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III. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt
vom 1. Oktober 2012 bis 30. September 2014

8.1 Auskunftsrechte des Abgeordneten - Teil II

In meinem II. Tätigkeitsbericht (Nr. 6.4) hatte ich über das Verhältnis des IZG LSA zu den Auskunftsrechten der Abgeordneten berichtet. In einer Entscheidung vom 17. September 2013 hat das Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt die durch die Verfassung garantierten Frage- und Informationsrechte der Abgeordneten noch einmal gestärkt (LVerfG, Urteil vom 17. September 2013, Az.: LVG 14/12).

Es hat festgestellt, dass die lediglich teilweise Beantwortung zweier Kleiner Anfragen, die die Vergabe von Nahverkehrsverträgen des Landes betrafen, durch die Landesregierung den Antragsteller in seinem durch die Verfassung garantierten Frage- und Informationsrecht verletzt hat. Die in den beiden Kleinen Anfragen enthaltenen Fragen hätten sich auf den sachlichen Geltungsbereich des Informationsanspruchs bezogen. Eine Informationsverweigerung hätte im vorliegenden Fall auch nicht durch eine Berufung auf die verfassungsrechtlichen Schranken des Informationsanspruchs nach Art. 53 Abs. 4 LV gerechtfertigt werden können, da dem die Möglichkeit der Anwendung der Geheimschutzordnung des Landtags entgegen gestanden hätte.

Das Landesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang dargelegt, dass das parlamentarische Regierungssystem grundlegend durch die auch den einzelnen Abgeordneten zugewiesene, unverzichtbare Kontrollfunktion des Parlaments gegenüber der Regierung geprägt ist. Der Informationsanspruch des Abgeordneten bezieht sich danach auf den Bereich des Regierungshandelns und ist dabei nicht von vornherein auf Fragen beschränkt, die sich aus der Perspektive der Landesregierung als „zweckmäßig“ für die Wahrnehmung der parlamentarischen Kontrolle der Regierung erweisen. Es besteht insoweit auch keine Begründungs- oder Darlegungspflicht. Gegenstand der parlamentarischen Kontrolle ist nämlich gerade die Zweckmäßigkeit des Regierungshandelns, die auch die Kenntnis von „Umfeldinformationen“ erfordert. Der Auskunftsanspruch ist zur Sicherung einer wirksamen Mandatsausübung grundsätzlich auf die Erteilung öffentlich verwendbarer Informationen gerichtet, d. h. der Abgeordnete hat gegenüber der Landesregierung grundsätzlich einen Anspruch darauf, Informationen zu erhalten, die frei verwendbar sind.

Soweit die Landesregierung eine Informationsweitergabe mit der Begründung verweigert hatte, es handele sich bei den begehrten Informationen um geheimhaltungsbedürftige Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse bzw. Vertragsgeheimnisse, hat das Gericht darauf hingewiesen, dass diese durch das Verfahren nach der Geheimschutzordnung des Landtages von Sachsen-Anhalt in ausreichender und angemessener Form geschützt werden. Diese stelle nämlich eine interne Verfahrensregelung dar, die gerade dem Schutz berechtigter staatlicher und privater Geheimhaltungsinteressen gegen eine unbefugte und unbewusste Offenbarung diene. Allerdings müsse sich der Abgeordnete nicht – gewissermaßen pauschal – auf die Anwendung der Geheimschutzordnung verweisen lassen, wenn die Landesregierung bestimmte Informationen als geheimhaltungsbedürftig einstufe. Gerade weil sein Informationsanspruch grundsätzlich auf eine öffentlich verwendbare Information gerichtet sei, unterliege auch die Gewährung des Informationszugangs unter Nutzung des Verfahrens der Geheimschutzordnung als solcher einer Rechtfertigungspflicht. Die Landesregierung hat ihre Antwortpraxis an die Vorgaben der Rechtsprechung des Landesverfassungsgerichts angepasst (vgl. LT-Drs. 6/3869).

Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung vom 21. Oktober 2014 zum Informationsrecht der Abgeordneten über Rüstungsexporte (NVwZ 2014, 1652) erklärt, dass eine Geheimschutzordnung grundsätzlich ein taugliches Instrument des Ausgleichs zwischen exekutivem Geheimhaltungsinteresse und parlamentarischem Informationsinteresse sei. Interessant ist aber auch der Hinweis des Gerichts, dass das von der Geheimschutzordnung vorgesehene Verfahren den Konflikt zwischen Informations- und Geheimhaltungsinteresse nicht vollständig lösen könne, weil die Parlamentarier die unter Einhaltung des Verfahrens nach der Geheimschutzordnung erlangten Informationen nicht in den öffentlichen Meinungsprozess überspielen könnten. Da die Informationen nicht an das Volk und damit nicht an den Souverän weitergegeben werden könnten, wird nach Auffassung des Gerichts auch der demokratische Verantwortungszusammenhang ein Stück weit unterbrochen. Da das Öffentlichkeitselement als das maßgebliche Kontrollinstrument der Opposition gegenüber der Regierung wegfalle, scheide in der Praxis auch eine sanktionierende Kontrolle faktisch aus.

Diese Rechtsfolge erscheint nicht ganz nachvollziehbar. Schließlich kennt auch das deutsche Recht durchaus Fälle, in denen sensible Informationen im überwiegenden Informationsinteresse veröffentlicht werden können. Das ist im Umweltinformationsrecht sogar der Standardfall und gilt sogar für so sensible Rechtsgüter wie den Schutz der internationalen Beziehungen, die Verteidigung oder für Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse (vgl. §§ 8 Abs. 1 und 9 Abs. 1 Nr. 3 UIG). Es stellt sich daher die Frage, ob hier nicht doch Handlungsbedarf durch den Gesetzgeber besteht.

Bemerkenswert ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in diesem Zusammenhang auch, weil das Gericht ausdrücklich festgestellt hat, dass die Pflicht einer Regierung, parlamentarische Fragen zu beantworten, auch im Normalfall nicht durch den Verweis auf einen vorliegenden Bericht der Regierung zu einem bestimmten Thema – hier dem jährlich veröffentlichten Rüstungsexportbericht – beantwortet werden kann. Ein Regierungsbericht unterscheidet sich nämlich systematisch von der Frage- und Antwortstruktur des Informationsrechts des Abgeordneten. Sowohl die Struktur und der Gehalt der Information als ihr Zeitpunkt werden bei einem Regierungsbericht nämlich durch die Regierung und nicht durch den Abgeordneten bestimmt. Bereits deshalb ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein allgemeiner Bericht dem parlamentarischen Fragerecht grundsätzlich nicht gleichwertig.