IV. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2014 bis 30. September 2016
16.12 Rechtswidrige Veröffentlichungspraxis der Landesregulierungsbehörde
Ein Petent hatte vom Wirtschaftsministerium als Landesregulierungsbehörde nach dem IZG LSA, UIG LSA oder VIG AG LSA die Übersendung eines Genehmigungsbescheides für Stromnetzentgelte der Landesregulierungsbehörde vom 29. Juni 2006, aufgehoben vom Oberlandesgericht Naumburg mit Beschluss vom 2. Mai 2007 (1 W 24/06 (EnWG)), beantragt.
Die Behörde teilte ihm mit, dass sein Antrag nach dem IZG LSA bearbeitet werde. Er begehre Zugang zu einem Genehmigungsbescheid für einen Netzbetreiber in Sachsen-Anhalt. Da dessen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse i. S. d. § 6 IZG LSA betroffen sein könnten, sei dieser anzuhören.
Daraufhin legte der Antragsteller vorsorglich Widerspruch gegen die Durchführung eines Drittbeteiligungsverfahrens sowie die Auferlegung der Gebühren ein. Er wies darauf hin, dass der Genehmigungsbescheid gem. § 74 EnWG (Energiewirtschaftsgesetz) von der Regulierungsbehörde auf ihrer Homepage und im Amtsblatt hätte veröffentlicht werden müssen. Aus der Antwort der Landesregulierungsbehörde ergebe sich, dass die Behörde ihrer Veröffentlichungspflicht nach § 74 EnWG bisher nicht nachgekommen sei. Sie sei verpflichtet, eine gesetzeskonforme Veröffentlichung herbeizuführen. Nicht er, sondern die Behörde müsse die Verfahrenskosten tragen.
Die Behörde trat der Auffassung des Antragstellers mit der Behauptung entgegen, dass keine veröffentlichungspflichtige Entscheidung vorliege, da der vom Antragsteller begehrte Genehmigungsbescheid durch das Oberlandesgericht Naumburg aufgehoben worden sei. Die Durchführung eines Drittbeteiligungsverfahrens sei auch erforderlich, da der Antragsteller letztendlich um uneingeschränkten Zugang zu dem Bescheid gebeten habe. Es müsse daher geprüft werden, ob Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse berührt seien, da diese von einer Veröffentlichungspflicht ausgenommen seien.
Der Antragsteller argumentierte demgegenüber, er begehre die Übersendung des Bescheides in der Fassung, wie er nach § 74 EnWG hätte veröffentlicht werden müssen. Sei aber die von ihm begehrte Information nicht vorhanden, weil der Bescheid nicht veröffentlicht worden sei, bitte er darum, dass sein Antrag abgelehnt werde. Er wollte die Behörde zu einem Eingeständnis eines Verstoßes gegen die Veröffentlichungspflicht veranlassen.
Die Landesregulierungsbehörde bestritt erneut, gegen die Veröffentlichungspflicht nach § 74 EnWG verstoßen zu haben und stellte dem Antragsteller von sich aus mit Einwilligung des Netzbetreibers eine zu geheimnisrelevanten Daten teilgeschwärzte Fassung des Genehmigungsbescheides zur Verfügung, die allerdings nicht sie, sondern der Netzbetreiber freiwillig verfasst hatte.
Daraufhin bat der Antragsteller um die Erstellung eines beschwerdefähigen Bescheids.
Die Behörde kam dieser Bitte nach und lehnte den Antrag, soweit er über die Zurverfügungstellung der geschwärzten Fassung des antragsgegenständlichen Bescheides hinausgehe, ab. Eine veröffentlichte Entscheidung i. S. d. § 74 EnWG sei nicht vorhanden. Eine Veröffentlichungspflicht i. S. d. § 74 EnWG habe nicht bestanden, da der Genehmigungsbescheid durch das Oberlandesgericht Naumburg aufgehoben worden sei. Folge man dieser Auffassung nicht, sei der Informationszugangsanspruch des Antragstellers jedenfalls durch die Zurverfügungstellung des teilgeschwärzten Bescheides erfüllt worden, da dieser einem veröffentlichungspflichtigen Bescheid nach § 74 EnWG entspreche. Eine weitergehende Informationszugangsgewährung sei mit Blick auf die potentiell enthaltenen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht möglich. Ein Informationszugangsanspruch nach dem UIG LSA bzw. dem VIG AG LSA wurde ausdrücklich abgelehnt, da diese Normen nicht einschlägig seien. Der Antragsteller wurde verpflichtet, die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Höhe der Kosten wurde auf 313,50 Euro festgesetzt.
Der Antragsteller legte gegen den Bescheid Widerspruch ein und bat mich um Vermittlung. Ich habe die Behandlung des Falles durch die Landesregulierungsbehörde für rechtlich bedenklich gehalten.
Fraglich ist zunächst, ob nicht anstelle des IZG LSA das UIG LSA das einschlägige Gesetz für die Bearbeitung des Antrags gewesen wäre. Im Umweltinformationsrecht gilt ein weiter Umweltinformationsbegriff. Diesem zufolge reicht es aus, dass ein gewisser Umweltbezug besteht (BVerwG, NVwZ 2008, 791; weitere Nachweise unter Nr. 16.6 dieses Berichts). Rechtsgrundlage für den Erlass des Genehmigungsbescheides ist das EnWG. Nach § 1 EnWG ist der Zweck des Gesetzes eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas, die zunehmend auf erneuerbaren Energien beruht. Der Faktor Energie wird in § 3 Abs. 2 Nr. 2 UIG wiederum ausdrücklich als Umweltinformation genannt. Umweltinformationen sind ferner alle Daten über Maßnahmen oder Tätigkeiten, die sich auf den Aspekt der Energie auswirken oder wahrscheinlich auswirken. Der Genehmigungsbescheid zu Stromnetzentgelten trifft Aussagen über die Höhe des Nutzungsentgelts für Strom. Von dieser dürfte wiederum abhängen, wie viel und welche Energie erzeugt und genutzt wird.
Bei Anwendung des UIG LSA wären im Vergleich zum IZG LSA zwar parallele Prüfungsmechanismen zu berücksichtigen. Das UIG LSA enthält aber für den Antragsteller in vielen Fällen günstigere Zugangs- und Kostenregelungen. Ich habe daher eine Überprüfung der einschlägigen Rechtsgrundlage angeregt.
Bei der tatsächlich erfolgten Anwendung des IZG LSA wurde folgendes übersehen: Der Antragsteller hat seinen Ursprungsantrag dahingehend ergänzt, dass er, sofern der Bescheid nicht veröffentlicht worden sei, eine Ablehnung seines Antrags begehre. Diese Antragsmodifizierung ist im vorliegenden Falle durchaus relevant:
Nach § 74 EnWG besteht die Pflicht der Regulierungsbehörde zur Veröffentlichung von Entscheidungen, die auf der Grundlage des Teiles 3 des EnWG (Regulierung des Netzbetriebs, §§ 11 bis 35) ergehen, auf ihrer Internetseite und im Amtsblatt. Die Veröffentlichungspflicht galt daher auch für die vorliegende Entscheidung. Die Pflicht zur Veröffentlichung beginnt nach ganz h. M. mit Erlass der Entscheidung, nicht mit ihrer Bestandskraft (Turiaux, in Kment: EnWG, § 74 Rn. 2 m. w. N.). § 74 EnWG knüpft nach seinem insoweit eindeutigen Wortlaut allein an das Vorliegen einer Entscheidung an und verlangt nicht, dass die Entscheidung unanfechtbar geworden ist. Die Auffassung der Landesregulierungsbehörde, dass keine Veröffentlichungspflicht hinsichtlich des Genehmigungsbescheides vom 29. Juni 2006 bestanden habe, weil sie im Mai 2007 vom OLG Naumburg aufgehoben worden sei, war insofern unzutreffend.
Strittig ist allerdings, ob nur der Entscheidungstenor mit Rubrum (so Salje, EnWG 74 Rn. 8 m. w. N.) oder ob darüber hinaus auch die Entscheidungsgründe zu veröffentlichen sind (so Turiaux in: Kment, EnWG, § 74 Rn. 2). Nach Angabe der Landesregulierungsbehörde Sachsen-Anhalt üben alle Landesregulierungsbehörden derzeit eine eher restriktive Veröffentlichungspraxis im ersteren Sinne aus. Unstrittig ist nach allen Auffassungen, dass Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von der Veröffentlichungspflicht ausgenommen sind (VG Köln, Urteil vom 25. Februar 2016, Az.: 13 K 5017/13; Turiaux in: Kment, EnWG, § 74 Rn. 2).
Weil nach h. M. eine Veröffentlichungspflicht nach § 74 EnWG bereits mit dem Erlass der Entscheidung besteht, durfte der Antragsteller zu Recht davon ausgehen, dass bei der Landesregulierungsbehörde eine veröffentlichte Fassung des Genehmigungsbescheides auch vorlag. Der oben dargestellte Streit über die Reichweite der Veröffentlichungspflicht hätte dabei keine Rolle gespielt, da Zugang zu der konkret veröffentlichten Information begehrt worden war. Ein Streit über die Reichweite etwaiger Veröffentlichungspflichten hätte mit informationszugangsrechtlichen Mitteln auch nicht geklärt werden können, da die Informationsfreiheitsgesetze lediglich Zugang zu einer Information gewähren, so wie sie vorhanden ist.
Im vorliegenden Fall bestand allerdings die Besonderheit, dass die Landesregulierungsbehörde unzutreffend ihre Veröffentlichungspflicht verneint hat. Eine veröffentlichte Fassung des Genehmigungsbescheides existierte nicht. Im Ergebnis hätte der Antrag daher abgelehnt werden müssen. Bei der Bearbeitung des Antrags war kein nennenswerter Verwaltungsaufwand entstanden; die Anlehnung des Antrags hätte also gebührenfrei erfolgen müssen. In deutlichem Widerspruch hierzu steht aber die weitere Vorgehensweise der Behörde. Sie hat dem Petenten eine teilgeschwärzte Fassung des Genehmigungsbescheides übersandt, die nicht von ihr, sondern von dem betroffenen Energieversorger freiwillig erstellt worden war. Das aber hatte der Petent nicht beantragt. Vielmehr hat sich die Behörde über diesen hinweggesetzt und ihm eine Information zugänglich gemacht, die von ihm so nicht begehrt worden war, und verlangte dafür auch noch Gebühren.
Die Landesregulierungsbehörde hat ihre Handlungsweise damit zu rechtfertigen versucht, dass der Antragsteller im Ergebnis einen Bescheid zugänglich gemacht bekommen habe, wie er der veröffentlichten Fassung nach § 74 EnWG entsprochen hätte. Sofern die Intention der Behörde dabei darin bestanden haben sollte, durch die Übersendung des teilgeschwärzten Bescheids einen rechtswidrigen Zustand zu heilen, hätte sie jedoch selbst einen solchen Bescheid erstellen müssen. Sie hätte diese ihr obliegende Aufgabe jedenfalls nicht einem betroffenen Dritten überlassen dürfen (dieser wäre im Verfahren nach dem EnWG durch die Behörde beteiligt worden, § 71 EnWG). Der Bescheid hätte zudem unentgeltlich im Internet zum Abruf zur Verfügung gestanden. Folglich hätte die Behörde keine Kosten für den IZG-Antrag verlangen dürfen.
In ihrer Stellungnahme hat die Landesregulierungsbehörde die erfolgte Bescheidung des Antrags zwar verteidigt, aber doch eingeräumt, dass ein gewisses Prozessrisiko bestehe. Sie hat daher dem Antragsteller zum Ende des langwierigen Vorganges das Angebot unterbreitet, die Gebührenforderung niederzuschlagen, wenn er seinen Widerspruch zurücknehme. Der Antragsteller hat dieses Angebot angenommen.
Die Landesregulierungsbehörde sollte ihre Rechtspraxis bei der Veröffentlichung von Entscheidungen gem. § 74 EnWG anpassen.