Menu
menu

I. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2008 bis 30. September 2010

 

5.15.    Einsicht in Niederschriften über den nicht öffentlichen Teil einer Gemeinderatssitzung

Das Verhältnis des IZG LSA zu den Vorschriften der Gemeindeordnung des Landes Sachsen-Anhalt ist rechtlich ungeklärt. Insbesondere können die Kommunen hier noch nicht auf eine gefestigte Rechtsprechung zurückgreifen, da eine solche noch nicht existiert. Dementsprechend schwierig gestaltet sich daher die Falllösung. Dies zeigt folgende Eingabe:

Ein Petent begehrte Einsicht in die Niederschriften über den nicht-öffentlichen Teil einer Gemeinderatssitzung. Die um Einsicht ersuchte Verwaltungsgemeinschaft (VGem) wollte den Antrag ablehnen, da es sich bei § 56 Abs. 3 GO LSA um eine vorrangige Regelung i. S. d. § 1 Abs. 3 IZG LSA handele, die die subsidiäre Anwendung des IZG LSA sperre. Ich habe diese Ansicht mit Blick auf die kürzlich ergangene Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein Westfalen (OVG NRW) zu § 1 Abs. 3 IFG Bund, dem § 1 Abs. 3 IZG LSA nachgebildet ist, für nicht überzeugend gehalten.

Nach der Rechtsprechung des OVG NRW sind Konkurrenzfragen in jedem konkreten Einzelfall durch eine systematische, an Sinn und Zweck des Gesetzes orientierte Auslegung der jeweiligen Informationszugangsrechte zu klären. Wenn spezialgesetzliche Regelungen für einen gesonderten Sachbereich oder für bestimmte Personengruppen einen begrenzten Informationsanspruch vorsehen, soll im Einzelfall zu untersuchen sein, ob diese Grenzen auch für den Anspruch aus § 1 IFG Bund bindend sind. Das ist nach der Rechtsprechung des OVG NRW dann anzunehmen, wenn ein umfassender Informationsanspruch dem Schutzzweck des Spezialgesetzes zuwiderlaufen würde. Lässt sich derartiges nicht feststellen, soll der Anspruch aus § 1 Abs. 1 IFG Bund  bzw. aus § 1 Abs. 1 IZG LSA zur Anwendung kommen (vgl. OVG NRW, Az. 8 A 1548/07, S. 2).

Berücksichtigt man die o.g. Kriterien, dann sprechen bereits der Wortlaut sowie der Sinn und Zweck des § 56 Abs. 3 GO LSA grundsätzlich dafür, dass die Vorschrift keine Sperrwirkung entfaltet und einer subsidiären Anwendung des IZG LSA hinsichtlich der Einsichtnahme in die Niederschrift über den nicht öffentlichen Teil einer Gemeinderatssitzung nicht entgegensteht: § 56 Abs. 3 GO LSA regelt nur, dass den Einwohnern die Einsichtnahme in die Niederschriften über die öffentlichen Sitzungen zu gestatten ist. Die Vorschrift gibt dem Einwohner damit zwar keinen Anspruch auf Einsicht in die Niederschriften über den nicht öffentlichen Teil einer Gemeinderatssitzung, sie verbietet die Einsichtnahme aber auch nicht. Sie trifft insoweit keine Regelung.

Würde man § 56 Abs. 3 GO LSA dagegen abschließenden Charakter zuerkennen, müsste man zu dem wenig überzeugenden Ergebnis kommen, dass gemeindeexterne Dritte zwar an einer öffentlichen Stadtratssitzung teilnehmen, aber die Niederschriften über den öffentlichen Teil der Sitzung weder nach der GO LSA noch nach dem IZG LSA einsehen dürften, weil sie nicht dem Adressatenkreis des § 56 Abs. 3 GO LSA unterfielen. In der kommunalen Praxis haben jedoch viele Gemeinden bereits jetzt Ratsinformationssysteme eingerichtet, in denen der öffentliche Teil einer Stadtratssitzung im Internet veröffentlicht und damit gemeindeexternen Personen zugänglich gemacht wird.

Im Übrigen ergeben sich auch aus den Gesetzesmaterialien zur GO LSA keine Hinweise darauf, dass § 56 Abs. 3 GO LSA eine abschließende Regelung beinhalten sollte (vgl. LT-Drs. 1/1222, S. 28, 58 f.; LT-Drs. 1/2798, S. 45). Ein umfassender Informationsanspruch läuft schließlich auch dem Schutzzweck der §§ 56 Abs. 3 i. V. m. 50 Abs. 2 GO LSA, die die Vertraulichkeit der Beratungen des Gemeinderates schützen wollen, nicht zuwider, da die Ausschlussgründe des IZG LSA gem. §§ 3 bis 6 IZG LSA einen ausreichenden Schutz für die berechtigte Geheimhaltung der in der Gemeinderatssitzung unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelten Themen und Unterlagen bieten (vgl. zur entsprechenden Rechtslage in NRW, OVG NRW, Az.: 8 A 1642/05, S. 8 f).

Sollte der Gesetzgeber eine andere Lösung wünschen, müsste dies meines Erachtens durch eine gesetzliche Regelung klargestellt werden.

Im vorliegenden Fall hat die VGem den Antrag des Petenten einer erneuten eigenverantwortlichen Prüfung unterzogen und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass dem Petenten der Informationszugang nach Maßgabe des IZG LSA gewährt werden könne.