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II. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2010 bis 30. September 2012

6.8.4 Live-Übertragungen von öffentlichen Gemeinderatssitzungen

In meinem X. Tätigkeitsbericht für den Datenschutz hatte ich unter Nr. 16.2 darauf verwiesen, dass die (Live-)Übertragung von öffentlichen Gemeinderatssitzungen derzeit in der Gemeindeordnung des Landes Sachsen-Anhalt nicht geregelt ist, so dass sich die Rechtmäßigkeit entsprechender Übertragungen mangels spezialgesetzlicher Regelungen im Kommunalrecht nach dem DSG LSA beurteilt. Die Vorschriften des DSG LSA sind aber nicht auf Veröffentlichungen personenbezogener Daten im Internet zugeschnitten, da beim Erlass des Gesetzes dem Internet noch nicht die heutige Bedeutung zukam. Dementsprechend fehlen auch hier spezielle Bestimmungen. Da über das Internet die Übertragung personenbezogener Daten in alle Welt möglich ist, kommt nach dem geltenden Landesrecht ein Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift des § 13 DSG LSA in Betracht, der die Übermittlung personenbezogener Daten ins Ausland regelt. In meinem X. Tätigkeitsbericht für den Datenschutz (Nr. 16.2) habe ich darauf verwiesen, dass nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 DSG LSA eine Übertragung der öffentlichen Gemeinderatssitzung momentan wohl nur möglich sei, wenn alle Beteiligten der Übertragung zugestimmt hätten.

Unter informationsfreiheitsrechtlichen Gesichtspunkten erscheint diese Lösung jedoch angesichts des Sinns und Zwecks der Öffentlichkeit von Gemeinderatssitzungen als zu strikt und nicht mehr zeitgemäß. So hat das VG Magdeburg erst kürzlich darauf hingewiesen, dass die Öffentlichkeit der Ratssitzungen zu den wesentlichen Grundsätzen der Kommunalverwaltung gehöre. Sie sei eines der wichtigsten Mittel, das Interesse der Bürgerschaft an der Selbstverwaltung zu wecken und zu erhalten und die vom Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) geforderte Transparenz kommunalpolitischer Entscheidungen zu gewährleisten. Durch die Öffentlichkeit der Sitzungen solle allen Bürgern die Möglichkeit gegeben werden, die Arbeit der gewählten Vertreter zu verfolgen und zugleich eine allgemeine Kontrolle der wichtigsten Vorgänge der Kommune auszuüben (VG Magdeburg, Beschluss vom 9. Juli 2012, Az.: 9 B 137/12). Nimmt man diese Aussage ernst, dann ist das Internet geradezu ein ideales Mittel, um die Öffentlichkeit der Sitzung zu gewährleisten, Transparenz herzustellen und eine bürgerschaftliche Kontrolle zu ermöglichen, da jedermann - im Übrigen auch zu einem späteren Zeitpunkt - den Sitzungsverlauf verfolgen kann.

Die Beteiligten, insbesondere die Gemeinderäte, sind auch nur bedingt schutzwürdig. Die Willensbildung im Gemeinderat soll zwar möglichst ungezwungen, offen und freimütig erfolgen. Fakt ist jedoch, dass alles, was in einer öffentlichen Sitzung getan oder geäußert wird, nicht geheim und damit auch nicht sensibel ist. Wird eine Information öffentlich geäußert, dann lässt sich ihre Verbreitung auch über das Internet nicht mehr verhindern. Dass die Medien über den Verlauf von Gemeinderatssitzungen, Äußerungen des Bürgermeisters und der Gemeinderäte im Internet berichten, gehört heute vielmehr zum Alltag.

Ein Blick ins Internet zeigt, dass bei vielen, insbesondere den größeren Städte und Gemeinden, ein Bedürfnis besteht, kommunales Handeln durch die Übertragung ihrer Stadt- und Gemeinderatssitzungen transparent zu machen. Der Landesgesetzgeber sollte diesem Bedürfnis Rechnung tragen und es den Städten und Gemeinden durch eine spezialgesetzliche Regelung in der GO LSA ermöglichen, Sitzungen ihrer Parlamente im Internet zu übertragen. Eine entsprechende Rechtsgrundlage hat z. B. der hessische Landesgesetzgeber mit § 52 Abs. 3 der hessischen Gemeindeordnung, der seit dem 24. Dezember 2011 in Kraft ist, geschaffen. Nach dieser Vorschrift können die Städte und Gemeinden in ihrer Hauptsatzung selbst bestimmen, ob sie die Internetübertragung der Sitzungen ihrer Parlamente zulassen (vgl. die Entscheidung des VG Kassel, Beschluss vom 7. Februar 2012, Az.: 3 L 109/12.KS). Allerdings ist auch das Kunsturhebergesetz zu beachten.