III. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt
vom 1. Oktober 2012 bis 30. September 2014
5.4.4 Justizvollzugsgesetzbuch – Problem der Bereichsausnahme
In meinem II. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit hatte ich bereits berichtet, dass das Ministerium für Justiz und Gleichstellung einen Antrag auf Zugang zu Informationen über Missstände in der JVA mit unzutreffender Argumentation abgelehnt und außerdem den Referentenentwurf eines Erwachsenenstrafvollzugsgesetzes auf den Weg gebracht hatte, in dem die Justizvollzugsbehörden durch die Schaffung einer sog. Bereichsausnahme vom Anwendungsbereich des IZG LSA komplett ausgenommen werden sollten (vgl. Nr. 5.5.2 und Nr. 7.5 des II. Tätigkeitsberichts zur Informationsfreiheit).
Ich hatte dieses Gesetzesvorhaben, mit dem die Informationsfreiheit wieder zurückgedrängt werden sollte, als kontraproduktiv kritisiert und die Landesregierung gebeten, auf eine solche unzeitgemäße Regelung zu verzichten (vgl. Nr. 5.5.2 des II. Tätigkeitsberichts).
Obwohl sich nach Auffassung der Landesregierung das IZG LSA bewährt hat und damit nach ihrer eigenen Auffassung gar keine Gefahr besteht, dass bei einer Anwendung des IZG LSA sensible Informationen herausgegeben werden, will sie trotz allem mit dem Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung des Justizvollzuges in Sachsen-Anhalt (LT-Drs. 6/3799) den Anwendungsbereich des IZG LSA für den Erwachsenenstrafvollzug, den Jugendstrafvollzug, die Untersuchungshaft und sogar für die Sicherungsverwahrung ausschließen.
Worum geht es? Will ein Gefangener oder ein Angehöriger Auskunft über seine eigenen personenbezogenen Daten, so besitzt er nach § 185 StVollzG einen besonderen, spezialgesetzlich geregelten Auskunftsanspruch. Der Rückgriff auf das IZG LSA ist gesperrt, weil es nach § 1 Abs. 3 IZG LSA einen anderen, vorrangigen Informationszugangsanspruch gibt. Die Einsicht eines Gefangenen in seine Gefangenenpersonalakte beurteilt sich nach der Rechtsprechung daher nach § 185 StVollzG (OLG Naumburg, Beschluss vom 26. Juni 2012, 2 Ws 79/12; OVG NRW, Beschluss vom 7. September 2011, Az.: 8 E 879/11). Dies gilt im o. g. Fall der Gefangenenpersonalakte folglich auch dann, wenn das IZG LSA eine für den Gefangenen günstigere Regelung beinhalten sollte.
Sperrwirkung kann § 185 StVollzG jedoch nur für seinen Anwendungsbereich entfalten. § 185 StVollzG regelt allein den Informationszugang des Betroffenen zu seinen personenbezogenen Daten. Auskunftsbegehren zu Sachdaten werden von § 185 StVollzG nicht erfasst. Sofern ein Betroffener keine Auskunft zu personenbezogenen Daten, sondern zu reinen Sachdaten begehrt, ist das IZG LSA mangels Anwendbarkeit des § 185 StVollzG – und damit auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des OLG Naumburg – anwendbar. Ein Gefangener oder ein Angehöriger darf sich daher nach dem IZG LSA generell über die Umstände und Verhältnisse in einer Justizvollzugsanstalt erkundigen. Ob ein Informationszugangsanspruch besteht, hängt dann vom Vorliegen eines Ausschlussgrundes ab. Da das IZG LSA mannigfache Ausschlussgründe aufweist und insbesondere auch die für Justizvollzugsbehörden wesentliche (öffentliche) Sicherheit schützt, bleiben sensible Informationen – z. B. über die Sicherheit einer Justizvollzugsanstalt – nach dem IZG LSA naturgemäß geheim. Ist kein Ausschlussgrund vorhanden, sind die Justizvollzugsbehörden, wie jede andere Behörde in Sachsen-Anhalt auch, zur Gewährung von Auskunft und Akteneinsicht verpflichtet.
Dieses Frage- und Informationszugangsrecht scheint die Landesregierung jetzt in einem neuen Justizvollzugsgesetzbuch Sachsen-Anhalt (JVollzGB LSA) generell unterbinden zu wollen. Ein Betroffener soll zwar nach § 155 Abs. 2 JVollzGB LSA entsprechend der bisherigen Rechtslage Auskunft über seine eigenen personenbezogenen Daten erhalten. Ein neuer § 155 Abs. 10 JVollzGB LSA sieht aber vor, dass weitergehende Auskunftsrechte nach allgemeinen Gesetzen für den Bereich des Justizvollzugs keine Anwendung finden sollen. Weitergehende Auskunftsbegehren von Betroffenen – also solche, die keinen Personenbezug aufweisen, sondern sich auf Sachfragen beschränken – sollen damit zukünftig nicht mehr beantwortet werden müssen. Diese Bereichsausnahme würde dann für alle Justizvollzugsbehörden, also nicht nur für die Justizvollzugsanstalten, sondern auch für das Ministerium für Justiz und Gleichstellung selbst gelten.
Die Landesregierung begründet ihre Auffassung im Wesentlichen damit, dass dieser rigorose Schritt erforderlich sei, um sensible Informationen, die keinen Personenbezug aufweisen, wie z. B. den Inhalt von Alarmplänen oder Verhaltensanweisungen bei Geiselnahmen geheim zu halten. Diese Begründung für eine Privilegierung des Justizvollzugs gegenüber anderen Behörden, wie z. B. der Polizei, ist ersichtlich unzutreffend. Nach dem IZG LSA besteht nämlich kein Informationszugangsanspruch zu Alarmplänen oder ähnlich sensiblen Informationen, da diese vom Schutz der öffentlichen Sicherheit nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 IZG LSA erfasst werden. Der vom Ministerium für Justiz und Gleichstellung für eine Privilegierung genannte Grund existiert also nicht.
Angesichts von Anfragen zu Missständen in der JVA Burg drängt sich der Gedanke auf, dass das Ministerium unliebsame Fragen für den Bereich des Justizvollzugs von vornherein verhindern möchte. Da die in § 155 Abs. 10 JVollzGB LSA geplante Bereichsausnahme zudem auch für die Untersuchungshaft, den Jugendstrafvollzug und die Sicherungsverwahrung gelten soll, wären auch diese Bereiche zukünftig vom Anwendungsbereich des IZG LSA ausgenommen.
Da die geplante Privilegierung der Justizvollzugsbehörden sachlich nicht gerechtfertigt ist, empfehle ich, § 155 Abs. 10 JVollzGB LSA aus dem Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung des Justizvollzugs in Sachsen-Anhalt wieder zu streichen.