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II. Tä­tig­keits­be­richt des Lan­des­be­auf­trag­ten für die In­for­ma­ti­ons­frei­heit Sachsen-​Anhalt vom 1. Ok­to­ber 2010 bis 30. Sep­tem­ber 2012

7.11 Ein­sicht in Ver­gü­tungs­ver­ein­ba­run­gen nach § 75 SGB XII bei der So­zi­al­agen­tur Sachsen-​Anhalt - Teil II

In mei­nem I. Tä­tig­keits­be­richt zur In­for­ma­ti­ons­frei­heit (Nr. 5.10.) hatte ich über einen An­trag auf Ein­sicht in Un­ter­la­gen über Ver­gü­tungs­ver­ein­ba­run­gen nach § 75 SGB XII bei der So­zi­al­agen­tur Sachsen-​Anhalt be­rich­tet. Die Be­hör­de hatte nach mei­ner Ver­mitt­lung dem An­trag grund­sätz­lich statt­ge­ge­ben. So­weit er sich je­doch auf Un­ter­la­gen bezog, die Auf­schluss über die Ver­hand­lungs­stra­te­gien, Be­rech­nun­gen, Pro­gno­sen und Ver­hand­lungs­me­tho­dik der Be­hör­de etc. geben konn­te, hatte sie ihn zu Recht ab­ge­lehnt. Da die So­zi­al­agen­tur zum Zeit­punkt ihrer Ent­schei­dung wegen des hohen Ak­ten­auf­kom­mens nicht in der Lage war, für alle Un­ter­la­gen das Be­stehen eines In­for­ma­ti­ons­zu­gangs­an­spruchs zu prü­fen, hatte sie den An­spruch suk­zes­si­ve ge­prüft und be­gon­nen, dem Pe­ten­ten schritt­wei­se Ein­sicht in Teile ihrer Akten zu ge­wäh­ren.

Al­ler­dings wand­te sich der Pe­tent dies­mal mit der Bitte an mich, die Durch­füh­rung der suk­zes­si­ven Ge­wäh­rung der Ak­ten­ein­sicht zu über­prü­fen. Er rügte im We­sent­li­chen, dass aus den Hin­weis­blät­tern, die an­stel­le der aus­ge­hef­te­ten Sei­ten zu den Akten ge­nom­men wor­den waren, nicht plau­si­bel her­vor­ge­he, wel­che Aus­schluss­grün­de zur Aus­hef­tung der be­tref­fen­den Sei­ten ge­führt hät­ten. Ins­be­son­de­re sei es nicht nach­voll­zieh­bar, dass In­for­ma­tio­nen aus be­reits ab­ge­schlos­se­nen Wirt­schafts­pe­ri­oden den Ab­schluss zu­künf­ti­ger Ver­gü­tungs­ver­ein­ba­run­gen be­ein­träch­ti­gen könn­ten und daher aus­ge­hef­tet wor­den seien. Fer­ner rügte er, dass ihm keine ord­nungs­ge­mä­ße Ak­ten­ein­sicht ge­währt wor­den sei, da Teile von Sei­ten ein­fach weg­ko­piert wor­den seien.

Ich habe dar­auf­hin die suk­zes­si­ve Ge­wäh­rung der Ak­ten­ein­sicht nach dem IZG LSA durch die So­zi­al­agen­tur Sachsen-​Anhalt einer Prü­fung un­ter­zo­gen. Dabei habe ich u. a. auch eine Kon­trol­le vor Ort durch­ge­führt, um den Ak­ten­in­halt ein­zu­se­hen und mich von dem Vor­lie­gen der von der Be­hör­de an­ge­ge­be­nen Aus­schluss­grün­de zu über­zeu­gen. Dabei habe ich 19 Ak­ten­ord­ner stich­pro­ben­ar­tig kon­trol­liert.

Im ers­ten Teil der Kon­trol­le habe ich an­hand der kon­kre­ten Un­ter­la­gen das Vor­lie­gen der von der So­zi­al­agen­tur gel­tend ge­mach­ten Aus­schluss­grün­de ge­prüft (§§ 3 Abs. 1 Nr. 3 IZG LSA, 3 Abs. 2 IZG LSA). Ich habe die So­zi­al­agen­tur mit Blick auf eine mög­li­cher­wei­se feh­len­de Schutz­wür­dig­keit von Ver­hand­lungs­stra­te­gien, Be­rech­nungs­grund­la­gen, Pro­gno­sen oder Ver­hand­lungs­me­tho­den aus ab­ge­schlos­se­nen Wirt­schafts­pe­ri­oden ge­be­ten, an­hand des Bei­spiels einer Ver­gü­tungs­ver­ein­ba­rung zu zei­gen, dass diese In­for­ma­tio­nen zur Er­fül­lung ihrer Auf­ga­ben auch heute noch be­nö­tigt wer­den, so dass ihre Preis­ga­be so­wohl ihre Auf­ga­ben­er­fül­lung als auch ihre lau­fen­den be­hörd­li­chen Be­ra­tun­gen be­ein­träch­ti­gen kann. Zudem habe ich stich­pro­ben­ar­tig die Recht­mä­ßig­keit der Ent­nah­me ein­zel­ner Sei­ten aus ein­zel­nen Ord­nern über­prüft. Die Kon­trol­le be­schränk­te sich schon aus Grün­den der Zu­stän­dig­keit auf die An­wen­dung des In­for­ma­ti­ons­zu­gangs­rechts. Die An­wen­dung und Aus­le­gung so­zi­al­recht­li­cher Vor­schrif­ten wurde daher nur ge­prüft, so­weit sie für einen In­for­ma­ti­ons­zu­gangs­an­spruch von Be­deu­tung waren. Im zwei­ten Teil habe ich die Durch­füh­rung der Ak­ten­ein­sicht durch die So­zi­al­agen­tur einer Kon­trol­le un­ter­zo­gen.

Die Über­prü­fung des Voll­zugs des Be­scheids der So­zi­al­agen­tur Sachsen-​Anhalt hat er­ge­ben, dass die So­zi­al­agen­tur das IZG LSA grund­sätz­lich zu­tref­fend an­ge­wandt hat.

Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 IZG LSA be­steht ein An­spruch auf In­for­ma­ti­ons­zu­gang nicht, wenn und so­lan­ge die Be­ra­tun­gen von Be­hör­den be­ein­träch­tigt wer­den. Der Be­griff der be­hörd­li­chen Be­ra­tung er­fasst nicht nur die Be­ra­tung zwi­schen ver­schie­de­nen Be­hör­den, son­dern auch die Be­ra­tung in­ner­halb der Be­hör­de selbst (Roth, in Ber­ger/Roth/Scheel, In­for­ma­ti­ons­frei­heits­ge­setz, 2006, § 3 Rn. 104). Die So­zi­al­agen­tur be­fand sich mit dem Pe­ten­ten in ak­tu­el­len Ver­hand­lun­gen über den Ab­schluss neuer Ver­gü­tungs­ver­ein­ba­run­gen. Ge­gen­stand ihrer Be­ra­tung waren dabei die in den Akten ent­hal­ten­den Ver­hand­lungs­stra­te­gien, Be­rech­nungs­grund­la­gen, Pro­gno­sen oder Ver­hand­lungs­me­tho­den. Das gilt nach der über­zeu­gen­den Dar­stel­lung der So­zi­al­agen­tur für sol­che und ähn­li­che In­for­ma­tio­nen aus ab­ge­schlos­se­nen Wirt­schafts­pe­ri­oden, die nach wie vor ak­tu­ell oder aus­sa­ge­kräf­tig sind, weil sich die Be­rech­nung der Ver­gü­tung für die be­trie­be­nen Ein­rich­tun­gen nicht grund­le­gend ge­än­dert hat. Die Be­hör­de ver­weist zu Recht dar­auf, dass in der Ver­gan­gen­heit für den Ab­schluss der Ver­gü­tungs­ver­ein­ba­run­gen keine neuen Be­rech­nun­gen er­stellt wer­den muss­ten, da die Ver­gü­tun­gen bis­her pau­schal er­höht wur­den. Sie konn­te aber auch an­hand kon­kre­ter Bei­spie­le be­le­gen, dass sich die Be­rech­nung ein­zel­ner Po­si­tio­nen bis zum Zeit­punkt der jetzt an­ste­hen­den Neu­ver­hand­lun­gen nicht ver­än­dert hat. Eine Preis­ga­be der Be­rech­nungs­grund­la­gen hätte daher die in­ner­be­hörd­li­chen Be­ra­tun­gen über die zu­künf­ti­ge Vor­ge­hens­wei­se beim Ab­schluss einer Ver­gü­tungs­ver­ein­ba­rung be­ein­träch­ti­gen, mit­hin ob­so­let ma­chen kön­nen. Das Aus­hef­ten der be­tref­fen­den Sei­ten war in­so­fern recht­mä­ßig.

Nach § 3 Abs. 2 IZG LSA soll ein An­trag auf In­for­ma­ti­ons­zu­gang ab­ge­lehnt wer­den, wenn die ord­nungs­ge­mä­ße Er­fül­lung der Auf­ga­be er­heb­lich be­ein­träch­tigt würde, es sei denn, dass das In­ter­es­se an der Ein­sicht­nah­me das ent­ge­gen­ste­hen­de öf­fent­li­che In­ter­es­se im Ein­zel­fall über­wiegt. Nach § 75 Abs. 3 Satz 2 SGB XII hat die So­zi­al­agen­tur als über­ört­li­cher So­zi­al­hil­fe­trä­ger die Auf­ga­be bei dem Ab­schluss in­di­vi­du­el­ler Ver­gü­tungs­ver­ein­ba­run­gen zu ge­währ­leis­ten, dass die Ver­ein­ba­run­gen den Grund­sät­zen der Wirt­schaft­lich­keit, Spar­sam­keit und Leis­tungs­fä­hig­keit ent­spre­chen. Die von der Be­hör­de ent­wi­ckel­ten Ver­hand­lungs­stra­te­gien, Be­rech­nun­gen, Pro­gno­sen und Ver­hand­lungs­me­tho­den die­nen er­sicht­lich der Er­fül­lung die­ser Auf­ga­be. Dies gilt aus den o. g. Er­wä­gun­gen auch für ent­spre­chen­de In­for­ma­tio­nen aus ab­ge­schlos­se­nen Wirt­schafts­pe­ri­oden, da sich die Be­rech­nung der Ver­gü­tung sowie die Ver­hand­lungs­me­tho­dik nicht grund­le­gend ge­än­dert hat. Die So­zi­al­agen­tur konn­te an­hand des Ak­ten­in­halts be­le­gen, dass die Preis­ga­be die­ser In­for­ma­tio­nen dazu füh­ren könn­te, dass sie die ihr nach § 75 Abs. 3 Satz 2 SGB XII ob­lie­gen­de Auf­ga­be, Ver­ein­ba­run­gen zu tref­fen, die den Grund­sät­zen der Wirt­schaft­lich­keit, Spar­sam­keit und Leis­tungs­fä­hig­keit ent­spre­chen, nicht mehr ord­nungs­ge­mäß er­fül­len kann. Bei einer Of­fen­ba­rung die­ser In­for­ma­tio­nen hätte der Pe­tent sich als Ver­hand­lungs­part­ner auf die Ver­hand­lungs­stra­te­gie der Be­hör­de ein­stel­len und die ge­setz­lich vor­ge­ge­be­nen Ziele un­ter­lau­fen kön­nen. Vor die­sem Hin­ter­grund ist auch das In­ter­es­se der Öf­fent­lich­keit an der Wirt­schaft­lich­keit, Spar­sam­keit und Leis­tungs­fä­hig­keit des Ver­gü­tungs­sys­tems höher zu ge­wich­ten als das In­for­ma­ti­ons­in­ter­es­se. Das Aus­hef­ten der be­tref­fen­den Sei­ten war in­so­fern recht­mä­ßig.

In ein­zel­nen Be­rei­chen habe ich je­doch Ver­bes­se­rungs­be­darf er­kannt. Aus den mir vor­ge­leg­ten Un­ter­la­gen ergab sich, dass die So­zi­al­agen­tur im Fall der Ver­wei­ge­rung der Ak­ten­ein­sicht auf einem ge­son­der­ten Blatt ver­merkt hatte, wel­che Sei­ten sie der Akte unter dem all­ge­mei­nen Hin­weis auf den Aus­schluss­grund und das Vor­lie­gen von Ver­hand­lungs­stra­te­gien und Be­rech­nungs­grund­la­gen Pro­gno­sen etc. ent­nom­men hatte. Eine kurze (abs­trak­te) Be­schrei­bung des In­halts der aus­ge­hef­te­ten Sei­ten fehl­te je­doch weit­ge­hend. Ins­be­son­de­re wenn meh­re­re auf­ein­an­der­fol­gen­de Sei­ten aus­ge­hef­tet wur­den, ließ sich der Ge­gen­stand der ent­fern­ten Sei­ten nicht ohne Wei­te­res er­ken­nen. Es ließ sich daher auch nicht nach­voll­zie­hen, ob die Be­hör­de Teil­in­for­ma­ti­ons­zu­gangs­an­sprü­che er­wo­gen und ge­prüft hatte. Im Rah­men der Stich­pro­ben­kon­trol­le habe ich fer­ner fest­ge­stellt, dass die So­zi­al­agen­tur u. a. Zu­ar­bei­ten an­de­rer Be­hör­den au­to­ma­tisch aus­ge­hef­tet hatte. Da diese Un­ter­la­gen auch dem IZG LSA un­ter­fal­len, habe ich die Be­hör­de ge­be­ten, eine Prü­fung für alle in Frage kom­men­den Un­ter­la­gen nach­zu­ho­len. Fer­ner ent­hiel­ten ei­ni­ge Un­ter­la­gen, die dem Pe­ten­ten nicht zu­gäng­lich ge­macht wur­den, neben sen­si­blen In­for­ma­tio­nen auch Ver­wei­se auf Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten und an­de­re nicht sen­si­ble An­ga­ben. Der In­for­ma­ti­ons­zu­gang war in­so­fern ab­ge­lehnt wor­den, ohne einen Teil­an­spruch zu prü­fen. Ich habe die Be­hör­de ge­be­ten, die Prü­fung eines teil­wei­sen In­for­ma­ti­ons­zu­gangs­an­spruchs nach­zu­ho­len. Die So­zi­al­agen­tur hat be­reits im Kon­troll­ter­min zu­ge­sagt, die be­tref­fen­den Un­ter­la­gen er­neut zu prü­fen.

Hin­sicht­lich der von dem Pe­ten­ten ge­rüg­ten Durch­füh­rung der Ak­ten­ein­sicht habe ich fest­ge­stellt, dass ihm Ko­pien vor­ge­legt wur­den, bei denen ge­heim­hal­tungs­be­dürf­ti­ge In­for­ma­tio­nen weg­ko­piert wur­den. Dies ist pro­ble­ma­tisch, da dem Pe­ten­ten kein ori­gi­nal­ge­treu­es Ab­bild der Akte vor­ge­legt wurde. Es lässt sich daher für einen An­trag­stel­ler nicht ohne Wei­te­res nach­voll­zie­hen, wo sich Text, Num­me­rie­run­gen oder Sei­ten­zah­len be­fun­den haben. Bei­spiels­wei­se wur­den im vor­lie­gen­den Fall Num­mern weg­ko­piert, die durch­aus ein­sichts­fä­hig ge­we­sen wären. Da mit Hilfe von ge­schwärz­ten Ko­pien ein ori­gi­nal­ge­treu­es Ab­bild der Akte ge­ge­ben wird, habe ich der Be­hör­de emp­foh­len, zu­künf­tig diese Va­ri­an­te zu wäh­len.

Nach­dem ich in mei­nem I. Tä­tig­keits­be­richt zur In­for­ma­ti­ons­frei­heit die So­zi­al­agen­tur wegen ihres Um­gangs mit dem IZG LSA kri­ti­sie­ren muss­te, kann ich nun­mehr fest­stel­len, dass die Be­hör­de er­heb­li­che An­stren­gun­gen un­ter­nom­men hat, um den An­for­de­run­gen des Ge­set­zes dies­mal ge­recht zu wer­den.