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II. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2010 bis 30. September 2012

7.5 Einsicht in Unterlagen zu Missständen bei der JVA Burg

Ein seltenes Negativbeispiel gibt das Justizministerium, das einen Antrag eines Petenten auf Einsicht in verwaltungsinterne Berichte zu Missständen in der JVA Burg zunächst mit dem Argument ablehnte, dass das IZG LSA unanwendbar sei. Nachdem sich diese Argumentation als nicht tragfähig erwies, erklärt das Ministerium kurzerhand, dass es in der JVA Burg keine Missstände gebe. Deshalb existierten auch entsprechende verwaltungsinterne Berichte nicht. Es versucht ferner, durch eine Änderung des Strafvollzugsgesetzes Justizvollzugsbehörden vom Anwendungsbereich des IZG LSA gänzlich auszunehmen (vgl. Nr. 5.5.2). Dabei lässt sich der Fall über das IZG LSA ohne Weiteres lösen, denn sensible Informationen bleiben über die Ausschlussgründe des IZG LSA geschützt, der Antrag muss nur ordnungsgemäß geprüft werden.

Der Petent hatte u. a. Kopien von Urteilen des OLG Naumburg zu spezifischen Unterbringungsvorgaben bei Sicherungsverwahrten sowie Kopien von verwaltungsinternen Berichten zu Missständen in der JVA Burg beantragt. Die Anträge wurden von dem Justizministerium mit der Argumentation abgelehnt, dass es sich bei den §§ 68 ff. Strafvollzugsgesetz (StVollzG) um vorrangige Informationszugangsvorschriften handele, die gem. § 1 Abs. 3 IZG LSA die Anwendbarkeit des IZG LSA ausschließen würden. Bei den §§ 68 ff. StVollzG handelt es sich jedoch um Vorschriften, die die Freizeit des Strafgefangenen betreffen. Geregelt wird hierbei u. a. das Recht auf den Besitz von Zeitschriften, Büchern und anderen Gegenständen. Es handelt sich somit nicht um die Regelungen über die Auskunft oder Einsicht in Bezug auf amtliche Informationen. Ich habe daher die Argumentation als nicht vertretbar bewertet und dem Ministerium mitgeteilt, dass ich das IZG LSA für anwendbar halte. Eine Ablehnung des Informationszugangsantrags sei nur möglich, wenn sich ein gesetzlich geregelter Ausschlussgrund finden lasse. Dabei wäre insbesondere an § 3 Abs. 1 Nr. 2 IZG LSA (Schutz der öffentlichen Sicherheit) zu denken. Das Ministerium hat daraufhin den Antrag erneut geprüft und dem Petenten die Urteile zugänglich gemacht.

Den Zugang zu verwaltungsinternen Berichten über Missstände in der JVA Burg versagte es, da es entsprechende Missstände in der JVA Burg nicht gebe. Außerdem lehnte es den Antrag gem. § 3 Abs. 1 Nr. 2 IZG LSA zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und gem. § 3 Abs. 2 IZG LSA wegen des hohen Verwaltungsaufwandes, der durch den Antrag entstünde, pauschal ab, ohne das Vorliegen der Ausschlussgründe anhand von Tatsachen zu begründen. Daraufhin wandte sich der Petent erneut an mich und trug sinngemäß vor, dass die Ablehnung seines Antrags auf Zugang zu Berichten über die Missstände in der JVA Burg nicht nachvollziehbar sei. Die Presse hätte über die Missstände in der JVA Burg berichtet.

Ich habe die Kritik des Petenten im Ergebnis für zutreffend gehalten. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist unter einem Missstand ein schlimmer, nicht der Ordnung bzw. den Vorschriften entsprechender Zustand zu verstehen.

Dass die von den Medien beschriebenen schweren Vorwürfe gegen den Anstaltsleiter, die Misshandlungen eines Insassen durch Mitgefangene, aber auch die ebenfalls genannten Baumängel und Personalprobleme nach dem allgemeinen Sprachgebrauch Missstände darstellen und vor allem auch als Missstände i. S. d. des Informationszugangsantrags des Petenten verstanden werden können, dürfte naheliegend sein. Ebenso dürfte davon auszugehen sein, dass das Justizministerium sich sowohl die in den Artikeln beschriebenen Vorgänge hat schildern lassen als auch eine Prüfung vorgenommen hat. Es entspricht daher der allgemeinen Lebenserfahrung, dass zu diesen Vorgängen somit Berichte und Vermerke vorliegen. Dass in diesen möglicherweise der Begriff "Missstand" nicht verwendet wird, ist daher für die Auslegung und Prüfung des Informationszugangsbegehrens irrelevant.

Die Ablehnung des Informationszugangsantrags des Petenten unter der pauschalen Berufung auf das Vorliegen der Ausschlussgründe des § 3 Abs. 1 Nr. 2 IZG LSA (Schutz der öffentlichen Sicherheit) und § 3 Abs. 2 IZG LSA (erhebliche Beeinträchtigung der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung) genügte ebenfalls nicht den Anforderungen des IZG LSA. Nach der Rechtsprechung und Lehre reicht es nicht aus, wenn ein Ausschlussgrund lediglich pauschal behauptet wird, vielmehr muss er anhand des konkreten Akteninhalts belegt und plausibel dargestellt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. April 2011, Az.: 20 F 20/10; Schoch, IFG, 2009, § 3 Rn. 21). Dies war ersichtlich nicht geschehen.

Ich habe daher das Ministerium gebeten, den Informationszugangsantrag des Petenten erneut zu prüfen und mir das Ergebnis seiner Prüfung mitzuteilen, und dargelegt, dass es aus meiner Sicht ratsam erscheint, sich mit dem Petenten zur Prüfung seines Informationszugangsantrags noch einmal in Verbindung zu setzen. Dabei sollte geklärt werden, zu welchen in den Medien genannten Vorgängen er konkret Informationen begehrt. Danach sollte eine erneute Prüfung seines Begehrens unter Berücksichtigung etwaig entgegenstehender Ausschlussgründe erfolgen. Das Ministerium hat eine weitere Antragsprüfung nicht vorgenommen, da der Auskunftsantrag zu vermeintlichen Missständen in der JVA Burg zu unbestimmt sei. Diese Wertung ist aus den o. a. Gründen nicht nachvollziehbar und auch im Sinne des Anliegens der Rechtsmaterie der Informationsfreiheit nicht angemessen.