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V. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informations­freiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2016 bis 30. September 2018

13.4 Rechtmäßigkeit eines Gebührenbescheids nach dem neuen Kostenrecht

Sachsen-Anhalt hat das Gebührenrecht für Anträge nach dem IZG LSA deutlich reformiert. Die Gebührenobergrenze wurde in der IZG LSA KostVO in der Fassung vom 13. Juni 2018 generell von 1.000 Euro auf 500 Euro gesenkt (vgl. Nr. 7.2). Nach dem im Juni 2019 geänderten IZG LSA werden gem. § 10 Abs. 2a Verwaltungskosten für eine Amtshandlung, die nicht mehr als 50 Euro betragen, nicht (mehr) festgesetzt. Mit dem Gesetz zur Organisationsfortentwicklung des Landesbeauftragten für den Datenschutz vom 21. Februar 2018 (GVBl. LSA 2018, S. 10 ff.) wurde in § 10 Abs. 1 IZG LSA zudem ein Verweis auf § 2 Abs. 2 VwKostG LSA aufgenommen: Damit wurde die Möglichkeit eingeführt, auf die Erhebung von Gebühren ganz oder teilweise zu verzichten, wenn daran ein öffentliches Interesse besteht (vgl. Nr. 7.1). Die Frage, wann im Informationsfreiheitsrecht auf die Erhebung von Gebühren nach § 10 Abs. 1 IZG LSA i. V. m. § 2 Abs. 2 VwKostG LSA ganz oder teilweise verzichtet werden kann, ist jedoch juristisches Neuland.
 
Der nachfolgende Fall – gewissermaßen ein Parallelfall zu Nr. 13.3 – zeigt, dass der Umgang mit dem neuen Recht noch Fragen offenlässt:
 
Der Antragsteller hatte im Jahr 2016 Zugang zu dem im Januar 2013 geschlossenen Vertrag des Landes Sachsen-Anhalt mit einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft über die Evaluierung des Betriebes der JVA Burg beim Landesbetrieb Bau- und Liegenschaftsmanagement begehrt. Der Landesbetrieb hatte im Januar 2017 entschieden, dass der Antragsteller einen teilweisen Informationszugangsanspruch zu dem Vertrag besaß. Erst im Januar 2018 wurden diesem dann die begehrten Informationen bekanntgegeben. Am 15. Februar 2018 erließ die Behörde schließlich einen Gebührenbescheid, mit dem für die Gewährung des Informationszugangs eine Gebühr in Höhe von 710 Euro erhoben wurde.
 
Als Rechtsgrundlage für die Berechnung der Gebühr wurden § 10 Abs. 1 und 3 IZG LSA i. V. m. Teil A Nr. 1 der Anlage zu § 1 der IZG LSA KostVO herangezogen. Danach wurde die Gebühr nach den Personalkosten pro Zeit berechnet. Eine Ermäßigung oder ein Gebührenverzicht nach § 10 Abs. 1 IZG LSA i. V. m. § 2 Abs. 2 VwKostG LSA wurde nicht geprüft, obwohl die Änderung des Kostenrechts im Landtag bereits beschlossen war. In der Rechtsbehelfsbelehrung wurde dem Petenten zudem mitgeteilt, dass gegen den Gebührenbescheid innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Klage beim Verwaltungsgericht Magdeburg erhoben werden könne.
 
Mit E-Mail vom 20. Februar 2018 wies der Petent die Behörde darauf hin, dass die Sonderregelungen des § 9 Abs. 3 IZG LSA, die den Widerspruch gegen Entscheidungen nach dem IZG LSA regeln, auch für isolierte Kostenentscheidungen gelten. Er teilte der Behörde mit, dass er die Rechtsbehelfsbelehrung für fehlerhaft halte und mich um Vermittlung gebeten habe. In diesem Zusammenhang bat er die Behörde, meine Prüfung abzuwarten.
 
Die Vorgehensweise der Behörde erschien mir aus verschiedenen Gründen rechtlich bedenklich:
 
Ich habe die Behörde zunächst darauf aufmerksam gemacht, dass die Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig erteilt wurde und somit die Ein-Jahres-Frist aus § 58 Abs. 2 VwGO für den Widerspruch noch lief. Nach § 9 Abs. 3 Satz 1 IZG LSA sind gegen die ablehnende Entscheidung Widerspruch und Verpflichtungsklage zulässig. Ein Widerspruchsverfahren nach den Vorschriften der VwGO ist nach § 9 Abs. 3 Satz 2 IZG LSA auch dann durchzuführen, wenn die Entscheidung von einer obersten Landesbehörde getroffen wurde. § 8a AG VwGO LSA findet keine Anwendung. Von der Regelung werden auch isolierte Kostenentscheidungen erfasst (vgl. Rossi, IFG, 1. Aufl. 2006, § 9 Rn. 25 und § 10, Rn. 51; vgl. auch meine Anwendungshinweise zu § 9 IV 2.). Die Rechtsbehelfsbelehrung, die davon ausging, dass § 8a AG VwGO LSA Anwendung finde, war daher unzutreffend. Der Gebührenbescheid konnte von der Behörde nach Durchführung eines Widerspruchsverfahrens bzw. einer freiwilligen Überprüfung noch aufgehoben werden, sofern gegen ihn rechtliche Bedenken bestehen.
 
Auch inhaltlich habe ich den Gebührenbescheid für problematisch gehalten. Für den Erlass des Widerspruchsbescheids ist die Rechtslage zum Zeitpunkt seines Erlasses maßgeblich. Dafür musste hier berücksichtigt werden, dass sich sechs Tage nach dem Erlass des Ausgangsbescheids die Rechtslage für die Erhebung von Gebühren nach dem IZG LSA geändert hat. Mit dem Gesetz zur Organisationsfortentwicklung des Landesbeauftragten für den Datenschutz vom 21. Februar 2018 (GVBl. LSA 2018, S. 10 ff.) wurde in § 10 Abs. 1 IZG LSA ein Verweis auf § 2 Abs. 2 VwKostG LSA aufgenommen. Nach dieser Vorschrift kann von der Erhebung einer Gebühr ganz oder teilweise abgesehen werden, wenn daran ein öffentliches Interesse besteht. Wann dies der Fall ist, ist jedoch rechtlich ungeklärt:
 
Nach der Rechtsprechung des OVG Sachsen-Anhalt setzt ein Absehen von der Gebührenerhebung gem. § 2 Abs. 2 VwKostG LSA nach dem Wortlaut der Vorschrift voraus, dass „daran“, also an der Nichterhebung der Gebühr, ein öffentliches Interesse besteht (OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10. Februar 2015, Az.: 3 L 17/13). Das öffentliche Interesse an einer Gebührenbefreiung im Sinne des § 2 Abs. 2 VwKostG LSA ist nach der Rechtsprechung dann zu bejahen, wenn dieses Interesse höher zu bewerten ist als das Interesse daran, dass für bestimmte Verwaltungshandlungen eine Gegenleistung in Form einer Gebühr zu erbringen ist (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14. Februar 2013, Az.: 2 L 114/11). Hierbei ist von dem grundsätzlichen öffentlichen Interesse der Behörde an der Gebühr zum Ausgleich der von ihr erbrachten Leistung auszugehen. Nur wenn im Einzelfall besondere andere Interessen überwiegen, liegt die Gebührenerhebung zumindest teilweise nicht im öffentlichen Interesse. Das kann im Allgemeinen dann angenommen werden, wenn die Amtshandlung selbst im öffentlichen Interesse liegt, etwa wenn die Verwaltung mit der Amtshandlung vorrangig ein eigenes – von ihr zu wahrendes – öffentliches Interesse befriedigt (HessVGH, Urteil vom 4. April 1990, Az.: 5 UE 2284/87).
 
Das OVG Sachsen-Anhalt ist daher in einem von ihm zu entscheidenden Fall zu dem Ergebnis gekommen, dass § 2 Abs. 2 VwKostG LSA nicht anwendbar sei, wenn an der Erbringung der Akteneinsicht kein hohes öffentliches Interesse bestehe. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn ein Akteneinsichtsbegehren in erster Linie dem persönlichen Interesse des Antragstellers diene (OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10. Februar 2015, Az.: 3 L 17/13, Rn. 22).
 
Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass der Antragsteller Informationen zu einem Vertrag begehrte, die von hohem öffentlichen Interesse und auch Gegenstand der öffentlichen Berichterstattung waren. Er ist zudem von Beruf Journalist. Diese Kriterien sprachen jedenfalls nicht für ein Handeln aus privater Neugier.
 
Im Informationsfreiheitsrecht besteht zudem eine Besonderheit: Es ist ausdrücklich erwünscht, dass Informationszugangsanträge gestellt werden, die zur Zugänglichmachung von Informationen führen, die von öffentlichem Interesse sind. In vielen Fällen wird der Antragsteller geradezu als „Sachwalter der Öffentlichkeit bzw. der Allgemeinheit“ tätig (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. Februar 2011, Az.: 20 F 13/10; Beschluss vom 21. Februar 2008, Az.: 20 F 2/07, Rn. 24; vgl. auch Beschluss vom 19. Januar 2009, Az.: 20 F 23/07, Rn. 13). Schon vor diesem Hintergrund sollte in Erwägung gezogen werden, ob ein vollständiger oder teilweiser Verzicht auf eine Gebührenerhebung möglich ist.
 
Die Behörde hat eine vollständige Überprüfung des Gebührenbescheids angekündigt, die erst im Sommer 2019 abgeschlossen wurde. Sie hat einen neuen Gebührenbescheid erlassen, in dem die Gebühren von 710 Euro auf 250 Euro gesenkt wurden. Sie hat dabei den neuen Höchstgebührenrahmen aus der IZG LSA KostVO von 500 Euro berücksichtigt und dann die Gebühr aus Billigkeitsgründen um 50 % ermäßigt. Sie hat dabei berücksichtigt, dass der Antrag nicht aus persönlichem oder wirtschaftlichem Interesse gestellt wurde, sondern um die Öffentlichkeit über die Plattform FragDenStaat über von der Verwaltung abgeschlossene Beraterverträge und PPP-Projekte zu informieren und damit u. a. die sinnvolle Verwendung von Steuergeldern überprüfbar zu machen. Die Behörde hat dabei – ohne dies näher zu begründen – zwar nicht § 10 Abs. 1 IZG LSA i. V. m. § 2 Abs. 2 VwKostG LSA angewandt, sondern die Ermäßigung aus allgemeinen Billigkeitserwägungen nach § 12 Abs. 2 Satz 2 VwKostG LSA vorgenommen. Einem Antragsteller dürfte es in der Praxis letztendlich egal sein, nach welcher Vorschrift eine Ermäßigung erfolgt, Hauptsache sie wird vorgenommen.
 
Die eigentliche Frage, wann § 2 Abs. 2 VwKostG LSA zur Anwendung kommt, blieb damit aber ungeklärt. Eine endgültige Klärung wird wahrscheinlich erst durch weitere Rechtsprechung erfolgen.