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IV. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informations­freiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2014 bis 30. September 2016

4.1 Das Open-Data-Gesetz des Bundes

Im internationalen Vergleich zum Thema Open Data schnitt Deutschland in der Vergangenheit eher bescheiden ab, d. h. andere Staaten stellten ihren Bürgerinnen und Bürgern sowie der Wirtschaft in Schlüsselbereichen deutlich mehr Informationen digital zur Verfügung.

Vor diesem Hintergrund hatten sich die in der Bundesregierung vertretenen Parteien in ihrem Koalitionsvertrag zur 18. Wahlperiode darauf verständigt, dass die Bundesverwaltung auf der Basis eines Gesetzes Vorreiter für die Bereitstellung offener Daten in einheitlichen maschinenlesbaren Formaten und unter freien Lizenzbedingungen werden solle. Der erste Nationale Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der Open-Data-Charta der G8-Staaten vom September 2014 (vgl. Nr. 2.2 des III. Tätigkeitsberichts) enthielt dementsprechend die Ankündigung einer gesetzlichen Open-Data-Regelung.

Auf ihrer Konferenz am 14. Oktober 2016 in Berlin haben die Regierungschefinnen und Regierungschefs von Bund und Ländern nun beschlossen, dass zunächst der Bund – als Vorreiter – ein Open-Data-Gesetz vorlegen werde. Die Länder haben zugesagt, dem Beispiel des Bundes zu folgen und eigene Open-Data-Gesetze zu erlassen. Eine solche Zusage hat folglich auch Sachsen-Anhalt gegeben.

Regelungsstandort für Open Data


Für Bund und Länder stellt sich nun die Frage, wie dieser Beschluss umgesetzt werden soll. In Betracht kommen drei Lösungswege:

Der Wortlaut des Beschlusses legt es erstens eigentlich nahe, dass Bund und Länder eigenständige umfassende Open-Data-Gesetze schaffen, in denen sie im Rahmen ihrer Gesetzgebungskompetenz alles rund um das Open-Data-Thema vom Informationszugang, zur Veröffentlichung bis hin zu Lizenzfragen für die Weiterverwendung der Daten regeln. Gegen eine solche Lösung spricht allerdings, dass der Informationszugang und die Veröffentlichung von Daten im Bund und in der überwiegenden Mehrheit der Bundesländer bereits in den Informationsfreiheitsgesetzen geregelt sind. Das Recht der Weiterverwendung hat der Bund bereits aufgrund einer ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz im Informationsweiterverwendungsgesetz mit Bindung für die Länder normiert. Ein eigenständiges Open-Data-Gesetz wird also nicht gebraucht.

Da offene Daten über Online-Portale im Internet in maschinenlesbaren Formaten zur Verfügung gestellt werden, wäre es zweitens grundsätzlich denkbar, Open Data unter rein informationstechnischen Gesichtspunkten zu betrachten und den Beschluss durch eine Ergänzung der E-Government-Gesetze des Bundes bzw. der Länder um Open-Data-Regelungen umzusetzen. Dagegen spricht jedoch, dass die Zugänglichmachung und Veröffentlichung von Daten nicht nur eine technische, sondern vor allem eine rechtliche Frage ist. Es muss nämlich geprüft werden, ob es Gründe (wie z. B. den Datenschutz) gibt, die einer Veröffentlichung der Daten entgegenstehen können.

Ob eine Information zugänglich ist und veröffentlicht werden darf, ergibt sich drittens aus den Transparenz- bzw. den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes und der Länder. Diese kommen als natürlicher Standort von Open-Data-Regelungen schon deshalb in Betracht, weil sie bereits jetzt eigenständige Open-Data-Vorschriften enthalten, die im Zweifel nur ergänzt bzw. erweitert werden müssten. Dies gilt insbesondere für den Bund und auch für Sachsen-Anhalt (siehe § 11 Abs. 3 IZG LSA).

In ihrer Entschließung „Nicht bei Open Data stehenbleiben: Jetzt auch Transparenzgesetze in Bund und Ländern schaffen!“ vom 2. Dezember 2016 (Anlage 9) hat die Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten daher gefordert, dass die geplanten Open-Data-Regelungen in Transparenzgesetze aufgenommen werden sollten.

Schon im März 2017 zeichnete es sich jedoch ab, dass der Bund mit dem vom Bundesinnenministerium vorgelegten Open-Data-Gesetzentwurf (BT-Drs. 18/11614) keine Vorreiterrolle einnehmen, sondern einen Sonderweg im Sinne des oben beschriebenen zweiten Lösungsansatzes beschreiten würde, dem die Länder mit Informationsfreiheitsgesetzen schon aus systematischen Gründen nicht werden folgen können: In dem Gesetzentwurf hat sich der Bund für das E–Government-Gesetz des Bundes als weiteren Standort der Open-Data-Regelungen neben den Open-Data-Regelungen des Informationsfreiheitsgesetzes entschieden. Er begründete diese Differenzierung damit, dass im E-Government-Gesetz Rohdaten, d. h. unbearbeitete Daten, veröffentlicht werden sollen, während über das Informationsfreiheitsgesetz bearbeitete Daten veröffentlicht werden. Diese Unterscheidung ist jedoch verfehlt. Nach der Open-Data-Klausel des Bundes werden ganz allgemein Informationen veröffentlicht. Informationen sind sowohl bearbeitete wie unbearbeitete Daten. Der Gesetzentwurf litt daher an einem Konstruktionsfehler. Das lässt sich auch daran erkennen, dass für die Frage, ob die Rohdaten nach dem E-Government-Gesetz des Bundes veröffentlicht werden dürfen, auf die Ausschlussgründe des Informationsfreiheitsgesetzes zurückgegriffen werden muss.

Vor diesem Hintergrund haben sich die Informationsfreiheitsbeauftragten der Länder mit ihrer Entschließung „Open Data: Gesetzentwurf der Bundesregierung greift zu kurz!“ vom 24. April 2017 (Anlage 10) an die zuständigen Ausschüsse des Bundestages mit der Bitte gewandt, den eingeschlagenen Sonderweg des Bundes zu überdenken. Sie haben die Ausschüsse darauf hingewiesen, dass Open-Data-Regelungen nicht in das E-Government-Gesetz gehören und dort systemfremd sind, sodass die Bundesregelung keine Signalwirkung für die Länder entfalten könne. Sie haben die Ausschüsse darauf aufmerksam gemacht, dass das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes der richtige Standort für eine Open-Data-Regelung wäre.

Der Bund ist der Bitte der Informationsfreiheitsbeauftragten der Länder nicht gefolgt. Dies dürfte aber rein praktische Gründe gehabt haben. Da der Entwurf zum Ende der Legislaturperiode eingebracht wurde, wäre eine – im Koalitionsvertrag ohnehin nicht vorgesehene – Reform des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes nicht mehr rechtzeitig möglich gewesen. In den Ländern besteht ein entsprechender Eilbedarf nicht.

In den Gesetzentwurf zum E-Government-Gesetz des Landes Sachsen-Anhalt sind keine Open-Data-Regelungen nach dem Vorbild des Bundes aufgenommen worden (vgl. Nr. 9.2). Auf einem Workshop zur Digitalen Agenda des Landes Sachsen-Anhalt hat das Innenministerium mitgeteilt, dass dies auch nicht nachträglich geplant sei, da es sich um eine Frage des Informationsfreiheitsrechts handele.

Regelungsinhalt des Open-Data-Gesetzes des Bundes

Am 13. Juli 2017 ist das neue Open-Data-Gesetz des Bundes (Erstes Gesetz zur Änderung des E-Government-Gesetzes vom 5. Juli 2017, BGBl. I, S. 2206) in Kraft getreten. Trotz aller Kritik weist das Open-Data-Gesetz auch positive Gesichtspunkte auf. Im Folgenden möchte ich auf die wesentlichen Grundgedanken und Regelungen des Gesetzes eingehen:

Das Gesetz will zum einen Daten der öffentlichen Verwaltung für Bürgerinnen und Bürger öffnen, da offene Daten die Grundlage für die Öffnung von Regierung und Verwaltung im Sinne eines Open Governments sind. Zum anderen weist der Gesetzentwurf ausdrücklich auf den hohen wirtschaftlichen Nutzen von Open Data hin. Die Studie „Open Data. The Benefits – Das volkswirtschaftliche Potential für Deutschland“ (April 2016) der Konrad-Adenauer-Stiftung beziffert den volkswirtschaftlichen Effekt der wirtschaftlichen Nutzung offener Daten auf mindestens 12,1 Milliarden Euro in den kommenden 10 Jahren. Die Europäische Kommission sehe, so die Studie, in der EU ein Potenzial von 140 Milliarden Euro jährlich. Diese Chancen würden aus Sicht der Bundesregierung bisher nicht genutzt. Um dies zu ändern, bedürfe es aus Sicht der Bundesregierung eines Kulturwandels in der Verwaltung. Mit dem neuen Gesetz wird die Bundesverwaltung verpflichtet, zukünftig ihre Daten zur Verfügung zu stellen, die Ausnahmen für die Nicht-Zur-Verfügung-Stellung müssen begründet werden („Open Data by Default“).

Dementsprechend verpflichtet ein neuer § 12a E-GovG die Behörden der unmittelbaren Bundesverwaltung, Rohdaten entgeltfrei und zur uneingeschränkten Weiterverwendung für jedermann zur Verfügung zu stellen. Diese sollen über das Bund-Länder-Portal GovData auffindbar gemacht werden. Mit dieser Pflicht der Behörden korrespondiert jedoch kein Rechtsanspruch auf Veröffentlichung. Dies ist nicht nachvollziehbar. Die Wirtschaft braucht zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle zuverlässige, umfassende und vollständige Daten.

Unter „Daten“ versteht das Gesetz nur reine „Fakten“ – unabhängig von Bedeutung, Interpretation und Kontext. Akten, Vermerke und Gutachten wären demnach keine Daten, sondern Informationen, die nicht dem Open-Data-Gesetz unterfallen. Auch dies ist nicht überzeugend.

Eine Pflicht zur Veröffentlichung entfällt, wenn ein Hinderungsgrund vorliegt. Hierzu müssen die Ausschlussgründe i. S. d. §§ 3 bis 6 des IFG des Bundes geprüft werden. Zuständig für die Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften des IFG des Bundes ist die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Sie ist daher auch erste Ansprechpartnerin für die Auslegung und Anwendung des Gesetzes. Dennoch sieht § 12a Abs. 9 E-GovG des Bundes vor, dass die Bundesregierung eine zentrale Stelle einrichtet, die die Behörden der unmittelbaren Bundesverwaltung zu Open Data berät und Ansprechpartner für die Länderstellen ist. Diese Regelung verkennt, dass dies die Aufgabe der Bundes- bzw. der Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit ist.

Auf Landesebene sollte daher auf eine solche Regelung verzichtet werden. Ansprechpartner für Open-Data-Fragen auf Landesebene ist wegen der bereits jetzt bestehenden gesetzlichen Regelung in §§ 11 und 12 IZG LSA der Landesbeauftragte für die Informationsfreiheit. Angesichts der zunehmenden Bedeutung von Open Data kommt nach meiner Auffassung die Schaffung behördlicher Open-Data-Beauftragter in Betracht, deren Aufgabe von einem behördlichen Informationsfreiheitsbeauftragten wahrgenommen werden könnte.