V. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2016 bis 30. September 2018
4.3 Neuregelung des § 40 Abs. 1a LFGB – Teil II
Im September 2012 hatte der Bundesgesetzgeber als Reaktion auf die Lebensmittel-skandale der letzten Jahre mit § 40 Abs. 1a Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) eine Rechtsgrundlage für die Information der Öffentlichkeit über Verstöße einzelner Unternehmen gegen lebensmittel- oder futtermittelrechtliche Vorschriften, insbesondere auch über Hygieneverstöße, geschaffen.
Zahlreiche Bundesländer (nicht jedoch Sachsen-Anhalt) hatten zunächst begonnen, ihre Verbraucherinnen und Verbraucher auf eigens dafür geschaffenen Internetplattformen über entsprechende Verstöße zu informieren. Die Veröffentlichungen wurden dann aber durch eine Reihe von verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen gestoppt, da § 40 Abs. 1a LFGB unverhältnismäßig in die Rechte der betroffenen Unternehmen eingriffe, da die Vorschrift schon bei geringen Verstößen eine Veröffentlichung zulasse und auch keine Grenzen für die Dauer der Veröffentlichung vorsehe. Auch die Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten hatte in ihrer Entschließung vom 27. Juni 2013 „Verbraucher durch mehr Transparenz im Lebensmittelbereich schützen – Veröffentlichungspflichten für Hygieneverstöße jetzt nachbessern!“ Zweifel an der Verhältnismäßigkeit des § 40 Abs. 1a LFGB geäußert und den Gesetzgeber zu einer Neuregelung aufgefordert (siehe Anlage 6 zum III. Tätigkeitsbericht).
Die niedersächsische Landesregierung hatte daraufhin ein abstraktes Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht in die Wege geleitet und beantragt, § 40 Abs. 1a LFGB für nichtig zu erklären. Das Bundesverfassungsgericht hatte in dem Verfahren auch die Landesbeauftragten für den Datenschutz und Informationsfreiheit, darunter auch mich, um Stellungnahme gebeten. In meinem III. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit hatte ich ausführlich berichtet, warum ich in meiner Stellungnahme zu dem Ergebnis gekommen bin, dass entsprechende Veröffentlichungspflichten grundsätzlich zulässig sind und auch verfassungskonform ausgestaltet werden können (vgl. Nr. 3.6 des III. Tätigkeitsberichts).
Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahre 2018 entschieden, dass die Informationspflicht nach § 40 Abs. 1a LFGB lediglich aufgrund fehlender zeitlicher Begrenzung der Veröffentlichungsdauer mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar ist, einer sofortigen Veröffentlichung der Ergebnisse aber dennoch nichts im Wege steht (BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018, Az.: 1 BvF 1/13). Grundsätzlich sind Behörden bei festgestellten Verstößen gegen lebensmittel- und futtermittelrechtliche Vorschriften verpflichtet und befugt, die Öffentlichkeit zu informieren und dabei auch Namen zu nennen.
In dem Beschluss finden sich viele Argumente wieder, auf die ich in meiner Stellungnahme schon hingewiesen hatte (vgl. Nr. 3.6 des III. Tätigkeitsberichts). So verweist das Gericht zu Recht darauf, dass die betroffenen Unternehmen nicht schutzwürdig sind, da sie die Information der Verbraucherinnen und Verbraucher durch rechtswidriges Verhalten selbst veranlassen. Das Gericht betont auch, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher schutzwürdig sind, da die Veröffentlichung der Informationen durch ihre abschreckende Wirkung geeignet ist, die Unternehmen zur Einhaltung der einschlägigen Vorschriften anzuhalten.
Zur Abwendung der Nichtigkeit der Regelung oblag es dem Gesetzgeber, bis zum 30. April 2019 eine Regelung zur Dauer der Veröffentlichung zu treffen. Bis zu einer solchen Neuregelung, längstens aber bis zum 30. April 2019, durfte die angegriffene Vorschrift nach Maßgabe der Gründe weiter angewandt werden.
Die Bundesregierung legte im Oktober 2018 einen Gesetzentwurf zur Ersten Änderung des LFGB vor, mit dem die Dauer der Veröffentlichung auf sechs Monate festgelegt werden sollte (BT-Drs. 19/4726). Der Gesetzentwurf wurde im Bundestagsausschuss für Ernährung und Landwirtschaft kontrovers diskutiert und hat noch Änderungen erfahren. So soll die Information zukünftig unverzüglich erfolgen. Die Verbraucherinnen und Verbraucher sollen ferner darüber informiert werden, ob in dem Lebensmittel nicht zugelassene oder verbotene Stoffe enthalten sind. Darüber hinaus wurde die Bundesregierung aufgefordert, schnellstmöglich mit den Ländern im Rahmen der gemeinsamen Bund-Länder-Arbeitsgruppe einen bundesweit einheitlichen Bußgeldkatalog zu schaffen, damit die Verstöße zukünftig einheitlich geahndet werden können und so eine Vergleichbarkeit der Verstöße geschaffen wird (BT-Drs. 19/8349).
Forderungen der Oppositionsparteien nach einer gesetzlichen Regelung der Hygiene-Ampel oder eines Hygiene-Smileys fanden dagegen keine Mehrheit.
Der neue § 40 Abs. 1a LFGB ist am 30. April 2019 in Kraft getreten (BGBl. I 2019, S. 498).
Die Veröffentlichungspflichten nach § 40 Abs. 1a LFGB werden in den Bundesländern auf verschiedene Weise umgesetzt. Einige Länder veröffentlichen die Informationen auf einer zentralen Plattform im Internet. In Sachsen-Anhalt hat das zuständige Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration einen Leitfaden für die einheitliche Rechtsanwendung entwickelt. Es ist vorgesehen, dass die Landkreise und kreisfreien Städte die in § 40 Abs. 1a LFGB genannten Informationen dezentral veröffentlichen.