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II. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2010 bis 30. September 2012

6.8.2 Zugang zu öffentlichen und nicht-öffentlichen Sitzungsprotokollen

Zur Frage, ob § 56 Abs. 3 GO LSA, der Einwohnern die Einsichtnahme in Niederschriften über die öffentlichen Sitzungen des Gemeinderates gestattet, eine vorrangige Regelung i. S. d. § 1 Abs. 3 IZG LSA darstellt, bin ich in meinem I. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit ausführlich unter Nr. 5.15. eingegangen. Ich habe dies verneint. Dagegen vertreten das Innenministerium und mit ihm die kommunalen Spitzenverbände die Auffassung, dass es sich bei § 56 Abs. 3 GO LSA um eine abschließende Regelung handele, die für das IZG LSA Sperrwirkung entfalte. Allerdings soll es nach Auffassung des Innenministeriums einer Gemeinde möglich sein, Informationen aus den Niederschriften über nicht öffentliche Sitzungen des Gemeinderats weiterzugeben, wenn diese keine sensiblen Daten enthalten.

Ich halte die Rechtsauffassung des Innenministeriums nicht für überzeugend, da § 56 Abs. 3 GO LSA keinen abschließenden Charakter besitzt. Sie führt zudem zu unbilligen, nicht mehr nachvollziehbaren Ergebnissen und steht im krassen Gegensatz zu dem Ziel des Landesgesetzgebers, die Beteiligungsrechte der Bürger durch die Verbesserung ihrer Informationsrechte zu stärken:

Folgt man der Rechtsansicht des Innenministeriums, dann entfaltet § 56 Abs. 3 GO LSA als vorrangige Regelung Sperrwirkung für Informationszugangsanträge zu Niederschriften zu öffentlichen und nicht öffentlichen Sitzungsprotokollen des Gemeinderats. Nach dem Wortlaut des § 56 Abs. 3 GO LSA ist nur den Einwohnern der Gemeinde die Einsichtnahme in die Niederschriften über öffentliche Sitzungen des Gemeinderats zu gestatten. Ich habe bereits in meinem I. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit darauf hingewiesen, dass dies zu inhaltlich nicht mehr begründbaren Ergebnissen führen würde, da ein gemeindeexterner Dritter zwar an einer öffentlichen Gemeinderatssitzung teilnehmen, aber die Niederschrift über den öffentlichen Teil nicht einsehen dürfte (vgl. Nr. 5.15. meines I. Tätigkeitsberichts zur Informationsfreiheit). Beispielsweise dürfte ein Einwohner der Stadt Halle an der öffentlichen Sitzung des Stadtrates Magdeburg teilhaben. Er hätte aber keinen Anspruch auf Einsicht in das Sitzungsprotokoll, da § 56 Abs. 3 GO LSA dies nicht gestattet und das IZG LSA nicht zur Anwendung käme.

Aber auch für den Einwohner hat die Auslegung des Innenministeriums Nachteile. § 56 Abs. 3 GO LSA gestattet dem Einwohner nämlich nur die Einsichtnahme in das Sitzungsprotokoll. Einen Anspruch auf Übersendung des Sitzungsprotokolls in Kopie besitzt er dagegen nicht. Vielmehr steht es nach der im Kommunalrecht vorherrschenden Meinung im Ermessen der Gemeinde, ob sie einem Einwohner das Sitzungsprotokoll in Kopie aushändigt. Dieses Ermessen ist auch nicht automatisch auf null reduziert, so dass es rechtlich durchaus möglich ist, dass der Einwohner das Protokoll nicht in Kopie bekommt. Ein Streit um die Kopie des Sitzungsprotokolls spielt im Informationsfreiheitsrecht jedoch keine Rolle, da das IZG LSA einen ermessensunabhängigen Anspruch auf Erstellung von Kopien in § 7 Abs. 4 IZG LSA ausdrücklich normiert hat.

Die Auffassung des Innenministeriums, dass eine Gemeinde Informationen aus den Niederschriften über nicht öffentliche Sitzungen des Gemeinderats weitergeben dürfe, wenn diese keine sensiblen Daten enthielten, halte ich ebenfalls für schwer vertretbar. Handelt es sich bei § 56 Abs. 3 GO LSA um eine abschließende Regelung mit Sperrwirkung, wie das Innenministerium es meint, dann ist nur eine Einsichtnahme in die öffentlichen Sitzungsprotokolle des Gemeinderats gestattet. Wegen des abschließenden Charakters der Norm wäre weder eine Einsichtnahme noch eine Auskunft aus dem nicht-öffentlichen Sitzungsprotokoll möglich.

Ich halte daher in diesem kommunalrechtlichen Bereich ein Umdenken für notwendig. Wie auch die Fallbeispiele unter Nr. 6.8.1 und Nr. 7.1 zeigen, besteht bei den Bürgerinnen und Bürgern der Wunsch nach einer besseren Information und größerer Transparenz, um an der Kommunalpolitik aktiver teilnehmen zu können (vgl. Nr. 6.8.4).