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IV. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informations­freiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2014 bis 30. September 2016

16.4 Pauschalpreise in Verträgen eines Landkreises hinsichtlich der Unterbringung von Asylbewerbern – Schutz fiskalischer Interessen?

Ein Petent hatte im Jahr 2016 Zugang zu Verträgen eines Landkreises hinsichtlich der Unterbringung von Asylbewerbern beantragt. Er ging davon aus, dass ihm der Informationszugang ohne Weiteres gewährt werden würde, denn ein erster Betreibervertrag des Landkreises mit dem Unternehmen war ihm vollständig zugänglich gemacht worden. Insbesondere waren ihm die in dem Vertrag vereinbarten Pauschalpreise mitgeteilt worden.

Diesmal wurde seinen Anträgen von dem Landkreis jedoch nur teilweise stattgegeben. Dieser lehnte einen Anspruch auf Zugang zu den Pauschalbeträgen mit der Begründung ab, dass das Bekanntwerden der Informationen nachteilige Auswirkungen auf die fiskalischen Interessen des Landkreises i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 6 IZG LSA haben könne. Bei den vereinbarten Pauschalen handele es sich zudem um geschützte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des betroffenen Unternehmens i. S. d. § 6 Satz 2 IZG LSA.

Der Petent hat gegen die teilweise Ablehnung seiner Informationszugangsanträge Widerspruch eingelegt und mich um Vermittlung geben. Im Rahmen meiner Prüfung bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass die erste Entscheidung des Landkreises, einen vollständigen Informationszugang zu gewähren, rechtmäßig gewesen sein dürfte.

Nach § 3 Abs. 1 Nr. 6 IZG LSA besteht ein Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn das Bekanntwerden der Information geeignet wäre, fiskalische Interessen einer Behörde im Wirtschaftsverkehr zu beeinträchtigen. Es kommt mithin – nicht anders als im Fall der Berufung auf schutzbedürftige Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse – darauf an, ob durch ein Bekanntwerden der Informationen die Verhandlungsposition der öffentlichen Stelle im Wirtschaftsverkehr geschwächt werden könnte (BVerwG, Beschluss vom 24. November 2015, Az.: 20 F 4/14). Die Feststellung der konkreten Möglichkeit nachteiliger Auswirkungen setzt seitens der informationspflichtigen Stelle die Darlegung von Tatsachen voraus, aus denen sich im jeweiligen Fall eine Beeinträchtigung des Schutzguts ergeben kann (BVerwG, Urteil vom 27. November 2014, Az.: 7 C 12/13).

Der Landkreis hat in seiner Stellungnahme vorgetragen, dass der Betreibervertrag (von 2015) auch noch in 2017 Geltung beanspruche und damit weiterhin aktuell sei. Bei einer Preisgabe der Pauschale erleide der Landkreis wirtschaftliche Nachteile. Wenn er ein neues Vergabeverfahren einleite, werde die Pauschale aus seiner Sicht voraussichtlich nur geringfügig unterschritten werden.

Zugleich hat der Landkreis aber auch eingeräumt, dass ein konkurrierender Unternehmer aus der Pauschale keine Rückschlüsse auf die Kalkulation des jetzigen Betreibers ziehen könne. Er hat selbst vorgetragen, dass sich die Flüchtlingszahlen im Vergleich zu 2015 erheblich verändert haben, sodass langfristige Prognosen, auf die der Landkreis eingestellt war, bereits überholt seien. Der Landkreis hat damit indirekt selbst eingestanden, dass die Preisgabe der Pauschalen für einen konkurrierenden Unternehmer keinen Vorteil bedeuten, weil dieser aufgrund des Zeitablaufs und der neuen Marktbedingungen aufgrund der veränderten Flüchtlingssituation seine eigenen Leistungen – angepasst an die neue Situation – auch neu kalkulieren müsste.

Dass im Übrigen ein konkurrierendes Unternehmen angesichts einer völlig veränderten Marktsituation sich an einem veralteten unrealistischen Angebot orientieren und daher die Pauschale nur geringfügig unterschreiten würde, wie der Landkreis behauptet, erscheint bei einer objektiven Betrachtung daher eher fernliegend. Jeder Anbieter muss damit rechnen, mit einem unrealistisch gewordenen Angebot zu unterliegen. Der Landkreis hat auch keine konkreten Anhaltspunkte, die seine These stützen könnten, vorgetragen. Eine Preisgabe der Pauschale könnte daher für ihn sogar eher mit wirtschaftlichen Vorteilen verbunden sein.

Auch die Berufung auf das Vorliegen von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gem. § 6 Satz 2 IZG LSA ist nicht nachvollziehbar. Bei Pauschalbeträgen hat die Rechtsprechung das Vorliegen eines Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses bereits abgelehnt, weil nämlich aus einem Pauschalbetrag schon keine Rückschlüsse auf die Kalkulation des Unternehmens gezogen werden können (BVerwG, Beschluss vom 24. November 2015, Az.: 20 F 4/14; siehe Nr. 14.7 dieses Berichts).

Der Landkreis ist meinen Hinweisen jedoch nicht gefolgt und hat dem Widerspruch des Antragstellers nicht abgeholfen. Dieser hat daher Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben. Die Entscheidung steht noch aus.