II. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2010 bis 30. September 2012
6.4 Auskunftsrechte des Abgeordneten
Abgeordnete besitzen nach Art. 53 der Landesverfassung (LV LSA) gegenüber der Landesregierung ein besonderes Auskunftsrecht. Nach Art. 53 Abs. 1 LV LSA hat die Landesregierung jedem Mitglied des Landtages Auskunft zu erteilen. Fragen einzelner Mitglieder des Landtags haben die Landesregierung und ihre Mitglieder nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig zu beantworten, Art. 53 Abs. 2 LV LSA. Dennoch kann es in Einzelfällen auch für den Abgeordneten günstiger sein, sich auf den für Jedermann geltenden Informationszugangsanspruch nach dem IZG LSA zu berufen. Die Begründung hierfür ist einfach. Nach Art. 53 Abs. 1 LV LSA hat der einzelne Abgeordnete lediglich ein Auskunfts-, aber kein Akteneinsichtsrecht. Ob die Landesregierung dem Abgeordneten über die Beantwortung seiner Frage hinaus Einsicht in Akten gewährt, steht in ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Das IZG LSA gewährt dagegen jedermann wahlweise einen Auskunfts- oder einen Akteneinsichtsanspruch. Wählt der Abgeordnete das für jedermann geltende Bürgerrecht, kann er grundsätzlich auch die Akten, die die Landesregierung ihren Entscheidungen zugrunde gelegt hat, einsehen, sofern und soweit ein Informationszugangsanspruch nach dem IZG LSA besteht.
Allerdings sind einige Unterschiede zum Auskunftsrecht des Abgeordneten zu beachten:
Das Frage- und Auskunftsrecht des Abgeordneten ist grundsätzlich weitergehender und damit stärker als das der Bürgerinnen und Bürger, da es dazu dient, den Mitgliedern des Parlaments die Informationen zu verschaffen, die sie zu ihrer Arbeit, insbesondere zu einer wirksamen Kontrolle der Regierung und Verwaltung benötigen (SachsAnhVerfG, Urteil vom 17. Januar 2000, NVwZ 2000, 671; SächsVerfGH, Urteil vom 5. November 2010, Az.: Vf. 35 I 10). Es erstreckt sich dementsprechend grundsätzlich auf alle Gegenstände, für die die Regierung zuständig ist (VerfGH NRW, Urteil vom 19. August 2008, Az.: VerfGH 7/07). Mit dem Frage- und Informationsrecht geht eine Pflicht zur vollständigen und zutreffenden Beantwortung durch die Landesregierung einher. Nach Art. 53 Abs. 4 LV LSA braucht die Landesregierung den Verlangen insoweit nicht zu entsprechen, als dadurch die Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Regierung oder Verwaltung wesentlich beeinträchtigt würde oder zu befürchten ist, dass durch das Bekanntwerden von Tatsachen dem Wohle des Landes oder des Bundes Nachteile zugefügt oder schutzwürdige Interessen Dritter verletzt werden. Allerdings erkennt die Rechtsprechung auch bei der Prüfung der Ausschlussgründe dem verfassungsrechtlich verbürgten Informationsanspruch des Abgeordneten ein größeres Gewicht als dem Informationszugangsanspruch des einfachen Bürgers zu. Da die in Art. 53 Abs. 4 LV LSA genannten Rechtsgüter wie auch der Informationszugangsanspruch auf verfassungsrechtlicher Ebene angesiedelt sind, müssen sie jeweils im konkreten Fall einander so zugeordnet werden, dass sie so weit wie möglich ihre Wirkungen entfalten und ein Zustand praktischer Konkordanz entsteht (vgl. den Landtagsbeschluss in LT-Drs. 6/1618 (81 kByte); SächsVerfGH, Urteil vom 5. November 2010, Az.: Vf. 35-I-10). Sofern z. B. der Schutz personenbezogener Daten oder von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen einer Auskunftserteilung entgegenstehen könnte, ist eine Güterabwägung zwischen dem Geheimhaltungsinteresse des Privaten und dem Informationsinteresse des Abgeordneten vorzunehmen. Um dem Informationsinteresse des Abgeordneten gerecht zu werden, kann nach der Rechtsprechung auch eine Information des Abgeordneten in nicht-öffentlicher, vertraulicher oder geheimer Form in Betracht kommen (VerfGH NRW, Urteil vom 19. August 2008, Az.: VerfGH 7/07).
Das IZG LSA räumt dem Bürger dagegen ein solch weitgehendes Informationsrecht nicht ein. Der Bürger kann sich grundsätzlich zu jedem Thema, das ihn interessiert, informieren. Ob ein Informationszugangsanspruch besteht, hängt jedoch vom Ergebnis der Prüfung eines Ausschlussgrundes ab. Hierbei kann es im Verhältnis zum Abgeordneten, der ein anderes Informationsinteresse geltend machen kann, durchaus zu anderen Ergebnissen kommen. Während ein Abgeordneter als Kontrollorgan der Landesregierung u. U. auch Auskünfte über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse in vertraulicher Form auch gegen den Willen des Unternehmers erhalten kann, bekommt ein Bürger diese Information nach § 6 Satz 2 IZG LSA nur, wenn das betroffene Unternehmen in die Preisgabe dieses Datums eingewilligt hat.
Wählt der Abgeordnete daher das IZG LSA, muss er sich wie ein normaler Bürger behandeln lassen, mit der Folge, dass für ihn die Anforderungen dieses Gesetzes, insbesondere auch die wesentlich weitergehenden Ausschlussgründe sowie die Kostenregelungen des Gesetzes gelten. Da das IZG LSA ihm hinsichtlich der Art des Informationszugangs Vorteile gewährt, kann es von ihm jedoch durchaus als Hilfsmittel eingesetzt werden.