IV. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2014 bis 30. September 2016
7.2 Kritik
Bei der Einführung des IZG LSA im Jahr 2008 hat der Landesgesetzgeber die Regelungen des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes weitgehend übernommen und sie nur dort modifiziert, wo aufgrund landesrechtlicher Besonderheiten Anpassungsbedarf bestand. Das IFG des Bundes und das IZG LSA sind daher, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nahezu inhaltsgleich.
Beide Gesetze wurden evaluiert. Im Bund wurde die Evaluierung von einem unabhängigen Gutachter nach wissenschaftlichen Kriterien durchgeführt. In Sachsen-Anhalt wurde das Gesetz von der (alten) Landesregierung, letztendlich also von der Ministerialverwaltung, evaluiert. Die Landesregierung räumt selbst ein, dass sich ihre Evaluierung nicht mit der wissenschaftlichen Evaluierung des Bundes messen lassen könne und solle. Ich wurde zwar als Sachverständiger hinzugezogen. Meine Rechtsauffassung ist aber bei entscheidenden Stellen in den Bericht nicht eingeflossen, sie wird auch nicht erwähnt. Ich habe mich daher auch im Innenausschuss des Landtages zum Evaluierungsbericht der Landesregierung mit deutlicher Skepsis geäußert.
Der unabhängige Gutachter sieht für das IFG des Bundes erheblichen Reformbedarf. Er empfiehlt eine Reform der Ausschlussgründe und hält die Einführung einer allgemeinen Güterabwägungsklausel für die Ausschlussgründe für sinnvoll. Er empfiehlt die Schaffung behördlicher Informationsfreiheitsbeauftragter und hält die Zusammenlegung von IFG und Umweltinformationsgesetz für unproblematisch. Die Erweiterung der Kontrollkompetenzen der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit auf das besondere Informationszugangsrecht wird von ihm ausdrücklich angeregt.
Die Landesregierung Sachsen-Anhalts, die die nahezu gleichen Regelungen evaluiert hat, sieht dagegen keinen wesentlichen Reformbedarf. Sie bekennt sich lediglich dazu, dass die im Masterplan zum Landesportal beschlossene Einführung eines Informationsregisters beibehalten werden soll. Verträge sollen in diesem Register aber entgegen der ganz h. M. im Informationsfreiheitsrecht nicht veröffentlicht werden dürfen. Nach Auffassung der Landesregierung bedarf es hierzu erst einmal eines eigenen neuen Gesetzes.
Abgesehen davon soll sonst möglichst alles beim Alten bleiben. Die in früheren Stellungnahmen selbst in Betracht gezogene Zusammenlegung von IZG und UIG LSA soll aus europarechtlichen Gründen nicht mehr möglich sein. Dass alle namhaften Gutachter, die das IFG, das VIG oder die Informationsfreiheitsgesetze der Länder evaluiert haben, eine Zusammenlegung von Informationsfreiheitsrecht und Umweltinformationsfreiheitsrecht für unproblematisch halten, verschweigt die Landesregierung. Das Europarecht gebe für das UIG bindende Regelungen vor, von denen nicht abgewichen werden könne, argumentiert sie. Richtig ist allein, dass aufgrund der europarechtlichen Vorgaben das Informationsfreiheitsniveau aus dem UIG nicht gesenkt werden kann. Eine Zusammenlegung mit dem IZG LSA ist jedoch ohne weiteres möglich. Man muss nur die Regelungen des IZG LSA an die Regelungen des UIG anpassen und damit im Ergebnis das Informationszugangsniveau erhöhen. Was europarechtlich angeblich nicht geht, wird interessanterweise in Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz gemacht. Dass auch die Enquete-Kommission des Landtages von Sachsen-Anhalt „Öffentliche Verwaltung konsequent voranbringen – bürgernah und zukunftsfähig gestalten“ die Zusammenlegung empfohlen hat, fließt in die Evaluierung ebenfalls nicht ein.
Aber auch ihre Zusagen hält die Landesregierung nicht ein: Nach der geltenden Rechtslage bin ich nur für die Kontrolle der Vorschriften des IZG LSA zuständig. Es nützt den Bürgerinnen und Bürgern nichts, wenn ich im Rahmen einer Kontrolle feststelle, dass es sich z. B. um einen Fall nach dem UIG handelt. Die Landesregierung hatte daher festgestellt, dass die Bürgerinnen und Bürger von mir erwarten, dass ich ihre Eingaben umfassend prüfe, und mich ersucht, auch solchen Eingaben nachzugehen, die den Informationszugang nach bereichsspezifischem Recht betreffen. Sie hatte die Behörden als Adressaten des Gesetzes gebeten, mich bereits jetzt entsprechend den Vorgaben des § 12 Abs. 2 und 3 IZG LSA zu unterstützen (LT-Drs. 6/131, S. 9 f.).
In ihrer Stellungnahme zu meinem II. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit hatte die Landesregierung ferner die Erweiterung meiner Kontrollkompetenzen avisiert. Ich verweise auf LT-Drs. 6/2522, S. 42. Dort heißt es:
„Wenn im Anschluss an die Evaluierung eine Änderung des IZG LSA anstehen sollte, dürfte Folgendes zu regeln sein: Erstens sollte ein Anrufungsrecht bestehen, wenn man sich in seinen Rechten auf Informationszugang nach dem IZG LSA oder anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen beschwert sieht. Zweitens sollte § 12 Abs. 3 IZG LSA dahingehend ergänzt werden, dass der Landesbeauftragte auch die Einhaltung anderer Vorschriften über den Informationszugang gegenüber öffentlichen Stellen kontrolliert.“
Gemäß Evaluierungsbericht sieht das Umweltministerium für eine Erweiterung meiner Kontrollkompetenzen auf das UIG LSA inzwischen überraschend keinen Bedarf mehr. Diese Auffassung wurde in der Stellungnahme der Landesregierung zum III. Tätigkeitsbericht wiederholt (LT-Drs. 6/4688 zu Nr. 11). Angeblich würde das UIG LSA nur von Verbänden oder Unternehmen; aber nicht vom normalen Bürger in Anspruch genommen. Dass dies nun wirklich nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht, zeigen meine Tätigkeitsberichte. In der Vergangenheit haben sich im Wesentlichen die Bürgerinnen und Bürger oder Behörden in Bezug auf das UIG LSA mit der Bitte um Rat an mich gewandt (vgl. nur Nr. 16.6 dieses Tätigkeitsberichts). In Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz ist der Landesbeauftragte für die Informationsfreiheit für die Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften des UIG zuständig.
Überhaupt nicht mehr nachvollziehbar wird die Haltung der alten Landesregierung, wenn es um die Gebühren für Anträge nach dem IZG LSA geht. So kommt die Landesregierung in ihrer Evaluierung zu dem Ergebnis, dass die Höhe der Gebühren von 2000 bzw. 1000 Euro auf 500 Euro gesenkt werden solle. In ihrer Stellungnahme zu meinem III. Tätigkeitsbericht (LT-Drs. 6/4688, S. 30 f.) nimmt dieselbe Landesregierung die angekündigte Gebührensenkung jedoch umgehend wieder zurück. Der Landtag hat diese Position mittlerweile korrigiert (vgl. Nr. 8).
Für die Zukunft der Informationsfreiheit in Sachsen-Anhalt ist der Evaluierungsbericht ungeeignet. Maßgeblich und zielführend für eine Reform des IZG LSA sind die Vorbilder anderer Länder und der Abschlussbericht der Enquete-Kommission des Landtages sowie meine Empfehlungen in meinen Tätigkeitsberichten (III. Tätigkeitsbericht, Nr. 7.3; siehe im aktuellem Bericht Nrn. 8 und 10).