III. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt
vom 1. Oktober 2012 bis 30. September 2014
5.4.1 Das neue Kommunalverfassungsrecht
Am 1. Juli 2014 ist das neue Kommunalverfassungsgesetz Sachsen-Anhalt (GVBl. LSA 2014, 288) in Kraft getreten, mit dem der Gesetzgeber das Kommunalrecht transparenter und praktisch handhabbarer gestalten sowie die bürgerschaftliche Teilhabe und Mitwirkung am kommunalpolitische Geschehen explizit stärken will.
Im Gesetzgebungsverfahren habe ich darauf hingewiesen, dass diese Ziele allerdings noch besser verwirklicht werden könnten, wenn im Rahmen der Novellierung des Gesetzes auch die individualrechtlichen Informationszugangsansprüche der Bürgerinnen und Bürger verbessert würden.
In meinem II. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit hatte ich bereits darauf aufmerksam gemacht, dass das geltende Kommunalrecht hier erhebliche Defizite aufweist, weil es den Bürger, der sich aktiv informieren und mitgestalten möchte, so nicht vorsieht. Ich hatte darauf hingewiesen, dass die Bürgerinnen und Bürger deshalb auf den Informationszugangsanspruch nach dem IZG LSA angewiesen sind und in diesem Zusammenhang dargestellt, dass das Verhältnis der Gemeindeordnung zum IZG LSA in Teilbereichen, z. B. beim Recht auf Einsicht in die Niederschriften von Protokollen öffentlicher und nicht-öffentlicher Sitzungen, nicht eindeutig geregelt ist (vgl. Nr. 6.8.2 des II. Tätigkeitsberichts zur Informationsfreiheit). Während ich das IZG LSA hier für anwendbar halte, sieht z. B. das Ministerium für Inneres und Sport in § 52 Abs. 3 KVG LSA eine abschließende Regelung, die nur den Einwohnern der Gemeinde, nicht aber Dritten, einen Anspruch auf Einsicht in Protokolle öffentlicher Sitzungen gewährt. Ob jeder, der Einsicht begehrt, Kopien erhält, soll im Ermessen der Gemeinde stehen. Ich hatte darauf hingewiesen, dass durch eine solche restriktive Auslegung die Ziele des IZG LSA konterkariert würden und dringend Regelungsbedarf gesehen (vgl. Nr. 6.8.5 des II. Tätigkeitsberichts zur Informationsfreiheit).
Der in diesem Tätigkeitsbericht erneut geschilderte Fall des Einsichtsbegehrens in einen Erbbaupachtvertrag, den eine Gemeinde mit dem Bruder des Bürgermeisters geschlossen hat (vgl. Nr. 9.1) zeigt, dass eine Stärkung des Informationszugangsrechts im Kommunalrecht dringend erforderlich ist, insbesondere wenn die kommunalrechtlichen Aufsichtsmaßnahmen ins Leere laufen.
Ich habe daher in der Anhörung zu dem Gesetzesentwurf vorgeschlagen, in das Kommunalverfassungsrecht eine klarstellende Vorschrift aufzunehmen, nach der Ansprüche nach dem IZG LSA von den Vorschriften des Kommunalverfassungsrechts nicht beschränkt werden, um auf Anwendungsebene für Rechtssicherheit zu sorgen.
Mein Vorschlag wurde in dem Gesetzgebungsverfahren jedoch nicht berücksichtigt. Das Thema soll im Rahmen der Evaluierung des IZG LSA erörtert werden. Mir wurde jedoch signalisiert, dass keine Änderungen erwünscht sind. Es ist daher eher eine Verschlechterung der Rechtslage zu befürchten. Das Ministerium für Inneres und Sport möchte im Kommunalverfassungsrecht die Anwendung des IZG LSA eher zurückdrängen und zahlreiche kommunalrechtliche Vorschriften als Regelung mit Sperrwirkung begreifen. Nach der Rechtsprechung setzt das Vorliegen einer vorrangigen Norm mit Sperrwirkung jedoch voraus, dass sie nach ihrem Tatbestand, ihrer Rechtsfolge und ihrem Zweck in spezieller Weise den Zugang zu amtlichen Informationen für ihre Spezialmaterie regelt (VG Berlin, Urteil vom 11. April 2014, Az.: 2 K 145.11). Die vom Ministerium genannten Normen betreffen die Hilfe bei Verwaltungsangelegenheiten, die Hinzuziehung von sachkundigen Einwohnern, die Öffentlichkeit von Sitzungen der Vertretungen und ihrer Ausschüsse, die Bild- und Tonübertragung von öffentlichen Sitzungen oder die Einberufung von Sitzungen. Diese Normen regeln jedoch nach Tatbestand, Rechtsfolge und Zweck weder eine Akteneinsicht noch eine Auskunft. Sie können daher schon bei objektiver Betrachtung keine dem IZG LSA vorgehenden Normen sein und somit auch keine Sperrwirkung entfalten (vgl. auch Nr. 8.10).
Vor dem Hintergrund, dass es sich bei dem Informationsfreiheitsrecht um ein modernes Bürgerrecht handelt, das den Bürgerinnen und Bürgern dient, handelt es sich bei der Lesart des Ministeriums um einen deutlichen Rückschritt. Es ist daher erforderlich, dass sich an dieser Stelle die Politik für die Rechte der Bürgerinnen und Bürger einsetzt.