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I. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2008 bis 30. September 2010

2.4.3. Die Weiterentwicklung des Informationszugangsrechts

Auf Bundesebene deutet sich eine Fortentwicklung des jungen Informationszugangsrechts an. Die Regierungsparteien haben in ihrem Koalitionsvertrag für die 17. Legislaturperiode bereits angekündigt, die Informationsfreiheitsrechte des Bundes, nämlich das Verbraucherinformations-, das Umweltinformations- und das Informationsfreiheitsgesetz, zusammenführen zu wollen. Im Zusammenhang mit der Evaluierung des VIG wird diese Möglichkeit ernsthaft diskutiert (BT-Drs. 17/1800, S.10). Damit könnte auf Bundesebene ein Modellgesetz geschaffen werden, das für die Ländergesetzgebung Beispielcharakter hätte. Auch eine kurzfristige Optimierung des VIG scheint möglich.

Aber auch auf Länderebene zeichnet sich eine Weiterentwicklung des Informationszugangsrechts ab:

In Bremen, in Mecklenburg-Vorpommern und im Saarland wurden die Informationsfreiheitsgesetze evaluiert. Die Landesgesetzgeber sind dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass sich die neuen Gesetze bewährt haben (Ergebnisse der Überprüfung der Auswirkungen des Informationsfreiheitsgesetzes durch den Bremischen Senat; Bremische Bürgerschaft Drs. 17/1279; Bericht der Landesregierung über die Anwendung des IFG M-V, LT-Drs. 5/2720). Im Saarland soll das befristete Gesetz daher verlängert werden (LT-Drs. 14/265). In Bremen und in Mecklenburg-Vorpommern sollen die befristeten Gesetze darüber hinaus optimiert werden. In Mecklenburg-Vorpommern enthält ein im Rahmen der Evaluierung vorgelegtes Rechtsgutachten hierzu Verbesserungsvorschläge (LT-Drs. 05/3793) In Bremen liegt mittlerweile sogar ein Gesetzesentwurf zur Änderung des IFG vor, der in zwei Punkten bemerkenswert ist: Zum einen hatten die Bürgerinnen und Bürger mit dem Begriff des Informationsfreiheitsgesetzes Assoziierungsschwierigkeiten. Viele Menschen glaubten irrtümlich, dass das Gesetz der Verwirklichung der Meinungsäußerungsfreiheit dienen sollte. Um solche Missverständnisse zu vermeiden, soll das Gesetz zukünftig - wie in Sachsen-Anhalt - Informationszugangsgesetz heißen. Zum anderen soll die Preisgabe von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen in Zukunft nicht mehr ausschließlich von der Einwilligung des Inhabers, sondern von einer Güterabwägung zwischen dem Geheimhaltungsinteresse des Geschäftsinhabers und dem Informationsinteresse der Allgemeinheit abhängen (Bremische Bürgerschaft Drs. 17/1442).

Im Zusammenhang mit der Frage, wie weit der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen bei Privatisierungsverträgen reicht, hat Berlin sein IFG geändert. Im Gegensatz zu Sachsen-Anhalt erlaubt § 7 des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes (IFG Bln) auch die Preisgabe von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, wenn das Informationsinteresse des Antragstellers das Geheimhaltungsinteresse des Geheimnisinhabers überwiegt. Dennoch war es in Berlin umstritten, ob die Verträge des Berliner Senats zur Privatisierung der Wasserbetriebe nach dem Berliner Informationsfreiheitsgesetz einsehbaren waren. Die Frage hatte nicht zuletzt zu dem Volksbegehren "Schluss mit den Geheimverträgen - Wir Berliner wollen unser Wasser zurück" geführt. Mit der Gesetzesänderung hat der Gesetzgeber nunmehr klargestellt, dass das Berliner IFG nicht durch vertragliche Vereinbarungen abbedungen werden kann. Privatisierungsverträge sind vielmehr ausschließlich nach dem neugeschaffenen § 7a IFG Bln zu beurteilen. Nach § 7a Abs. 2 Satz 1  IFG Bln besteht ein Informationszugangsrecht nicht hinsichtlich solcher Privatisierungsverträge, die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse beinhalten und durch deren Offenbarung dem Vertragspartner ein wesentlicher wirtschaftlicher Schaden entstehen würde, sofern nicht das Informationsinteresse das schutzwürdige Geheimhaltungsinteresse des privaten Vertragspartners überwiegt. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse bleiben also nach wie vor geschützt. § 7a Abs. 2 Satz 2 IFG Bln stellt aber nunmehr klar, dass im Rahmen der Güterabwägung das Informationsinteresse das schutzwürdige Geheimhaltungsinteresse des privaten Vertragspartners  überwiegt, wenn dieser ohne Wettbewerber ist oder keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist. Der geänderte § 17 IFG Bln sieht zudem vor, dass die Privatisierungsverträge zu veröffentlichen sind, soweit die Voraussetzungen des Informationszugangsrechts nach § 7a IFG Bln vorliegen und ein öffentliches Informationsinteresse besteht.

In Nordrhein-Westfalen hat sich der Gesetzgeber wie im Bund die Vereinheitlichung des Informationszugangsrechts zum Ziel gesetzt. Im Auftrag des Innenministeriums hat die Fachhochschule für öffentliches Recht in Münster einen Gesetzesvorschlag erarbeitet, mit dem die Zersplitterung des Informationszugangsrechts aufgehoben werden soll. Dazu sollen ca. zwei Drittel der Informationszugangsregelungen ersatzlos gestrichen und so der allgemeine Informationszugangsanspruch nach dem IFG NRW gestärkt werden. Im Vorfeld zur Erarbeitung des Gesetzesentwurfs war auch ich von der Fachhochschule um Stellungnahme gebeten worden. Ich hatte darauf hingewiesen, dass der sachsen-anhaltische Gesetzgeber bereits in der Gesetzesbegründung zum IZG LSA auf die Möglichkeit der Verringerung der spezialgesetzlichen Informationszugangsansprüche hingewiesen hatte, um die Anwendbarkeit des allgemeinen Informationszugangsanspruchs nach dem IZG LSA zu erhöhen (LT-Drs. 5/748, S. 10). Der eingeschlagene Weg könnte daher eine Vorbildfunktion für die anderen Bundesländer, also auch für Sachsen-Anhalt, haben (vgl. unten 3.7.3).