IV. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2014 bis 30. September 2016
14.1 Aktuelle Rechtsprechung zu den Auskunftsrechten der Abgeordneten
In meinem III. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit (Nr. 8.1) hatte ich bereits eine Tendenz in der Rechtsprechung beschrieben, die Auskunftsrechte der Abgeordneten weiter zu stärken. Diese Tendenz hat sich auch in diesem Berichtszeitraum fortgesetzt:
So wurde entschieden, dass die Erteilung einer Auskunft der Normalfall und deren Verweigerung nur die seltene Ausnahme sein darf. Zudem muss die Landesregierung ihre Antwort nach bestem Wissen vollständig erteilen. Das ist nur dann der Fall, wenn die Landesregierung alle Informationen, über die sie verfügt oder mit angemessenem Aufwand verfügen könnte, lückenlos mitteilt und nichts, was ihr bekannt ist oder mit zumutbarem Aufwand hätte in Erfahrung gebracht werden können, verschweigt. Nicht vollständig ist daher auch eine ausweichende Antwort (LVerfG M-V, Beschluss vom 30. Juni 2016, Az.: 1/15; DÖV 2016, 829 – Leitsatz).
Da Antworten, die Informationen verschweigen oder Fragen ausweichen, unzulässig sind, wird bei der Beantwortung von Auskunftsbegehren der Abgeordneten zukünftig der Aspekt, über welche Informationen die Landesregierung mit angemessenem Aufwand verfügen kann, im Vordergrund stehen. In einer bemerkenswerten Entscheidung hat hierzu das Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt neue Maßstäbe gesetzt: Sofern nämlich die Landesregierung für die Ablehnung eines Auskunftsbegehrens einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand geltend macht, z. B. weil sie meint, Einzelvorgänge nur händisch auswerten zu können, muss sie bei der heute selbstverständlichen elektronischen Bearbeitung von Vorgängen der Massenverwaltung darlegen, warum eine automatisierte Auswertung nicht möglich ist. Sofern sie der Auffassung ist, dass die Kosten der Beschaffung geeigneter Software unwirtschaftlich wären, muss sie zum einen diese Kosten beziffern und zum anderen darlegen, dass der Verwaltungsaufwand die Funktionsfähigkeit der Verwaltung im Sinne des Art. 53 Abs. 4 Satz 1 LV wesentlich beeinträchtigt würde (Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 25. Januar 2016, Az.: LVG 6/15).
Dieses Urteil des Landesverfassungsgerichts Sachsen-Anhalt ist zu begrüßen. Hätte sich die Landesregierung mit ihrer Argumentation durchgesetzt, dass sie Auskunftsbegehren der Abgeordneten nicht beantworten könne, weil die Landesverwaltung angeblich noch mit veralteter Technik oder Software ausgestattet sei und daher die Informationen nicht erheben und auswerten könne, wäre das Fragerecht faktisch ins Leere gelaufen. Auch der Behauptung, dass die Beschaffung neuer Software zu teuer sein könnte, dürfte der Boden entzogen worden sein. Wenn ein Land nämlich neue Software anschafft, wird die Funktionsfähigkeit der Verwaltung nicht beeinträchtigt, sondern verbessert.
Das Gericht hat klargestellt, dass sich die Landesregierung ihrer Auskunftspflicht nicht durch einen Verweis auf die fehlende Modernisierung im IT-Bereich entziehen kann. Die Argumentation des Landesverfassungsgerichts dürfte sich auch auf das allgemeine Informationsfreiheitsrecht auswirken, da die Anforderungen für die gesamte Landesverwaltung gelten und sie damit nicht nur den Abgeordneten, sondern auch den Bürgerinnen und Bürgern zu Gute kommen. Ohnehin gilt im Übrigen weiterhin der Grundsatz, dass der Verwirklichung des Informationszugangsanspruchs als modernem Bürgerrecht ein gewisser Verwaltungsaufwand immanent ist, die Behörden sich also dahinter nicht verstecken können (vgl. III. Tätigkeitsbericht Nr. 10).
Die Rechtsprechung hat schließlich ferner entschieden, dass ein Abgeordneter, wenn er ein Recht auf Akteneinsicht wahrnimmt, bei der von ihm persönlich in Anspruch vorgenommenen Akteneinsicht Hilfe in Anspruch nehmen darf, um den Akteninhalt seiner Kontrollfunktion entsprechend erfassen zu können. Der Abgeordnete kann sich also der fachkundigen Hilfe eines eigenen Mitarbeiters bedienen, wenn er dies für notwendig hält (Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Urteil vom 10. Februar 2016, Az.: 31/15).