zurverfügungstellung offener maschinenlesbarer Daten im Sinne der Public-Sector-Information-Richtlinie, zu deren Umsetzung die Mitgliedstaaten der EU bis zum 18. Juli 2015 verpflichtet sind. Die Einführung der elektronischen Akte lässt sich auch schon deshalb nicht vermeiden, weil sie Teil des elektronischen Rechtsverkehrs in der Justiz ist. Die Behörden werden daher den Gerichten zwangsläufig eine elektronische Akte vorlegen müssen.
Auch wird kein Weg an einer gesetzlichen Regelung der verschlüsselten Kommunikation vorbeiführen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein Unternehmen von einer Behörde nicht verpflichtet werden, über eine ungesicherte E-Mail-Verbindung unternehmensinterne Daten zu übermitteln (BGH ZD 2013, 273; Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 3a Rn 14). Da seit dem 1. Juli 2014 gemäß § 2 Abs. 1 EGovG von Landesbehörden, die Bundesrecht ausführen, ein Zugang für die Übermittlung elektronischer Dokumente eröffnet werden muss, dürfte seitdem auch ein Anspruch auf eine verschlüsselte elektronische Kommunikation bestehen.
Das Innenministerium hat die Ergebnisse des Workshops in einem Eckpunktepapier mit Stand vom Dezember 2014 zusammengefasst. Danach haben sich die Vertreter der Ressorts ganz überwiegend für die Einführung eines Landes-E-Government-Gesetzes ausgesprochen und die Einführung der elektronischen Akte befürwortet. Vorbehalte gab es ausschließlich von Seiten des Ministeriums der Finanzen. Das Eckpunktepapier gibt allerdings nicht den aktuellen Sachstand wieder. In der 1. Aktualisierung des Umsetzungsplans zur „Strategie Sachsen-Anhalt digital 2020“ (Stand: 20. Mai 2014) sind bereits unter Nr. 1 das Vorhaben eines Landes-E-Government-Gesetzes sowie unter Nr. 14 die Planung und Einführung eines Dokumentenmanagement- und Vorgangsbearbeitungssystem (DMS/VBS), also die Einführung der elektronischen Akte, neu aufgenommen worden. Hinzuweisen ist auch auf den Beschluss des Landtags „Vertrauliche Kommunikation fördern“, in der der Landtag die Entschließung der 87. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder zur „Gewährleistung der Menschenrechte bei der elektronischen Kommunikation“ begrüßt hat (LT-Drs. 6/3532) sowie auf die Beschlussrealisierung der Landesregierung (LT-Drs. 6/3734). Der Landtag hat sich also ausdrücklich für eine Förderung der verschlüsselten elektronischen Kommunikation ausgesprochen. Da das Eckpunktepapier offensichtlich eine Diskussionsgrundlage auch im politischen Raum darstellen soll, habe ich eine Aktualisierung empfohlen.