IV. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2014 bis 30. September 2016
15.2 Kontrolle des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Integration
Ich hatte in den Berichtszeiträumen des II. und III. Tätigkeitsberichts aufgrund von Eingaben verschiedener Petenten das Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration hinsichtlich der Bearbeitung von Einzelfällen anlassbezogen kontrolliert. Die Ergebnisse zeigten bei der Behandlung der Informationszugangsbegehren Optimierungsbedarf auf:
Im Fall eines Pflegeheimbetreibers, der als natürliche Person sowie als Geschäftsführer Einsicht in sämtliche Unterlagen über ihn sowie über die mit ihm verbundenen Einrichtungen und Gesellschaften beim Ministerium beantragt hatte, konnten die von ihm begehrten Informationen nicht vollständig zur Verfügung gestellt werden, weil es Defizite bei der Aktenführung gab (vgl. Nr. 7.4 des II. Tätigkeitsberichts). Daraufhin hatte das Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration zugesagt, zukünftig für das ordnungsgemäße und vollständige Führen von Akten Sorge zu tragen.
Im Fall einer internationalen Nichtregierungsorganisation, die Einsicht in Verträge des Landes Sachsen-Anhalt zu den Kosten für die Anschaffung von Grippemitteln begehrte, lehnte das Ministerium den Zugang zu den Verträgen, u. a. unter Berufung auf eine im Hinblick auf das IZG LSA rechtswidrige Vertraulichkeitsvereinbarung, zunächst ab. Erst nach meiner Einschaltung wurden die gewünschten Informationen herausgegeben (vgl. Nr. 9.7 des III. Tätigkeitsberichts).
Vor diesem Hintergrund bestand ein Schwerpunkt des Beratungs- und Kontrollbesuchs in der Prüfung der Organisation der Informationsfreiheit innerhalb des Ministeriums, wobei auch festgestellt werden sollte, ob die Defizite bei der Aktenführung behoben wurden. Weitere Schwerpunkte waren die Bearbeitung von Informationszugangsanträgen, die Fortbildung sowie die Veröffentlichungspflichten nach dem IZG LSA. Mit der Stichprobenkontrolle sollte die ordnungsgemäße Behandlung von Einzelfällen, durch das Ministerium geprüft werden. Sie diente insbesondere der Feststellung, ob das Gesetz mittlerweile rechtssicher angewandt wird.
Das Ergebnis der Kontrolle war bedauerlicherweise nicht zufriedenstellend, wobei ich mich im Folgenden auf die aus meiner Sicht wesentlichen Punkte konzentrieren möchte:
Im Rahmen der Ankündigung der Kontrolle hatte ich das Ministerium gebeten, dass mir bei der stichprobenartigen Überprüfung der bisherigen Einzelfälle die notwendigen Akten zur Einsichtnahme zur Verfügung stehen. Es muss sich gerade einem Ministerium aufdrängen, dass für eine Kontrolle dazu nicht nur Schriftverkehr mit dem Antragsteller und der Abschlussbescheid, sondern auch die Akten vorgelegt werden müssen, in die der Antragsteller Einsicht begehrt. In einem ersten Termin war mir ein Abschluss der Kontrolle zunächst nicht möglich, da mir das Ministerium die für eine Kontrolle der von ihm bearbeiteten Einzelfälle erforderlichen Unterlagen, in die die Antragsteller Einsicht begehrt hatten, nicht vorgelegt hatte. Es musste daher eine Nachkontrolle erfolgen.
Nach den Angaben des Ministeriums wurden seit dem Inkrafttreten des IZG LSA am 1. Oktober 2008 bis zum Zeitpunkt der Kontrolle lediglich 10 Fälle zum IZG LSA erfasst. Gleichzeitig war das Ministerium mit zahlreichen Bürgeranfragen befasst und ausgelastet. Dies zeigt, dass sich die Bürgerinnen und Bürger sehr wohl mit Informationsbegehren an das Ministerium wenden. Dass das Ministerium in 8 Jahren nur 10 Informationszugangsanträge erhalten haben will, gleichwohl ein reger Informationsbedarf besteht, ist daher – auch wenn das Ministerium dies anders sieht – ein deutliches Indiz dafür, dass Informationszugangsanträge nach dem IZG LSA nicht erkannt und auch nicht als solche behandelt werden.
Darüber hinaus hat das Ministerium einige Vorgänge suboptimal behandelt. Im Rahmen der Stichprobenkontrolle wurde ein Informationszugangsantrag aus dem Jahr 2015 überprüft, der den Gegenstand von Entgeltvereinbarungen nach dem Kinderförderungsgesetz betraf. Der Antragsteller begehrte in diesem Zusammenhang Zugang zu sämtlichen Materialien des Gesetzgebungsverfahrens. Dabei kam es ihm ausdrücklich darauf an, alle Protokolle, Niederschriften der Ausschusssitzungen des Landtages oder ähnliche Materialien zu erhalten, da er davon ausging, dass das damalige Ministerium für Arbeit und Soziales an der Formulierung der einschlägigen Paragraphen des Kinderförderungsgesetzes mitgearbeitet hatte und dazu entsprechende Materialien vorliegen müssten. Bei der Bescheidung des Antrags wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass angeblich nur Informationen bis Mitte September 2012 vorhanden seien. Diese Auskunft war offensichtlich unzutreffend. Zu dem genannten Zeitpunkt war das Gesetzgebungsverfahren nämlich noch nicht abgeschlossen. Im Rahmen der Stichprobenkontrolle hat sich herausgestellt, dass beim Ministerium in erheblichem Umfang zusätzliche Unterlagen vorhanden waren. Diese wurden mir wiederum nicht sofort, sondern erst in der Nachkontrolle zur Verfügung gestellt. In seiner Stellungnahme hat mir das Ministerium mitgeteilt, dass der Antrag mittlerweile abschließend bearbeitet und dem Antragsteller die begehrten gesamten Informationen zur Verfügung gestellt wurden. Auch hat das Ministerium in einer Neufassung der Organisationsverfügung den Ablauf bei der Bearbeitung von Anträgen geändert, um Fehler, die in der Organisation angelegt waren (Nebeneinander von Stabsstelle und Fachabteilung), zukünftig zu vermeiden.
In der Kontrolle musste ich ferner feststellen, dass das Ministerium die Veröffentlichungspflichten des IZG LSA sowie eine korrespondierende Bitte des Ministeriums für Inneres und Sport nicht beachtet hatte. Dieses hatte zur Realisierung des Landtagsbeschlusses zum IZG LSA (LT-Drs. 6/977) durch die Landesregierung mit Schreiben vom 12. Juni 2012 die öffentlichen Stellen des Landes Sachsen-Anhalt gebeten, den Bekanntheitsgrad des IZG LSA und der damit verbundenen Vorteile weiter zu erhöhen, um die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Gesetzes durch die Bürgerinnen und Bürger zu intensivieren. Es hatte die Stellen explizit aufgefordert, auf ihrer Homepage Hinweise auf das Informationszugangsrecht zu geben und dabei auch auf das Informationsgebot des Landesbeauftragten zu verlinken. Das Innenministerium hatte darüber hinaus gebeten, im Sinne einer weitergehenden Transparenz und Nutzung des Rechts auf Informationszugang sicherzustellen, dass die in § 11 IZG LSA festgeschriebenen Veröffentlichungspflichten besser umgesetzt und vorangetrieben werden. Es hatte außerdem um die Prüfung und Umsetzung neuer Möglichkeiten und Formen einer aktiven Informationspolitik gebeten, die langfristig die Verwaltungsorganisation modernisieren und effektivieren könne.
Das Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration war dieser – bereits im Jahr 2012 – geäußerten Bitte allerdings bisher nicht nachgekommen. Als Vorbild für eine gelungene Internetgestaltung wurde dem Ministerium im Kontrolltermin ein Screenshot des Internetauftritts des Auswärtigen Amtes übergeben. Dieses informiert die Bürgerinnen und Bürger auf den Service-Seiten des Amtes gut sichtbar darüber, dass sie nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes Informationen bei dem Auswärtigen Amt erhalten können. Das Ministerium hat noch im Kontrolltermin zugesagt, nicht nur die Bitte des Ministeriums für Inneres und Sport umsetzen zu wollen, sondern sich auch am o. g. Vorbild des Auswärtigen Amtes orientieren zu wollen.
Ein echtes Problem in der Praxis stellt zudem die Veröffentlichung von Aktenplänen im Internet dar. Der Gesetzgeber hat eine solche Pflicht angeordnet, damit ein Antragsteller sich grob orientieren kann, ob bzw. welche Informationen bei einer öffentlichen Stelle vorhanden sein könnten. Auf der Homepage des Ministeriums findet sich kein Aktenplan. Das Ministerium verweist darauf, dass das aus seiner Sicht nicht nötig sei, da sein Aktenplan in dem Aktenplan der Landesverwaltung enthalten sei. Dieser sei für das Ministerium nach der Aktenordnung, bei der es sich allerdings nur um eine Verwaltungsvorschrift handelt, verbindlich vorgesehen; Abweichungen seien nicht möglich. M. E. überzeugt diese Argumentation nicht völlig. Den meisten Antragstellern ist es schon gar nicht bekannt, dass es einen Aktenplan der Landesverwaltung gibt. Der Aktenplan der Landesverwaltung ist zudem unübersichtlich, d. h. der vom IZG LSA vorgesehene Zweck der Möglichkeit einer Orientierung wird verfehlt. Das Ministerium ist meinem Kompromissvorschlag gefolgt und hat in seinem Internetauftritt einen Link auf die Fundstelle des Plans gelegt. Das löst aber nicht das Kernproblem. Der Antragsteller sucht den Aktenplan auf der Homepage der öffentlichen Stelle, von der er die Information begehrt, hier also beim Sozialministerium und nicht auf der Homepage des Innenministeriums.
Das Ministerium hat die Kritikpunkte aufgegriffen und insgesamt angemessen Abhilfe geschaffen. Der Kontrollbesuch diente ohnehin nicht dazu, Mängel aufzuzeigen, sondern bezweckte vielmehr, das Ministerium für das Thema der Informationsfreiheit weiter zu sensibilisieren.
Die Behörden einschließlich der Ministerien sollten in ihren Internet-Serviceangeboten unmittelbar auf das Informationszugangsrecht verweisen und damit der Bitte des Innenministeriums nachkommen, Hinweise auf das IZG LSA zu geben und die Möglichkeit der Inanspruchnahme zu verbessern.