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V. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informations­freiheit Sachsen-Anhalt
vom 1. Oktober 2016 bis 30. September 2018

1 Einführung und Zusammenfassung

 
Zur Berichtspflicht
 
Meinem V. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit liegt eine durchaus kuriose Situation zugrunde. Aufgrund eines Versehens des Gesetzgebers ist meine Pflicht zur Erstellung eines Tätigkeitsberichts formal-juristisch gesehen vorübergehend entfallen. Was ist passiert?
 
Das IZG LSA räumte in der Vergangenheit dem Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit durch eine Verweisung in § 12 Abs. 3 IZG LSA auf die §§ 22 bis 24 des Datenschutzgesetzes Sachsen-Anhalt (DSG LSA) dieselbe Rechtsstellung und dieselben Aufgaben und Befugnisse wie dem Landesbeauftragten für den Datenschutz ein. Infolge der EU-Datenschutz-Grundverordnung haben sich die Aufgaben und Befugnisse des Landesbeauftragten für den Datenschutz jedoch erheblich erweitert. Der Gesetzgeber hat das DSG LSA mit dem Gesetz zur Organisationsfortentwicklung des Landesbeauftragten für den Datenschutz (LT-Drs. 7/1736) im Mai 2018 an die DS-GVO angepasst und die Aufgaben und Befugnisse des Landesbeauftragten für den Datenschutz neu geregelt (vgl. Nr. 7.3). Infolgedessen passen die Verweisungen des IZG LSA auf die Regelungen des DSG LSA nicht mehr. § 22 Abs. 4a DSG LSA, der die Pflicht zur Erstellung eines Tätigkeitsberichts regelte, wurde ersatzlos gestrichen, da für die Tätigkeitsberichte des Landesbeauftragten für den Datenschutz unmittelbar die DS-GVO gilt. Dabei wurde jedoch übersehen, dass § 22 Abs. 4a DSG LSA über die Verweisung des § 12 Abs. 3 IZG LSA zugleich die Rechtsgrundlage für die Berichtspflicht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit war.
 
Der Wegfall der Berichtspflicht war nicht geplant und ist auch nur vorübergehender Natur. Meine Aufgaben und Befugnisse und damit auch die Vorschrift über den Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit sollen in das IZG LSA überführt werden. Das ist unstrittig. Da der Landesregierung der Handlungsbedarf schon seit längerem bekannt ist und auch nicht überraschend kommt (vgl. Nr. 3.1 des IV. Tätigkeitsberichts), hatte ich vorgeschlagen, das Versehen mit dem Gesetz zur Änderung des IZG LSA, mit dem ein Informationsregister in das Landesrecht eingeführt wurde, zu korrigieren (vgl. Nr. 7.4). Das Ministerium für Inneres und Sport ist meinem Vorschlag nicht gefolgt. Die dringend erforderlichen Regelungen meiner Befugnisse sollen im Rahmen der Anpassung des Datenschutzrechts an das Recht der EU in das IZG LSA integriert werden. Da dieses Gesetzespaket frühestens Ende des Jahres 2019 in Kraft treten wird, habe ich mich entschlossen, nicht länger auf das Inkrafttreten einer neuen Regelung zu warten. 
 
Ausschlaggebend für die Veröffentlichung zum jetzigen Zeitpunkt war insbesondere, dass der Landtag meinen im September 2017 vorgelegten IV. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit zusammen mit dem Gesetz zur Änderung des IZG LSA erst im Mai 2019 beraten hat. Der Landtag hat zu meinem Tätigkeitsbericht einen weitreichenden Beschluss zur Fortentwicklung des Informationsfreiheitsrechts gefasst, die Landesregierung hat in ihrer Beschlussrealisierung angekündigt, die Bitten des Landtages umsetzen zu wollen (vgl. Kap. 6). Es wäre nicht sinnvoll gewesen, dem Landtag den V. Tätigkeitsbericht vorzulegen, ohne dass der vorhergehende Bericht erörtert worden wäre. Für die Leserinnen und Leser wäre es wiederum nicht nachvollziehbar, wenn der Bericht nicht auch auf das geänderte IZG LSA, das am 29. Juni 2019 in Kraft getreten ist, eingehen würde. 
 
Der Tätigkeitsbericht dient der Unterrichtung des Landtages sowie der Information der Bürgerinnen und Bürger sowie der Behörden. Er enthält Materialien und Empfehlungen für das von der Landesregierung geplante neue Transparenzgesetz. Auch berichte ich aus der Praxis für die Praxis, unter Einbeziehung der Rechtsprechung, mittels Darstellung anschaulicher Einzelfälle (Kapitel 12 und 13). Die Zahl der Eingaben ist im Vergleich zum IV. Tätigkeitsbericht um fast 80 Prozent gestiegen und hat mittlerweile einen Höchststand erreicht. Mit dem geplanten Transparenzgesetz kommen auf mich neue, zusätzliche Aufgaben zu, die im Bereich der Informationsfreiheit eine personelle Verstärkung bedingen werden (vgl. Nr. 2.3).
 
10 Jahre IZG LSA
 
„10 Jahre Informationszugangsgesetz Sachsen-Anhalt – ein Grund zum Feiern?“ Diese Frage habe ich in einem gleichlautenden Beitrag für das Jahrbuch „Informationsfreiheit und Informationsrecht 2018“ vor dem Hintergrund gestellt, dass das IZG LSA am 1. Oktober 2018 schon 10 Jahre alt geworden ist. Prinzipiell lässt sich die Frage bejahen, denn der Paradigmenwandel vom Amtsgeheimnis zur Aktenöffentlichkeit hat in Sachsen-Anhalt stattgefunden und das Gesetz hat sich grundsätzlich bewährt. Doch in einem Transparenz-Ranking aller Informationsfreiheitsgesetze in Deutschland liegt das IZG LSA eher abgeschlagen auf dem drittletzten Platz. 
 
Grund dafür ist, dass es sich bei dem IZG LSA um ein Informationsfreiheitsgesetz der älteren Generation handelt, bei dem sich die Bürgerinnen und Bürger per Antrag die Informationen – zumeist gegen Entgelt – holen müssen. Moderne Transparenzgesetze stellen dagegen die Informationen über ein Register im Internet anonym und kostenlos zur Verfügung. Das erspart den Antrag, das anschließende Verwaltungsverfahren mit Erlass eines Verwaltungsaktes, die Kosten und den Gang zur Behörde zwecks Akteneinsicht vor Ort. Die Informationen können vielmehr von jedermann zu jeder Tageszeit von zu Hause abgerufen werden. Wer dann noch Fragen hat, kann immer noch einen individuellen Informationszugangsantrag stellen.
 
Die Landesregierung hat mit dem Gesetz zur Änderung des IZG LSA erste zaghafte Reformschritte vorgenommen (vgl. Nr. 7.4). Mit diesem Gesetz wurde ein Informationsregister in das IZG LSA aufgenommen, das jedoch nicht einmal annähernd die Anforderungen an ein modernes Transparenzregister erfüllt. Das beruht im Wesentlichen auf dem Umstand, dass der Katalog der zu veröffentlichenden Informationen im Vergleich zu den Transparenzregistern anderer Bundesländer auf ein Minimum beschränkt ist. Hinzu kommt, dass in ihm ganz überwiegend nur solche Informationen zu finden sind, die bereits öffentlich sind. 
 
Als Open-Data-Portal müsste das Informationsregister auch ein hohes Potential für die Wirtschaft von Sachsen-Anhalt entfalten können, weshalb die Landesregierung es auch in die Digitale Agenda des Landes aufgenommen hat. Man denke an den boomenden Markt der Apps. Die Bundesregierung ging vor diesem Hintergrund im Jahre 2017 von einem Wirtschaftspotential von mindestens 10 Milliarden Euro für die nächsten 10 Jahre in Deutschland aus. Die Wirtschaft braucht jedoch Rohdaten in offenen maschinenlesbaren Formaten, die sie weiterverwenden und miteinander kombinieren kann. Gerade diese Daten sind in dem Register jedoch nur rudimentär enthalten. 
 
Der entscheidende weitergehende Input zur Modernisierung des Informationsfreiheitsrechts kommt wieder einmal nicht von der Verwaltung, sondern aus dem Landtag. Dieser hat die Landesregierung gebeten, einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem das IZG LSA unter Einbeziehung meiner Vorschläge aus dem IV. Tätigkeitsbericht zu einem Informationsfreiheits- bzw. Transparenzgesetz fortentwickelt werden soll. Die Landesregierung hat angekündigt, das geforderte Gesetz im Jahr 2020 in den Landtag einzubringen. 
 
Im Kapitel 9 dieses Berichts habe ich bisherige und weitergehende aktuelle Empfehlungen für ein modernes Transparenzgesetz zusammengefasst.
 
Das neue Informationsregister
 
Im Juni 2019 wurde das Informationsregister im Landesportal unter der Seite https://izg.sachsen-anhalt.de/ freigeschaltet. Es gab ganz untypisch für die Staatskanzlei keine Pressemitteilung. Die Bürgerinnen und Bürger, die Presse und die Wirtschaft wurden nicht von der Existenz des Informationsregisters informiert. 
 
Das Informationsregister wirkt eilig zusammengestellt und ungeordnet. Man kann die Informationen nicht mit einem Schlagwortregister suchen. Auch eine Suche nach Kategorien, wie z. B. nach Wirtschaft, Gesundheit oder Sozialem, ist nicht möglich. 
 
Die Suche nach Datenkategorien entspricht dem allgemeinen Standard in den Informationsregistern bei Bund und Ländern (vgl. Nr. 7.4). Man braucht hierzu nur einen Blick in das Bund-Länder-Online-Portal GovData oder in die Open-Data-Portale von Schleswig-Holstein oder Hamburg zu werfen. Auch das Open-Data-Portal der Stadt Halle lässt eine Suche nach bestimmten Kategorien zu und ist damit dem Landesportal, das das nicht ermöglicht, insofern überlegen.
 
Gemeinden, Verbandsgemeinden und Landkreise können entgegen der gesetzlichen Regelung aus § 11a Abs. 4 IZG LSA derzeit keine Informationen im Informationsregister veröffentlichen. 
 
Im Rahmen der Anhörung zur Einführung des Informationsregisters hatte ich gerügt, dass mit dem Register nicht die Information der Bürgerinnen und Bürger, sondern die Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung im Vordergrund stehe. Diese Kritik hat sich jetzt bewahrheitet. In dem Informationsregister erfolgt nämlich nicht eine Verlinkung auf eine bestimmte Information. Vielmehr wird gleich auf ganze Seiten, insbesondere auf solche, die der Öffentlichkeitsarbeit der Ministerien dienen, verlinkt. Das ist nicht Sinn und Zweck eines Informationsregisters. 
 
Das Einstellen und Löschen von Informationen aus dem Informationsregister ist jeglicher Kontrolle entzogen und damit willkürlich möglich. Ein Nutzer kann nicht nachvollziehen, ob eine einmal eingestellte Information am nächsten Tag noch Inhalt des Informationsregisters ist. 
 
Es besteht hier noch erheblicher Verbesserungsbedarf. Ich werde mich deshalb an die Staatskanzlei wenden.
 
Open Data und Open Government
 
Der Wandel zu einer transparenten Verwaltung ist ein Prozess, der einer kontinuierlichen Förderung bedarf. Mit einem transparenten Staat, der seine Bürgerinnen und Bürger im Sinne von Open Data und Open Government informiert, sie partizipieren lässt und mit ihnen, da wo es geboten ist, auch zusammenarbeitet, wird das Gemeinwohl gestärkt. Um den von mir seit langem geforderten „Informationsfreiheitsruck“ zu meistern, bedarf es einer ganzheitlichen, nachhaltigen, verbindlichen und vernetzten Open-Data- und Open-Government-Strategie. Das hatte auch die Enquete-Kommission des Landtages zur Verwaltungsmodernisierung so gesehen und die Landesregierung bereits im Jahr 2015 gebeten, eine Open-Data- und Open-Government-Strategie auf den Weg zu bringen. Jetzt haben wir 2019 und das zuständige Ministerium der Finanzen hat immer noch nicht geliefert (vgl. Nr. 8.3).
 
Doch wie will man Transparenz und Teilhabe fördern, wenn man keine Konzepte hat, an welchen Projekten die Bürgerinnen und Bürger, die Zivilgesellschaft und die Wirtschaft beteiligt werden müssen und welche Informationen man ihnen zur Verfügung stellen muss? Wie soll die Wirtschaft aus offenen Daten neue Geschäftsmodelle entwickeln, wenn man sie nicht fragt, welche Daten sie benötigt? Statt qualitativ hochwertiger Daten, z. B. von Rohdaten aus den Bereichen Umwelt, Verkehr und Energie, finden sich im Informationsregister des Landes Tätigkeitsberichte, Flyer und Broschüren, mit denen die Wirtschaft nichts anfangen kann. Es ist doch leicht, einfach eine Arbeitsgruppe der Ministerien zu bilden, die gemeinsam mit der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft ermittelt, welche Informationen in das Informationsregister primär eingestellt werden sollen. Schließlich ist dies dem Bund für seinen 1. Nationalen Aktionsplan zur Open-Government-Partnership auch gelungen. 
 
Wenn man regionale Digitalisierungszentren fördert, warum fördert man dann Open Data nicht gleich mit? Alle Smart-City- oder Smart-Region-Projekte setzen den Zugang zu offenen Daten des Staates voraus (vgl. Nr. 8.5). Intelligente Lösungen sind ohne offene Daten nicht möglich. 
 
Seit Jahren fordere ich nicht nur Bekenntnisse, sondern auch informationsfreiheitsrechtliche Taten. Es wird Zeit, dass die Landesregierung handelt und ein modernes Transparenzgesetz vorlegt und zugleich eine Open-Data- und eine Open-Government-Strategie entwickelt und die Konzepte in die Praxis umsetzt.