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II. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2010 bis 30. September 2012

7.6 Auskunft über ein Zustellunternehmen beim Amtsgericht Aschersleben

Der vorliegende Fall ist aus mehreren Gründen bemerkenswert. Ein Petent hatte sich mit der Bitte an mich gewandt, die Ablehnung seines im August 2011 gestellten Informationszugangsantrags durch das Mahngericht Aschersleben zu prüfen. Er hatte das Gericht darauf hingewiesen, dass das von diesem mit der Zustellung von Mahnbescheiden beauftragte, mittlerweile insolvent gewordene Unternehmen nach den Sachverhaltsschilderungen verschiedener Betroffener mehrfach keine ordnungsgemäßen Zustellungen vorgenommen habe. Es lägen daher aus seiner Sicht konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass das Amtsgericht seit Längerem rechtsfehlerhafte Mahnverfahren durchführe. Er hatte daher u. a. Auskunft begehrt, ob dem Gericht entsprechende fehlerhafte oder unterbliebene Zustellungen bekannt seien und Einsicht in den Vertrag mit dem Unternehmen nebst der Kündigung begehrt. Den daraufhin ergangenen Ablehnungsbescheid des Mahngerichts hatte ich schon deshalb für rechtlich bedenklich gehalten, da der Antrag pauschal aus dienst- bzw. datenschutzrechtlichen Gründen abgelehnt und die Anwendbarkeit des IZG LSA nicht geprüft worden war. Auf den Widerspruch des Petenten wurde der Ablehnungsbescheid vom Landgericht Magdeburg nach einer umfassenden Prüfung aufgehoben und das Amtsgericht im Wesentlichen zur Auskunft verpflichtet. Daraufhin hat das Gericht dem Petenten u. a. mitgeteilt, dass im Verlauf der Jahre 2009 bis 2012 aufgrund von Beschwerden und Eingaben bekannt wurde, dass drei Zusteller in insgesamt 18 Verfahren tatsächlich nicht ausgeführte Zustellungen als zugestellt beurkundet haben sollen. Die Sachverhalte seien einer Prüfung unterzogen worden, hätten sich aber nicht bestätigen lassen. Dem Petenten wurde zudem mitgeteilt, dass sich eventuell Betroffene im Mahnverfahren mit Widerspruch und Einspruch, gegebenenfalls i. V. m. einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wehren könnten.

Der Petent hat sich daraufhin erneut an mich gewandt und sinngemäß vorgetragen, dass sich das Amtsgericht Aschersleben offensichtlich mit der Problematik nicht befassen wolle, obwohl sich die von ihm geschilderten Mängel im Rahmen seiner Eingabe bestätigt hätten. Es sei enttäuschend, dass von der Justiz keine Maßnahmen zur Abstellung und Beseitigung der Mängel getroffen worden seien. Gleichzeitig bat er mich, den für die Beantwortung von zehn Fragen angefallenen Gebührenbescheid in Höhe von 259 Euro zu überprüfen.

Die Verärgerung des Petenten ist nachvollziehbar. Er trägt aus seiner Sicht dazu bei, Mängel in der Justiz aufzudecken, die vorher in der Öffentlichkeit nicht bzw. nicht in dem Ausmaß bekannt waren. Zudem wird er für sein bürgerschaftliches Engagement durch hohe Gebühren, die sich nach Durchführung des kostenpflichtigen Widerspruchverfahrens auf nahezu 650 Euro summierten, quasi bestraft. In der Tat konnte ich hier nicht weiterhelfen, denn die Höhe der Kosten war zutreffend bestimmt worden. Das Gericht hatte sogar noch zugunsten des Petenten eine Gebührenermäßigung vorgenommen.

Ich habe diesen Fall jedoch zum Anlass genommen, um mich beim Ministerium für Justiz und Gleichstellung zu erkundigen, ob - aufgrund des Informationszugangsantrags des Petenten - das Zustellverfahren des Unternehmens überprüft wurde und ob es Konsequenzen gegeben hat. Bedauerlicherweise hat das Ministerium die Gelegenheit, mit der Problematik offen und transparent umzugehen, nicht genutzt. So hat die Behörde mein Auskunftsrecht angezweifelt, obwohl ich ihr zuvor dargelegt hatte, dass die Information der Öffentlichkeit zu Fragen der Informationsfreiheit nach dem IZG LSA gerade zu meinen Aufgaben gehört. Schließlich hat sie mir mitgeteilt, dass das insolvent gewordene Unternehmen seit März 2011 keine Zustellungen mehr für die Gerichte des Landes vornehme. Weitergehende Auskünfte wurden, insbesondere auch unter Berufung auf entgegenstehende Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens, nicht erteilt.

Ich halte die Vorgehensweise des Ministeriums für befremdlich, da die Behörde auch nach dem IZG LSA in der zuvor genannten Angelegenheit jedem Antragsteller über ihre Reaktionen oder Maßnahmen Auskunft hätte geben müssen, da Ausschlussgründe ersichtlich nicht gegeben sind. Das dürfte insbesondere für die vom Ministerium angeführten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gelten. Zum einen können nach der von der Rechtsprechung entwickelten Definition nur Unternehmen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse haben, die sich im Konkurrenzkampf mit anderen Unternehmen befinden. Das dürfte für insolvente Unternehmen jedenfalls nicht mehr gelten. Zum anderen stellen Rechtsverstöße, um die es hier geht, nach h. M. keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dar.