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IV. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informations­freiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2014 bis 30. September 2016

16.5 Einsicht in eine rechtswidrige Weisung eines Landkreises

Der Antragsteller ist Rechtsbeistand von Leistungsempfängern nach dem SGB II. Er hat den Verdacht, dass ein bestimmter Landkreis ein Jobcenter rechtswidrig angewiesen hat, die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu den Bedarfen für Unterkunft und Heizung bei fehlendem notwendigen schlüssigen Konzept nicht der Leistungsermittlung zugrunde zu legen, sondern diese erst dann zu berücksichtigen, wenn der Leistungsempfänger sich im Rechtsbehelfsverfahren gegen die unrichtige Bemessung wehrt. Ausgangspunkt seines Verdachts war eine E-Mail, die der Antragsteller von dem Geschäftsführer des Jobcenters erhalten hat, in dem diese Vorgehensweise als verbindliche Vorgabe durch den Landkreis beschrieben ist.

Wegen der aus seiner Sicht rechtswidrigen Weisung hatte der Antragsteller bei der Kommunalaufsicht Dienstaufsichtsbeschwerde eingelegt, die vom Vorsitzenden des Kreistages des betreffenden Landkreises als unbegründet abgelehnt wurde. In dem Schreiben wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass er die E-Mail des Geschäftsführers des Jobcenters missinterpretiert habe. Eine entsprechende Weisung des Landkreises gebe es nicht. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts werde sowohl im Ausgangs- wie im Rechtsbehelfsverfahren berücksichtigt.

Der Antragsteller hat trotzdem bei dem Landkreis Zugang zu der Weisung beantragt.

Der Landkreis hat nicht bestritten, dass es den Gegenstand des Informationszugangsbegehrens gab, meint aber, dass es sich nicht um eine Weisung, sondern lediglich um einen allgemeinen Hinweis des Landkreises zur Interpretation von Sozialhilfevorschriften gehandelt habe. Er lehnte den Antrag auf Informationszugang mit der Begründung ab, dass dem Informationszugangsbegehren die Ausschlussgründe des § 3 Abs. 1 Nr. 4 und § 5 Abs. 2 IZG LSA entgegenstünden. Der Antragsteller begehre einen Auszug aus einem beamtenrechtlichen Dienstaufsichtsbeschwerdevorgang, der nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Bestandteil der Personalakte des Vorgangsbearbeiters im materiellen Sinne sei, und zwar auch dann, wenn der Dienstherr die Unrichtigkeit der Beschwerde als erwiesen ansehe und den Vorgang nicht in die formelle Personalakte aufnehme. Die materielle Personalakte sei einem Informationszugangsanspruch entzogen.

Daraufhin wandte sich der Antragsteller an mich. Ich habe den Landkreis darauf aufmerksam gemacht, dass – unabhängig von der Frage, ob es sich um eine Weisung des Landkreises gehandelt hat oder nicht – seine Wertung, die Informationen unterfielen dem Personalaktengeheimnis nach § 3 Abs.1 Nr. 4 sowie § 5 Abs. 2 IZG LSA, nicht überzeugend sei. Die Anwendbarkeit der Normen setze voraus, dass es sich überhaupt um geschützte Personaldaten im Sinne der o. g. Vorschriften handele. Der Landkreis gehe zwar zutreffend davon aus, dass Unterlagen, die in einem inneren Zusammenhang mit dem Beamtenverhältnis stehen, zu den geschützten Personaldaten gehören, da sie in materieller Hinsicht Bestandteil der Personalakte sind, und zwar unabhängig davon, ob der Dienstherr sie zur Personalakte im formellen Sinn genommen hat oder nicht (vgl. Schoch, IFG, 2009, § 5 Rn. 71). Daran fehlte es hier aber.

Läge lediglich ein allgemeiner Hinweis des Landkreises zur Interpretation von Sozialhilfevorschriften vor, würde es sich bei der begehrten Information um eine Äußerung einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft in einer sozialverwaltungsrechtlichen Angelegenheit handeln, die bei der Prüfung einer Dienstaufsichtsbeschwerde zum Vorgang genommen bzw. auf die verwiesen wurde. Ein spezifischer Bezug zum Beamtenverhältnis wäre nicht ohne Weiteres ersichtlich.

Der Landkreis ist meiner Argumentation jedoch nicht gefolgt und hat einen Informationszugang weiterhin abgelehnt. Daraufhin hat der Antragsteller Klage vor dem Verwaltungsgericht Magdeburg erhoben.

Das Gericht ist in seinem rechtskräftigen Urteil zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich ohne Weiteres um eine Weisung gehandelt habe. Eine allgemein gültige verwaltungsinterne Weisung sei zur Einsicht zugänglich zu machen, selbst wenn sie Bestandteil eines Dienstaufsichtsbeschwerdevorgangs geworden sei (VG Magdeburg, Urteil vom 10. August 2016, Az.: 6 A 34/16).

Das Gericht bestätigt zunächst, dass Dienstaufsichtsbeschwerden jedenfalls Bestandteil der Personalakte im materiellen Sinne seien, unabhängig davon, ob sie zu behördeninternen formlosen Ermittlungen oder förmlichen Ermittlungsverfahren führen oder ob der Dienstherr von einer Aufbewahrung absehe und den Dienstaufsichtsbeschwerdevorgang zur alsbaldigen Vernichtung vorsehe, wenn er die Unrichtigkeit der Beschwerde als erwiesen ansehe, den Vorgang also nicht in die formelle Personalakte aufnehme (VG Magdeburg, a. a. O.; vgl. auch VG Berlin, Urteil vom 26. November 2004, Az.: 2 A 59.04, vgl. auch den I. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit Nrn. 5.4 und 5.5).

Der Kläger habe jedoch nicht Informationszugang zu der Personalakte des Weisungsverfassers und insbesondere nicht zu dem Dienstaufsichtsbeschwerdevorgang verlangt. Der Umstand, dass die Weisung auch Gegenstand des Dienstaufsichtsbeschwerdevorgangs wurde, sei unerheblich. Ein innerer Zusammenhang der Weisung mit dem Beamtenverhältnis bestehe nicht, weil es sich weder um Personalunterlagen und dienstliche Beurteilungen noch um Unterlagen handele, die Aufschluss über Gesichtspunkte und Erwägungen zu dienstlichen Maßnahmen gäben.

Da es sich bei der streitgegenständlichen Weisung um eine Verwaltungsvorschrift handelte, gehe es vorliegend auch nicht um geschützte Personaldaten. Das Gericht hat deshalb auch den Anwendungsbereich des § 5 IZG LSA schon als nicht gegeben gesehen.

Bemerkenswert ist auch folgender Hinweis des Gerichts: Da jeder Amtsträger verpflichtet sei, seine Entscheidungen zu vertreten und dafür die Verantwortung zu übernehmen, sei auch die seitens des Klägers hilfsweise begehrte Schwärzung des Verfassers der Weisung nicht geboten.

Der Landkreis hat dem Antragsteller die Weisung zugänglich gemacht. Der Antragsteller hat mich davon in Kenntnis gesetzt, dass er sich mit der Bitte um Überprüfung seiner Dienstaufsichtsbeschwerde erneut an den Kreistag gewandt habe. Das Ergebnis der Überprüfung ist mir nicht bekannt.