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II. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2010 bis 30. September 2012

7.4 Verstöße gegen die Aktenordnung sind über das IZG LSA nicht sanktionierbar - fehlende Unterlagen beim Sozialministerium

Der Streit zwischen dem Antragsteller und der Behörde, ob im Fall eines stattgebenden Akteneinsichtsantrags die Akteneinsicht vollständig und umfassend gewährt wurde oder ob die Behörde nicht etwa Akten zurückgehalten hat, gehört zu den Standardfällen des Informationsfreiheitsrechts. Die Rechtsprechung löst diese Konfliktfälle im Wesentlichen mit Hilfe von Vermutungsregelungen:

Der Informationszugangsanspruch erstreckt sich grundsätzlich nur auf solche amtlichen Informationen, die tatsächlich bei der auskunftspflichtigen Stelle vorhanden sind. Es entspricht einem allgemein im Recht der Dokumentationspflichten anerkannten Grundsatz, der auch auf die Verwaltungsaktenführung anzuwenden ist, dass eine dem äußeren Anschein nach ordnungsgemäß geführte Dokumentation grundsätzlich die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit rechtfertigt (BFH, 5. Senat, Beschluss vom 18. März 2008, Az.: V B 243/07; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. Oktober 1991, NVwZ 1992, 384). Legt eine Behörde daher Akten vor, die dem äußeren Anschein nach ordnungsgemäß geführt werden, gilt die Vermutung, dass diese vollständig sind, d. h. es ist davon auszugehen, dass dem Informationszugangsbegehrenden alle vorhandenen Informationen zugänglich gemacht worden sind. Gleiches dürfte daher für die Vorlage von Teilen aus einer dem äußeren Anschein nach ordnungsgemäß geführten Akte gelten. Ein Antragsteller, der die Unvollständigkeit der Akten rügt, muss daher substantiierte Hinweise auf das Fehlen von Vorgängen vortragen. Substantiiert dürfte ein Hinweis insbesondere dann sein, wenn in den vorgelegten Unterlagen Verwaltungsvorgänge fehlen, die sich nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Aktenführung in der Akte hätten befinden müssen. Zu beachten ist jedoch, dass der Verwaltung hinsichtlich der Entscheidung, was zu den Akten genommen wird, durchaus ein Spielraum zusteht (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. März 2010, Az.: 12 B 41.08). Nach der Rechtsprechung sind allerdings regelmäßig Vorgänge zu den Akten zu nehmen, die ersichtlich für eine Entscheidung von Bedeutung sein können und die die Behörde selbst ihrer Entscheidung zu Grunde legen will bzw. legt. Dies betrifft z. B. Unterlagen, die ein Antragsteller im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens einreicht bzw. deren Vorlage die Behörde zur Prüfung des jeweiligen Begehrens verlangen kann bzw. muss (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 2. Oktober 2007, Az.: 12 B 12.07).

Damit kommt auch den Vorschriften der Aktenordnung für die Landesverwaltung von Sachsen-Anhalt eine wesentliche Bedeutung zu, da ihre Nichteinhaltung das Unterlaufen von Informationszugangsansprüchen nach dem IZG LSA zur Folge hätte. Im Rahmen der Evaluierung des IZG LSA sollte daher geprüft werden, ob die schon ältere Aktenordnung des Landes nicht modernisiert, insbesondere auch an die Anforderungen einer elektronischen Aktenführung angepasst werden sollte. Nach der Rechtsprechung ist es nämlich das Ziel der Informationsfreiheitsgesetze, etwaige Verstöße gegen die Pflicht einer ordnungsgemäßen Aktenführung offen zu legen und die Verwaltung dazu anzuhalten, ihrer Pflicht zur ordnungsgemäßen Aktenführung in der Zukunft hinreichend nachzukommen (vgl. VG Berlin, Urteil vom 24. September 2008, Az.: 2 A 135.07). Sanktionsmöglichkeiten bei etwaigen Verstößen besitze ich allerdings nicht.

Im vorliegenden Fall hatte sich ein Petent mit der Bitte an mich gewandt, den Vollzug eines Bescheids des Ministeriums für Gesundheit und Soziales, mit dem seinem Informationszugangsantrag teilweise stattgegeben wurde, zu prüfen. Nachdem ihm mehrere Aktenordner auch mit älteren Vorgängen, die mehr als fünf Jahre zurücklagen, in Kopie zur Verfügung gestellt worden waren, hatte er u. a. dargelegt, dass verschiedene Stellungnahmen und Berichte sowie diverse Vorlagen zu von ihm unterbreiteten Projektvorschlägen ihm von der Behörde nicht mit den damit verbundenen Anlagen bzw. Vorgängen übersandt worden seien. Mit Blick auf den detaillierten und daher hinreichend substantiiert erscheinenden Vortrag des Petenten habe ich die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Akten für widerlegt gehalten. Das Ministerium hat in seiner Stellungnahme nachvollziehbar dargelegt, dass ein Teil der von dem Petenten begehrten Unterlagen ursprünglich vorhanden gewesen war, dann aber gemäß den Vorschriften der Aktenordnung des Landes Sachsen-Anhalt ausgesondert worden sein muss. Diese Unterlagen waren damit nicht mehr in der Behörde vorhanden. Allerdings hat die mehrmalige vergebliche Suche nach den von dem Petenten begehrten Unterlagen auch gewisse Defizite bei der Aktenführung des Ministeriums aufgezeigt. Das Ministerium hat mir mitgeteilt, dass Anregungen und Projektvorschläge des Petenten sowie die damit einhergehenden Gespräche aus Sicht der beteiligten Mitarbeiter eher einen informellen Charakter gehabt hätten und nicht in ein förmliches Verwaltungsverfahren eingemündet seien. Dies und die im Laufe der Jahre erfolgten strukturellen Änderungen im Bereich der zuständigen Fachreferate hätten letztendlich dazu geführt, dass nicht alle Vorgänge so dokumentiert wurden, wie dies in einem förmlichen Verwaltungsverfahren hätte geschehen müssen. Das Ministerium hat die in diesem Fall zutage getretenen Defizite bedauert. Es will zukünftig für eine ordnungsgemäße und vollständige Führung von Akten auch außerhalb eines laufenden Verwaltungsverfahrens Sorge tragen.