IV. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2014 bis 30. September 2016
14.7 Prüfkriterien für Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nach der aktuellen Rechtsprechung
In der Praxis stellt sich immer wieder die Frage, ob die Entgelte, die eine Behörde mit einem Unternehmen vereinbart hat, rechtlich als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu qualifizieren sind. Dies wird oft vorschnell bejaht (vgl. auch Nrn. 16.4 und 16.10 dieses Berichts):
Nach der ständigen Rechtsprechung sind unter Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge zu verstehen, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat (BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006, Az.: 1 BvR 2087/03; BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2014, Az.: 6 B 43/13; BGH, Urteil vom 4. September 2013, Az.: 5 StR 152/13 jeweils m. w. N.). Betriebsgeheimnisse betreffen im Wesentlichen technisches Wissen; Geschäftsgeheimnisse kaufmännisches Wissen. Ein Interesse an der Nichtverbreitung ist nach der Rechtsprechung anzuerkennen, wenn die Offenlegung der Information geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Konkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Juli 2013, Az.: 7 B 45.12 m. w. N.).
Da Ausschlussgründe einzelfallbezogen, hinreichend substantiiert und konkret dargelegt werden müssen (BVerwG, Urteil vom 3. November 2011, DVBl 2012, 176, vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 6. April 2011, NVwZ 2011, 880), muss von einer Behörde dargelegt werden, inwiefern die Preisgabe der Höhe eines Entgeltes, insbesondere eines Pauschalbetrages, die Wettbewerbsposition des Unternehmens im Konkurrenzkampf mit anderen Unternehmen nachteilig beeinflussen könnte.
In verschiedenen Fällen wurde in einem Kaufpreis oder einem Mietzins kein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis gesehen (BVerwG, Beschluss vom 24. November 2015, Az.: 20 F 4/14; OVG Berlin Brandenburg, Urteil vom 28. Januar 2015, OVG 12 B 13.13). Die Rechtsprechung hat dabei folgende Prüfungskriterien herangezogen: Ist ein Kauf- oder Mietvertrag bereits abgeschlossen, können bei einer Auskunft über das Entgelt hinsichtlich des bestehenden Vertrags keine Nachteile eintreten. Es müsste daher konkret dargelegt werden können, dass das Bekanntwerden des Entgelts die Verhandlungsposition des Unternehmers bei zukünftigen Verhandlungen beeinträchtigen könnte. Die Rechtsprechung verweist dann aber darauf, dass in aller Regel die Altverträge wegen des Zeitablaufs keine verwertbaren Rückschlüsse auf aktuelle Kalkulationen des Unternehmens zulassen dürften. Hängt das Entgelt maßgeblich von den konkreten Gegebenheiten und weiteren Umständen des Einzelfalls ab, wie z. B. der jeweiligen Nachfragesituation, ist auch nicht ohne weiteres erkennbar, dass die Offenlegung des Entgelts den Unternehmer bei anderen Verhandlungen mit Dritten benachteiligen könnte. Jedenfalls müsste dies konkret dargelegt werden.
Bei Pauschalbeträgen bzw. der Angabe einer Gesamtsumme hat die Rechtsprechung jedenfalls das Vorliegen eines Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses verneint, weil aus einem Pauschalbetrag oder einer Gesamtsumme keine Rückschlüsse auf die Kalkulation des Unternehmens gezogen werden können (BVerwG, a. a. O.).
Mangels Konkurrenzkampfes mit anderen Unternehmen fehlt ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse regelmäßig bei einem Monopol des Unternehmens (BVerwG, a. a. O.).