II. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2010 bis 30. September 2012
7.13 Einsicht in Unterlagen eines Gesundheitsamtes - Informantenschutz
In der behördlichen Praxis spielt der Informantenschutz eine wichtige Rolle. Lehrreich ist folgender Standardfall:
Ein Petent hatte Einsicht in die über ihn bei einem Gesundheitsamt eines Landkreises geführten Akten, insbesondere in einen über ihn durch den sozialpsychatrischen Dienst gefertigten Bericht beantragt. Ferner hatte er Auskunft über einen Behördeninformanten verlangt, aufgrund dessen Angaben das Gesundheitsamt einen Hausbesuch durch zwei Diplom-Sozialarbeiterinnen bei ihm veranlasst hatte. Seine Informationszugangsbegehren waren von der Behörde zunächst unter Hinweis auf § 24 des Gesundheitsdienstgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (GDG LSA) bzw. § 12 des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger (DSG LSA) abgelehnt worden.
Im Ergebnis musste ich feststellen, dass die Ablehnung des Antrags auf Akteneinsicht rechtlich bedenklich war, da von der Behörde mit § 24 GDG LSA bzw. § 12 DSG LSA nicht die für einen Informationszugangsanspruch in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen nebst der in Betracht zu ziehenden Ausschlussgründe geprüft wurden. Dieser Umstand führte jedoch nicht automatisch dazu, dass die Behörde dem Antrag nun hätte ungeprüft stattgeben dürfen. Vielmehr hätten als Informationszugangsansprüche der Auskunftsanspruch gem. § 15 Abs. 1 DSG LSA und schließlich der für jedermann geltende Informationszugangsanspruch nach § 1 IZG LSA in Betracht gezogen werden müssen (vgl. VG Magdeburg, Urteil vom 4. Februar 2010, Az.: 3 A 139/09; VG Düsseldorf, Urteil vom 1. Oktober 2003, Az.: 7 K 1821/01 zur ähnlichen Rechtslage in Nordrhein-Westfalen). Da nicht zu erkennen war, dass diese Prüfung bisher erfolgt war, habe ich das Gesundheitsamt gebeten, die Prüfung nachzuholen.
Aufgrund meiner Intervention hat das Gesundheitsamt die von mir erbetene Prüfung durchgeführt.
Hinsichtlich des Protokolls über den Hausbesuch sowie den nachfolgenden Schriftverkehr hat die Behörde mitgeteilt, dass sowohl nach § 15 Abs. 1 DSG LSA als auch nach § 1 IZG LSA ein Anspruch auf Akteneinsicht besteht. Sie hat sich entschlossen, dem Petenten nach § 15 Abs. 1 DSG LSA Akteneinsicht zu gewähren, da dieser Anspruch im Gegensatz zu dem Akteneinsichtsanspruch nach dem IZG LSA kostenfrei ist.
Hinsichtlich des Antrags auf Auskunft über den Namen des Informanten ist die Behörde zu dem Ergebnis gekommen, dass sowohl nach § 15 Abs. 1 DSG LSA als auch nach § 1 IZG LSA kein Anspruch auf Auskunft besteht, da im vorliegenden Fall der Informant über die Ausschlussgründe des § 15 Abs. 4 Nr. 3 DSG LSA bzw. des § 3 Abs. 1 Nr. 7 IZG LSA geschützt ist.
Nach § 15 Abs. 4 Nr. 3 DSG LSA unterbleibt die Auskunftserteilung, soweit die Daten ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, sofern dieser der Auskunftserteilung nicht zustimmt, geheim gehalten werden müssen und deswegen das Interesse des Betroffenen an der Auskunftserteilung zurücktreten muss. Die Vorschrift erfordert eine Güterabwägung zwischen dem Interesse an der Geheimhaltung des Informanten und dem Auskunftsinteresse des Betroffenen. Dabei kommt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung dem Interesse an der Geheimhaltung des Behördeninformanten regelmäßig ein höheres Gewicht gegenüber dem Informationsinteresse des Akteneinsichtsbegehrenden zu, sofern keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Informant wider besseres Wissen oder leichtfertig falsche Behauptungen aufgestellt hat (BVerwG NJW 1992, S. 451/452). Sofern ein Informant nicht wider besseres Wissen oder leichtfertig gehandelt hat, entfällt der Informantenschutz daher auch dann nicht, wenn sich die Hinweise auf die Notwendigkeit eines behördlichen Tätigwerdens im Zuge der behördlichen Ermittlungen nicht bewahrheiten sollten (BVerwG, a. a. O., S. 451/452). Neben das grundrechtlich abgesicherte Interesse des Betroffenen an der Geheimhaltung seiner persönlichen Daten tritt im Falle des Informantenschutzes das öffentliche Interesse an der Sicherstellung der behördlichen Aufgabenwahrnehmung. Sind Behörden bei der Erfüllung ihrer Aufgaben auf Angaben Dritter angewiesen, dürfen sie zum Schutz des Informanten dessen Identität geheim halten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Juli 2010, Az.: 20 F 11.10 m. w. N.).
Das Gesundheitsamt hat dargelegt, dass es dem Informanten um die Klärung der Frage gegangen sei, ob in vorliegendem Fall Hilfebedarf bestehe oder gewünscht sei. Die Mitteilung an die Behörde sei nicht leichtfertig, sondern erst nach einer Prüfung des Sachverhalts erfolgt. Der Informant habe erkennbar nicht in der Absicht gehandelt, dem Petenten zu schaden oder ihm Nachteile gleich welcher Art zuzufügen. Die Behörde wies zudem darauf hin, dass sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben auf Hinweise aus der Bevölkerung auf mögliche Gefahren, Missstände oder Gesetzesverletzungen angewiesen sei, die sie nur erhalten würde, wenn der Schutz der Informanten gewährleistet sei. Das Interesse des Informanten an der Wahrung seiner Anonymität überwiege daher das Informationsinteresse. Die Behörde wies ferner darauf hin, dass auch nach § 1 IZG LSA i. V. m. den nachfolgenden Vorschriften des Gesetzes kein Anspruch auf Auskunft über den Namen des Informanten gegeben sei. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 7 IZG LSA bestehe ein Informationszugangsanspruch grundsätzlich nicht bei vertraulich erhobenen oder übermittelten Informationen. Etwas anderes gelte nach der Rechtsprechung nur dann, wenn die Angaben durch den Informanten wider besseres Wissen oder leichtfertig erfolgt seien. Dies sei aus den o. g. Gründen nicht der Fall.
Im Ergebnis habe ich die Auffassung der Behörde geteilt. Insbesondere konnte ich aufgrund des von der Behörde geschilderten Sachverhalts keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass der Informant wider besseres Wissen oder leichtfertig falsche Angaben gemacht hat. Auf den Umstand, dass der Besuch durch das Gesundheitsamt ergab, dass weder Hilfe gewünscht wurde noch Hilfebedarf bestand, kam es nach den oben geschilderten Grundsätzen der Rechtsprechung nicht an. Im Ergebnis überwog daher das Interesse des Informanten an der Wahrung seiner Anonymität das Informationsinteresse des Petenten.