II. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2010 bis 30. September 2012
6.8.3 Verschwiegenheitspflichten des Gemeinderats
Nach der Rechtsprechung sind Liegenschaftsverträge (vgl. VG Köln, Urteil vom 7. April 2011, Az.: 13 K 822/10), also auch Grundstücksverträge, die eine Gemeinde mit einem Dritten schließt, grundsätzlich einsehbar, sofern kein Ausschlussgrund vorliegt. Informationen aus einem Vertrag zwischen einer Behörde und einem Dritten sind nämlich regelmäßig amtliche Informationen, so dass der Anwendungsbereich des IZG LSA prinzipiell eröffnet ist. Der Schutz von sensiblen Daten, z. B. von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen oder von personenbezogenen Daten, erfolgt über die Ausschlussgründe des Gesetzes (vgl. Nr. 4.2.1. meines I. Tätigkeitsberichts zur Informationsfreiheit). Ob ein Ausschlussgrund gegeben ist, hängt somit von dem zu beurteilenden Einzelfall ab. So bat mich ein Mitglied eines Stadtrates um Auskunft, ob einer Einsicht in Grundstücksverträge der Gemeinde mit Dritten die Pflicht des Gemeinderats zur Verschwiegenheit nach § 50 Abs. 3 GO LSA als Ausschlussgrund i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 4 IZG LSA entgegenstehen könne.
Nach dieser Vorschrift besteht ein Informationszugangsanspruch nicht, wenn die Information einer durch Rechtsvorschrift oder die Verschlusssachenanweisung für das Land Sachsen-Anhalt geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht unterliegt oder wenn die Information einem Berufs- oder einem besonderen Amtsgeheimnis unterfällt. Die allgemeine Pflicht zur Amtsverschwiegenheit, wie sie z. B. auch in § 67 Bundesbeamtengesetz oder § 37 Beamtenstatusgesetz geregelt ist, wird dagegen nicht von diesem Ausschlussgrund umfasst.
Im Übrigen bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass die Verschwiegenheitspflicht des Gemeinderats keinen Ausschlussgrund i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 4 IZG LSA zu begründen vermag. Dazu habe ich auf zwei Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zum korrespondierenden Informationsfreiheitsgesetz des Bundes verwiesen, in denen das Gericht im Hinblick auf die Verschwiegenheitspflichten der Mitglieder der Bundesregierung gem. § 6 Bundesministergesetz (BMinG) bzw. der Bundestagsabgeordneten gem. § 44d Abgeordnetengesetz (AbgG) bereits entschieden hat, dass diese nicht dem Ausschlussgrund des § 3 Abs. 1 Nr. 4 IFG unterfallen. Das Gericht hat ausdrücklich betont, dass in § 6 BMinG nur eine allgemeine Pflicht zur Amtsverschwiegenheit geregelt worden ist (BVerwG, Urteil vom 3. November 2011, Az.: 7 C 3/11). Ob in § 44d AbgG eine allgemeine Amtsverschwiegenheitspflicht des Bundestagsabgeordneten geregelt worden sei, hat das Gericht offen gelassen, da diese Pflicht nur für den Abgeordneten, aber nicht für die auskunftspflichtige Stelle gelte und daher keine überschießende Wirkung habe (BVerwG, Urteil vom 3. November 2011, Az. 7 C 4/11). Ich halte die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wegen der vergleichbaren Sachlage auf die für Gemeinderäte geltende Verschwiegenheitspflicht für übertragbar (vgl. auch Nr. 6.2).