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II. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2010 bis 30. September 2012

7.1.2 Informationszugangsrechtliche Seite

Im Rahmen meiner Prüfungs- und Beratungstätigkeit stellte sich heraus, dass die Antragsteller Einsicht in den Erbbaupachtvertrag der Gemeinde mit dem Bruder des Bürgermeisters, den Schriftverkehr, der als Entscheidungsgrundlage für die Gemeinde zur Errichtung des Feuerwehrgerätehauses auf dem im Erbbaupachtvertrag genannten Grundstück diente, sowie in die Ausschreibungsunterlagen zum Feuerwehrgerätehaus begehrten. Da unklar war, ob der Antrag bei der örtlich zuständigen Behörde gestellt worden war, hatte ich empfohlen, einen neuen Antrag nur noch durch eine Person an die zuständige Verbandsgemeinde zu richten, bei der die Unterlagen vorhanden waren.

Die Verbandsgemeinde hatte den Antrag auf Einsichtnahme in den Erbbaupachtvertrag geprüft, vorerst abgelehnt und mich um "weitere Bearbeitung des Vorgangs" gebeten. Nach der Gesetzesbegründung habe ich zwar die Funktion eines außergerichtlichen Streitschlichters (vgl. auch meinen I. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit Nr. 3.6.). Das IZG LSA räumt mir aber in § 12 Abs. 3 IZG LSA i. V. m. §§ 22 bis 24 des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten (DSG LSA) keine Befugnis ein, statt der nach § 7 Abs. 1 IZG LSA zuständigen Stelle über einen Informationszugangsantrag zu entscheiden. Ich habe daher das Schreiben der Behörde als Bitte um Beratung zur Prüfung des Antrags interpretiert, zumal die Behörde mir den Vertrag in einer der von ihr zur Veröffentlichung vorgesehenen geschwärzten Fassung sowie ungeschwärzt unter Darlegung der für sie maßgeblichen Entscheidungsgründe vorgelegt hatte.

Ich habe die Verbandsgemeinde als Ergebnis meiner Prüfung darauf hingewiesen, dass sich die Behandlung der Informationszugangsanträge durch sie nicht mit dem IZG LSA vereinbaren lasse. Die Ablehnung des Antrags auf Einsicht in den Erbbaupachtvertrag unter Berufung auf die fehlende Einwilligung des Grundstückeigentümers i. S. d. § 5 Abs. 1 Satz 1 IZG LSA war rechtswidrig. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IZG LSA darf Zugang zu personenbezogenen Daten nur gewährt werden, soweit das Informationsinteresse des Antragstellers das schutzwürdige Interesse des Dritten am Ausschluss des Informationszugangs überwiegt oder der Dritte eingewilligt hat. Fehlt - wie im vorliegenden Fall - die Einwilligung des Dritten, muss die Behörde in die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IZG LSA vorgeschriebene Güterabwägung eintreten. Eine solche war jedoch ersichtlich nicht vorgenommen worden. Ferner ist der Antrag, soweit er die Einsicht in den o. g. Schriftverkehr betraf, von ihr bisher nicht geprüft und beschieden worden.

Im Rahmen meiner Beratung habe ich nach einer Durchsicht der mir vorgelegten Vertragsfassungen die Behörde in Bezug auf die von ihr vorzunehmende erneute Prüfung auf folgende Gesichtspunkte hingewiesen:

Für den Fall, dass ein Antragsteller Einsicht in einen bei einer Gemeinde vorliegenden Grundstücksvertrag begehrt, gibt es in der GO LSA keine spezialgesetzliche Regelung, die dem IZG LSA nach § 1 Abs. 3 IZG LSA vorgehen könnte. Informationen aus einem Vertrag zwischen einer Behörde und einem Dritten sind regelmäßig amtliche Informationen, so dass der Anwendungsbereich des IZG LSA prinzipiell eröffnet ist. Der Schutz von sensiblen Daten, z. B. von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen oder von personenbezogenen Daten, erfolgt über die Ausschlussgründe des Gesetzes (vgl. Nr. 4.2.1. meines I. Tätigkeitsberichts zur Informationsfreiheit). Ob ein Ausschlussgrund gegeben ist, hängt von dem zu beurteilenden Einzelfall ab. Dies gilt prinzipiell auch für Liegenschaftsverträge (vgl. VG Köln, Urteil vom 7. April 2011, Az.: 13 K 822/10), also auch für Grundstücksverträge, die eine Gemeinde mit einem Dritten schließt.

Da die Verschwiegenheitspflichten der Gemeinderäte keinen Ausschlussgrund i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 4 IZG LSA darstellen (vgl. Nr. 6.8.3 dieses Tätigkeitsberichts), kommt als Ausschlussgrund allenfalls der Schutz personenbezogener Daten i. S. d. § 5 Abs. 1 Satz 1 IZG LSA in Betracht. Nach dieser Vorschrift darf der Zugang zu personenbezogenen Daten nur gewährt werden, soweit das Informationsinteresse des Antragstellers das Geheimhaltungsinteresse des Dritten überwiegt.

Es dürfte offensichtlich sein, dass unter Berücksichtigung der Ziele des Gesetzes, das Handeln der Verwaltung nachvollziehbar und einer bürgerschaftlichen Kontrolle zugänglich zu machen (vgl. meinen I. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit Nr. 2.5.4.), das Informationsinteresse der Antragstellerin als sehr hoch zu gewichten ist. Bei einem Erbbaupachtvertrag, den eine Gemeinde mit dem Bruder des Bürgermeisters schließt, der zugleich auch noch stellvertretender Bürgermeister und Gemeinderat ist, liegt eine mögliche Interessenskollision ohne Weiteres auf der Hand. Diese kann sowohl auf Seiten des Bürgermeisters als auch auf Seiten des Bruders und Ratsmitglieds dadurch entstehen, dass ihre aus dem Amt folgende Pflicht, uneigennützig und nur zum Wohle der Gemeinschaft zu handeln, mit ihren Eigeninteressen als Privatpersonen kollidieren kann (vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. November 2011, Az. 10 C 18/89, Rn. 15). Für den Bürgermeister ergibt sich das Eigeninteresse dabei aus der Verwandtschaftsbeziehung zu seinem Bruder. Für den Bruder ist ein Eigeninteresse zu bejahen, da er aus dem abgeschlossenen Erbbaupachtvertrag u. a. mit der Zahlung des Erbbauzinses einen unmittelbaren Vorteil erlangt. Nicht zuletzt wegen dieses Interessenkonflikts ordnet die GO LSA in diesen Fallkonstellationen Mitwirkungsverbote bzw. Genehmigungsvorbehalte bei entsprechenden Verträgen an. Es liegt daher nicht nur im Interesse der Antragstellerin, sondern auch im Interesse der Allgemeinheit, Kenntnis vom Inhalt des Erbbaupachtvertrags zu erhalten, um nachvollziehen zu können, ob dieser wirklich dem Wohl der Allgemeinheit dient. Ein gesteigertes Informationsinteresse besteht insbesondere dann, wenn wie hier im Vorfeld des Vertragsabschlusses gegen bestehende Mitwirkungsverbote verstoßen worden sein könnte und es nicht ersichtlich ist, dass der Vertrag der Kommunalaufsicht nicht zur Prüfung vorgelegt wurde.

Soweit die Antragstellerin Zugang zu personenbezogenen Daten begehrt, die nicht ohne Weiteres bekannt sind, dürfte das Interesse des Dritten an dem Schutz seiner personenbezogenen Daten zwar grundsätzlich als hoch zu bewerten sein, da diese nicht ausschließlich der Sozialsphäre, sondern seiner Privatsphäre entstammen. So enthielt der Vertrag - wie üblich - z. B. auch Angaben über die Größe des dem Dritten gehörenden Grundstücks, über die Vertragsdauer, Kostenregelungen, Vorkaufsrechte und den Erbbauzins. Angesichts der oben geschilderten Interessenskollision dürfte aber das Informationsinteresse der Antragstellerin, in dem sich auch ein Informationsinteresse der Allgemeinheit widerspiegelt, das Interesse des Dritten an der Geheimhaltung seiner Daten überwiegen. Schützenswert erscheinen nach einer Durchsicht des Vertrags lediglich Angaben über die Höhe der Grundschulden des Dritten, da diese als sensibel einzustufen sind und für die Überprüfung des Vertrags nicht von Belang sind, zumal sie nach den Vertragsbedingungen gelöscht werden sollten. Dagegen dürfte das Interesse der Antragstellerin an der Preisgabe der Höhe des Erbbauzinses das Geheimhaltungsinteresse des Dritten überwiegen, da ein erhebliches öffentliches Interesse an der Feststellung besteht, ob der Erbbauzins angemessen ist. Die von der Behörde vorgenommene Schwärzung dürfte insofern nicht gerechtfertigt sein.

Ich habe die Verbandsgemeinde ferner darauf aufmerksam gemacht, dass nach § 8 Abs. 2 IZG LSA die Entscheidung dem Dritten bekannt zu geben ist. Außerdem darf der Informationszugang erst erfolgen, wenn die Entscheidung gegenüber dem Dritten bestandskräftig geworden oder die sofortige Vollziehung angeordnet worden war und seit der Bekanntgabe der Anordnung an den Dritten zwei Wochen verstrichen sind. § 9 Abs. 3 IZG LSA gilt entsprechend.

Die Verbandsgemeinde hat ihre Prüfung noch nicht abgeschlossen. Ich werde das Verfahren im Rahmen meines gesetzlichen Kontrollauftrages weiter beobachten und über seinen Ausgang berichten.