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IV. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informations­freiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2014 bis 30. September 2016

16.8 Können Körperschaften des öffentlichen Rechts über ihre Satzung den Informationszugang ausschließen?

Diese Thematik hatte ich bereits in meinem II. Tätigkeitsberichts zur Informationsfreiheit (Nr. 7.7) für die Kommunen andiskutiert, als es um die Frage ging, ob Gemeinden durch Informationsfreiheitssatzungen von den Regelungen des IZG LSA abweichen können. Es ging damals um die Frage, ob die Kommunen die Veröffentlichung von Verträgen durch Satzung regeln können, obwohl dies bereits im IZG LSA selbst geregelt ist. Die Frage hatte die Landesregierung damals mit einem Nein beantwortet, da die Gemeindeordnung die Kommunen nicht zum Erlass abweichender Regelungen, insbesondere nicht durch die Hauptsatzung, ermächtige (LT-Drs. 6/2522 zu Nr. 7.7)

Aktuell wird diese Thematik bei den berufsständischen Kammern, die regelmäßig als Körperschaften des öffentlichen Rechts organisiert sind. In der Rechtsprechung ist es mittlerweile geklärt, dass auch die Kammern, wie z. B. die Rechtsanwalts- oder die Industrie- und Handelskammern, dem Anwendungsbereich der Informationsfreiheitsgesetze unterfallen, sofern dies nach dem jeweiligen Landesrecht vorgesehen ist (BGH, Senat für Anwaltssachen, Urteil vom 20. März 2017, Az.: AnwZ (BReg) 46/15; BVerwG, Beschluss vom 15. Oktober 2007, Az.: 7 B 9/07). Die Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten in Deutschland hat daher in ihrer Entschließung vom 30. Juni 2015 „Auch Kammern sind zur Transparenz verpflichtet!“ (vgl. Nr. 12.2) die berufsständischen Kammern aufgefordert, ihren Transparenzverpflichtungen nachzukommen (siehe Anlage 4).

Im Berichtszeitraum gab es einen Verein, der sich für demokratische Kammern, Transparenz, Aufgabenbegrenzung und die Abschaffung des Kammerzwangs einsetzte und in diesem Zusammenhang Zugang zu Gesamteinnahmen und -ausgaben, Mitgliederzahlen oder ähnlichen Informationen begehrte. Aufgrund meiner intensiven, über mehrere Jahre dauernden Vermittlungstätigkeit machen mittlerweile die meisten Kammern Sachsen-Anhalts die verlangten Informationen nun nach Maßgabe des IZG LSA zugänglich.

Einige wenige Kammern scheuen jedoch die Transparenz. Sie argumentieren damit, dass ihre Haushalts- und Bilanzdaten nach ihrer Satzung in nicht öffentlicher Sitzung behandelt würden und somit vertraulich seien. Die Steuerberaterkammer hat sogar ihre Satzung geändert und für die begehrten Bilanz- und Haushaltsdaten eine besondere Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitspflicht aufgenommen.

Es stellt sich daher die Frage, ob eine Körperschaft des öffentlichen Rechts durch eine untergesetzliche Rechtsvorschrift, wie insbesondere eine Satzung, Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitspflichten für bestimmte Informationen schaffen oder im Zweifel sogar die Anwendbarkeit des IZG LSA gänzlich ausschließen kann. Diese Frage war in Rechtsprechung und Lehre bisher ungeklärt. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 IZG LSA besteht ein Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn die Information einer durch Rechtsvorschrift geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht unterliegt.

Aber kann man daraus folgern, dass eine Körperschaft aufgrund einer einfachen Satzungskompetenz abweichende Regelungen vom IZG LSA treffen kann? Müsste sich dies nicht zusätzlich aus der Rechtsgrundlage, die sie zum Erlass der Satzung ermächtigt, ausdrücklich ergeben? Andernfalls könnte die Körperschaft kraft ihres Satzungsrechts auch solche Informationen für vertraulich erklären, die sonst nicht geheimhaltungsbedürftig sind. Nachdem der Gesetzgeber den Paradigmenwechsel vom Aktengeheimnis zur Aktenöffentlichkeit im IZG LSA ausdrücklich geregelt hat, ist es schwer vorstellbar, dass er in einer Norm die Exekutive ermächtigen wollte, seine einmal getroffenen Grundsatzentscheidungen wieder zu unterlaufen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem weitgehend korrespondierenden Fall zum Bundesrecht, der die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) betraf, eine formal-juristische Lösung gewählt. Der Kläger hatte Zugang zu Protokollen und Sitzungsniederschriften begehrt. Die BaFin hatte dies mit dem Argument abgelehnt, dass diese von der in der Satzung der BaFin enthaltenen Vertraulichkeitspflicht erfasst seien. Die Satzung der BaFin wird allerdings durch eine Rechtsverordnung erlassen, also jedenfalls durch untergesetzliches Recht.

Das Bundesverwaltungsgericht ist in seiner Entscheidung zu dem Ergebnis gekommen, dass der Wortlaut des § 3 Nr. 4 IFG des Bundes nur das Vorliegen einer Rechtsvorschrift verlange. Eine Rechtsvorschrift sei nicht nur ein formelles Parlamentsgesetz, sondern auch eine Rechtsverordnung bzw. eine durch Rechtsverordnung erlassene Satzung. Für das Vorliegen des Ausschlussgrundes reiche es aus, dass in dieser Norm eine Vertraulichkeitspflicht geregelt sei. Dass in dem Gesetz selbst, das zum Erlass der untergesetzlichen Regelung ermächtige, eine Einschränkung des IFG des Bundes geregelt sein müsste, sei nach dem Wortlaut des § 3 Nr. 4 IFG nicht erforderlich (BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2016, Az.: 7 C 3/15).

M. E. hat es sich das Gericht damit zu einfach gemacht. Die Rechtsprechung würde es der Exekutive erlauben, über untergesetzliches Recht jegliche Informationen vom Zugang auszunehmen, sofern sie diese für sensibel hält, auch ohne dass dies inhaltlich gerechtfertigt wäre. Das Gericht hat aber auch die Konsequenzen, die sich aus § 1 Abs. 3 IFG des Bundes (in Sachsen-Anhalt § 1 Abs. 3 IZG LSA) ergeben, nicht berücksichtigt: Nach dieser Vorschrift gehen Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen dem IFG des Bundes (in Sachsen-Anhalt dem IZG LSA) vor. Wäre die Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts zutreffend, könnte die Exekutive durch eine untergesetzliche Regelung den Zugang zu Informationen generell immer ausschließen, indem sie ihn z. B. von der Geltendmachung eines berechtigten Interesses abhängig machen würde. Damit wäre die Grundidee des Informationsfreiheitsrechts konterkariert.

Die Informationsfreiheitsbeauftragten der Länder halten die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts daher für problematisch. Sie sind sich einig, dass nur gesetzliche Regelungen dazu geeignet sind, die Informationsfreiheit zu begrenzen und eine solche Begrenzung nicht von der Exekutive vorgenommen werden darf (vgl. Protokoll zu TOP 2 der 33. Sitzung der Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten in Deutschland am 13. Juni 2017 in Mainz).

Als Konsequenz aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sollte der Gesetzgeber § 1 Abs. 3 und § 3 Abs. 1 Nr. 4 IZG LSA überarbeiten und klarstellen, dass durch untergesetzliche Rechtsvorschriften vom IZG LSA nur dann abgewichen werden darf, wenn dies in der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage ausdrücklich vorgesehen ist.