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III. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt
vom 1. Oktober 2012 bis 30. September 2014

9.4 Zugang zu Unterlagen der Handwerkskammern

Ein Antragsteller wandte sich gleich mit mehreren Beschwerden an mich. So hatte er diverse Handwerkskammern um verschiedene Auskünfte gebeten, z. B. um Auskunft über die Höhe der Zahlungen an die Bundesverbände, um Übersendung des Wirtschafts- oder Haushaltsplans oder um Angaben zur Höhe verschiedener Ausbildungsgebühren sowie die aufgrund der Aus- und Weiterbildung entstandenen Sach- und Personalaufwendungen.

Die von den Handwerkskammern vorgebrachten Gründe, den Informationszugang zu verweigern, waren sehr vielfältig. So führte eine Handwerkskammer an, bei den Zahlungen handele es sich um Informationen, die der Geheimhaltung unterliegen. Bei der Mitgliedschaft im Bundesverband seien Drittbelange von juristischen Personen betroffen, die nicht dem Anwendungsbereich des IZG LSA unterliegen. Die freie Mitgliedschaft sei nicht dem Informationsanspruch nach dem IZG LSA unterworfen.

Ich habe der Handwerkskammer mitgeteilt, dass die Handwerkskammer eine öffentliche Stelle des Landes Sachsen-Anhalt ist, die dem Anwendungsbereich des IZG LSA unterfällt. Der Umstand, dass die Handwerkskammer eine Zahlung an Dritte vorgenommen hat, ist eine amtliche Information i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 IZG LSA. Der Anwendungsbereich des Gesetzes ist daher grundsätzlich eröffnet. Dass gegen den Dritten kein unmittelbarer Informationszugangsanspruch besteht, weil er u. U. nicht zu den auskunftspflichtigen Stellen i. S. d. IZG LSA zählt, ändert nichts daran, dass gegenüber der öffentlichen Stelle der Anwendungsbereich eröffnet bleibt (vgl. auch Nr. 4.2.1, I. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit). Der Schutz sensibler Daten des Dritten erfolgt vielmehr über die Ausschlussgründe des Gesetzes. Diese hatte die Handwerkskammer aber gar nicht geprüft.

Eine weitere Handwerkskammer gab zur Ablehnung des gleichen Auskunftsersuchens an, den Antrag unter Berufung auf § 3 Abs. 1 Ziffer 7 und Abs. 2 und § 6 IZG LSA abgelehnt zu haben, da es sich um hier nicht mitteilungspflichtige Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse handeln würde.

Die Handwerkskammer wies ich auf Folgendes hin: § 3 Abs. 1 Nr. 7 IZG LSA schützt vertraulich erhobene bzw. vertraulich übermittelte Informationen. Er soll das Vertrauen in die Verschwiegenheit der Verwaltung stärken, um die Bereitschaft von Hinweisgebern und Informanten insbesondere im Bereich der Polizei und Sicherheitsbehörden zur anonymen Zusammenarbeit zu stärken. Er dient insofern primär dem „Informantenschutz“. Eine öffentliche Stelle kann sich auch nicht in genereller Weise den gesetzlichen Pflichten zur Erteilung von Auskünften dadurch entziehen, dass sie im Verhältnis zu den betroffenen Dritten jenen vertraglich oder auf andere Weise Vertraulichkeit zusichert. Die gesetzliche Pflicht zur Gewährung von Akteneinsicht oder Auskunft kann durch zivilrechtliche Vereinbarungen nicht umgangen werden (Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 31. Oktober 2013, Az.: 6 A 1734/13.Z, vgl. Nr. 8.8). Das Vorliegen der genannten Ausschlussgründe für den Informationszugang war hier nicht auf Anhieb erkennbar und hätte von der Handwerkskammer explizit vorgetragen werden müssen.

§ 3 Abs. 2 IZG LSA setzt voraus, dass durch den Informationszugang die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der öffentlichen Stelle erheblich beeinträchtigt wird. Eine erhebliche Beeinträchtigung könnte vorliegen, wenn durch die Preisgabe der Information die öffentliche Stelle ihren gesetzlichen Aufgaben nicht mehr nachkommen könnte oder der Informationszugang mit einer erheblichen Personalbindung verbunden ist und die öffentliche Stelle dadurch für eine nicht unerhebliche Zeit oder kaum in der Lage ist, ihre gesetzlichen Aufgaben wahrzunehmen. Auch hier war das Vorliegen des genannten Ausschlussgrundes nicht sofort erkennbar.

§ 6 IZG LSA schützt Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Unter Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind Tatsachen zu verstehen, die sich auf einen bestimmten Gewerbebetrieb beziehen, nur einem begrenzten Personenkreis bekannt und damit nicht offenkundig sind, nach dem erkennbaren Willen des Betriebsinhabers geheim gehalten werden sollen und hinsichtlich derer der Betriebsinhaber ein berechtigtes wirtschaftliches Geheimhaltungsinteresse hat (BGHSt 41, S. 140/142). Maßgeblich für ein objektiv berechtigtes wirtschaftliches Interesse ist vor allem die wettbewerbsrechtliche Relevanz der Information. Dafür ist entscheidend, inwieweit die Offenbarung der Information geeignet ist, Konkurrentinnen und Konkurrenten wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen oder die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu schwächen. Hierzu ist festzustellen, dass es um Interessensverbände ging, zu deren Mitgliedern die Handwerkskammern gehören. Sie sind als eingetragene Vereine mit eigener Rechtspersönlichkeit organisiert. Als Interessenverbände nehmen sie die Interessenvertretung der Handwerkskammern in den Ländern, im Bund und sogar gegenüber der EU wahr. Es war nicht ohne Weiteres ersichtlich, dass die Vereine im Wirtschaftsverkehr tätig sind.

In beiden Fällen erteilten die Handwerkskammern nach meinen Hinweisen die gewünschten Auskünfte.

Auch den angeforderten Haushaltsplan stellte die Handwerkskammer zur Verfügung, nachdem ich auf die Notwendigkeit hingewiesen habe, das Vorliegen von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen – auf die jeweilige Information bezogen – explizit zu begründen.

Bei den erbetenen Auskünften über Aus- und Weiterbildungsgebühren sowie die Personal- und Sachaufwendungen ergab sich eine differenziertere Bewertung. Während die Informationen zu den Aus- und Weiterbildungsgebühren durch die Handwerkskammern erteilt wurden, legten die Handwerkskammern mir in ergänzenden Stellungnahmen umfassend die Gründe für die Ablehnung des Informationszugangsantrags bezüglich der Aufwendungen dar. Die Handwerkskammern wiesen zu Recht darauf hin, dass Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gemäß § 6 Satz 2 IZG LSA vorliegen. Ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis betrifft Tatsachen, die mit einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zusammenhängen, nur einem begrenzten Personenkreis bekannt sind und nach dem Willen des Inhabers und nach dessen berechtigten und schutzwürdigen Interessen geheim gehalten werden sollen. Das berechtigte Interesse an der Geheimhaltung ist eine Frage der Schutzwürdigkeit und wird maßgeblich durch die Wettbewerbsrelevanz der Information bestimmt. Wettbewerbsrelevant können Daten sein, die z. B. auf die Kostenkalkulation und Entgeltgestaltung Rückschlüsse erlauben, die den Betriebs- und Geschäftsbereich betreffen. Die Handwerkskammern legten dar, auf dem Gebiet der Aus- und Weiterbildung wirtschaftlich durch Betriebe gewerblicher Art tätig zu sein. Diese befänden sich in unmittelbarer Konkurrenz mit anderen Bildungsträgern. Die Offenlegung der Personal- und Sachkosten könnte deshalb geeignet sein, die Wettbewerbsposition der Handwerkskammern nachteilig zu beeinflussen.

Der Antragsteller hat sich mit gleichen oder ähnlichen Anträgen nicht nur an die Handwerkskammern, sondern auch an andere Kammern gewandt. Während die meisten Kammern die Anträge positiv beschieden haben, besteht bei einigen wenigen Kammern, wie z. B. der Ärzte, der Apotheker- oder der Steuerberaterkammer, noch Klärungsbedarf. Ich werde über die Entwicklung weiter berichten.