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V. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informations­freiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2016 bis 30. September 2018

12.3 „Topf Secret“ – Veröffentlichung von Hygieneberichten

Die Verbraucherorganisation Foodwatch und FragDenStaat haben Anfang des Jahres 2018 die Plattform „Topf Secret“ ins Leben gerufen, über die Ergebnisse von Hygienekontrollen von Gaststätten und lebensmittelverarbeitenden Betrieben angefragt werden können. Dabei können mit Hilfe einer Web-Anwendung bei den Behörden Anträge auf Zugang zu den Ergebnissen von Hygienekontrollen nach dem Verbraucherinformationsgesetz gestellt werden. In einem ersten Schritt wird regelmäßig gefragt, ob es eine Kontrolle gegeben hat. Für den Fall, dass es Beanstandungen gegeben hat, wird in einem zweiten Schritt die Herausgabe des Kontrollberichts begehrt.  
 
Hintergrund für die Aktion ist der Umstand, dass die Bundesregierung im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern, wie z. B. Dänemark, bisher weder ein Smiley-System noch eine Hygieneampel für Gaststätten eingeführt hat. Mit „Topf Secret“ soll Druck auf die Bundesregierung ausgeübt werden.
 
Bei den Bürgerinnen und Bürgern sowie in der Presse hat die Plattform überwiegend eine positive Resonanz erfahren, da man sich mit ihrer Hilfe einen Überblick über die Sauberkeit von Restaurants, Bäckereien und anderen lebensmittelverarbeitenden Betrieben verschaffen kann. Innerhalb der ersten Monate wurden über das Portal mehr als 10.000 Anträge gestellt. Auch in Sachsen-Anhalt wurden die Landkreise und kreisfreien Städte mit vielen Anfragen befasst.
 
Ob die Veröffentlichung der Kontrollergebnisse auf einer eigens dafür geschaffenen Internet-Plattform rechtlich zulässig ist, wird derzeit vor den Gerichten geklärt:
 
Die Rechtsprechung hatte für Anfragen nach dem VIG zu entsprechenden Kontrollberichten in der Vergangenheit grundsätzlich einen Informationszugangsanspruch bejaht (vgl. OVG Bln Bbg, Urteil vom 28. Mai 2014, Az.: OVG 5 S 21.14; BayVGH, Urteil vom 6. Juli 2015, Az.: 20 ZB 14.978; BayVGH, Urteil vom 16. Februar 2017, Az.: 20 BV 15.2208; VG Würzburg Urteil vom 8. Januar 2018, Az.: W 8 S 17.1396). Auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband e. V. hält einen Anspruch für gegeben. Diese VIG-Fälle betrafen allerdings die Herausgabe der Information an einen einzelnen Antragsteller, nicht die Veröffentlichung der Informationen auf einer Internetplattform.
 
Einzelne Betriebe haben sich gegen die Herausgabe und Veröffentlichung der Berichte auf der Internet-Plattform im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gewandt. Ein Kernargument der Klagen ist, dass die Veröffentlichung der Hygieneberichte auf der Plattform eines privaten Betreibers eine unzulässige Umgehung des § 40 Abs. 1a LFGB darstelle. Nach dieser Vorschrift sei lediglich der Staat berechtigt und verpflichtet, Hygienemängel unter den in § 40 Abs. 1a LFGB genannten Voraussetzungen zu veröffentlichen (vgl. Nr. 4.3).
 
FragDenStaat verweist auf seiner Homepage darauf, dass die Verwaltungsgerichte mehrheitlich Klagen gegen die Veröffentlichung abgelehnt hätten (Eine obergerichtliche Entscheidung steht noch aus). Das VG Düsseldorf ist in einem Eilverfahren zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Landkreis Informationen über Lebensmittelkontrollen für eine Veröffentlichung auf der Plattform „Topf Secret“ herausgeben darf. Es verweist darauf, dass das Interesse der Öffentlichkeit an einer zeitnahen Information über Rechtsverstöße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften das Interesse des Unternehmens an der Geheimhaltung der Kontrollberichte überwiege. Dass bei Bekanntwerden der Kontrollberichte der Unternehmer einen Imageschaden erleiden könnte oder eine Verschiebung der Marktchancen mit Umsatzeinbußen droht, sei in der vom VIG bezweckten Förderung der Markttransparenz angelegt (VG Düsseldorf, Beschluss vom 7. Juni 2019, Az.: 29 L 1226/19). Mit dieser Argumentation hatte im Übrigen das Bundesverfassungsgericht die Veröffentlichung der Namen von Unternehmen nach § 40 Abs. 1a LFGB, die gegen Hygienevorschriften verstoßen haben, für zulässig gehalten (vgl. Nr. 4.3).
 
Andere Verwaltungsgerichte haben den Anträgen auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklagen im einstweiligen Rechtsschutz stattgegeben, nicht allerdings, weil sie die Herausgabe der Kontrollberichte und deren Veröffentlichung für rechtswidrig hielten. Die Gerichte haben vielmehr betont, dass sie die Erfolgsaussichten der Klage als offen bewerten (beispielhaft VG Regensburg, Beschluss vom 15. März 2019, Az.: RN 5 S 19.189; VG Würzburg, Beschluss vom 4. April 2019, Az.: W 8 S 19.289; VG Koblenz, Beschlüsse vom 7. Mai 2019, Az.: 1 L 287/19.KO, 1 L 403/19.KO; VG Hamburg, Beschluss vom 27. Mai 2019, Az.: 20 E 934/19). Im Rahmen der dann vorzunehmenden Güterabwägung sind die Gerichte zu dem Ergebnis gekommen, dass das Interesse der Unternehmen an der Geheimhaltung ihrer Daten bis zu einer endgültigen Klärung der Hauptsache überwiege, da die Herausgabe und Veröffentlichung der Informationen irreversibel sei. Demgegenüber sei ein besonderer Eilbedarf an der zügigen Herausgabe und Veröffentlichung der Information nicht zu erkennen.
 
Schleswig-Holstein will als Reaktion auf „Topf Secret“ ein Gesetz zu Hygienekontrollen vorlegen, nach dem Verbraucherinnen und Verbraucher das Recht erhalten sollen, die Kontrollberichte von Restaurants, Cafès oder Supermärkten vor Ort, aber nicht im Internet einzusehen.
 
Auffällig ist gerade im Bereich des Verbraucherinformationsrechts, dass viele Fälle gerichtlich ausgetragen werden müssen. Die Beauftragten für die Informationsfreiheit können einem betroffenen Antragsteller nicht helfen und auch nicht von sich aus tätig werden, da sie für die Einhaltung und Kontrolle der Vorschriften des VIG nach der derzeit geltenden Rechtslage regelmäßig nicht zuständig sind. Die Enquete-Kommission des Landtages zur Verwaltungsmodernisierung hatte zwar schon im Jahr 2015 vorgeschlagen, mir die Kontrollkompetenzen für das VIG einzuräumen (LT-Drs. 6/4331). Dieser Vorschlag wurde jedoch bisher nicht umgesetzt.