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II. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2010 bis 30. September 2012

6.7.2 Rechtsprechung des OVG Sachsen-Anhalt zum IZG LSA im Verhältnis zum Prüfungsrecht

In meinem I. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit hatte ich darauf hingewiesen, dass es in Sachsen-Anhalt zur Auslegung des Konkurrenzfragen regelnden § 1 Abs. 3 IZG LSA noch keine Rechtsprechung gebe; ich hatte daher den Behörden empfohlen, die Rechtsprechung des OVG Nordrhein-Westfalen (NRW) zu § 1 Abs. 3 IFG, der inhaltlich § 1 Abs. 3 IZG LSA entspricht, heranzuziehen (vgl. Nr. 4.7.1. meines I. Tätigkeitsberichts zur Informationsfreiheit).

Mittlerweile liegt eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt (OVG LSA) zum Informationszugang zu Klausurmusterlösungen des Justizprüfungsamtes Sachsen-Anhalt vor, in der das Gericht einen Anspruch auf Einsicht in die den Prüfern im zweiten Staatsexamen zur Hand gegebenen Prüfervermerke nach dem IZG LSA abgelehnt hat (OVG LSA, Urteil vom 2. November 2011, Az.: 3 L 312/10). Das Gericht hat dabei § 1 Abs. 3 Satz 1 IZG LSA, dem zufolge Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen dem IZG LSA vorgehen, geprüft. Es ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich in dem in § 32 Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Juristen Sachsen-Anhalt (JAPrVO LSA) geregelten Recht des Geprüften auf Einsicht seiner Prüfungsakten um einen solchen vorgehenden Informationszugangsanspruch handele, der den Rückgriff auf den allgemeinen Informationszugangsanspruch des IZG LSA ausschließe. Nicht eindeutig - und deshalb muss sich das Gericht hier eine vorsichtige Kritik gefallen lassen - ist die Begründung des Ergebnisses. Offen bleibt nämlich, ob das Gericht der wohl h. M. zu § 1 Abs. 3 IFG im Bundesrecht folgen will, nach der spezialgesetzliche Regelungen einen Rückgriff auf das allgemeine Informationsfreiheitsgesetz ausschließen, wenn sie abschließend geregelt sind, was erst durch eine Auslegung der Norm ermittelt werden kann (OVG LSA, Urteil vom 2. November 2011, Az.: 3 L 312/10, Rn. 28). Das Urteil des OVG LSA lässt sich aber auch dahingehend interpretieren, dass der Anwendungsbereich des IZG LSA immer gesperrt sein soll, sobald eine spezialgesetzliche Regelung existiert (OVG LSA, Urteil vom 2. November 2011, Az.: 3 L 312/10, Rn. 25). Letztere Interpretation ließe sich jedoch nur schwerlich mit dem Wortlaut des IZG LSA vereinbaren. Diesem zufolge gehen Regelungen in anderen Rechtsvorschriften dem IZG LSA nämlich lediglich vor und schließen seine Anwendbarkeit nicht von vornherein aus.

Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht nachvollziehbar, dass sich das OVG LSA mit der von mir zitierten Rechtsprechung des OVG NRW zu § 1 Abs. 3 IFG Bund nicht auseinandergesetzt hat. Das Gericht hat sich in seinem Urteil einer inhaltlichen Diskussion mit der Argumentation entzogen, dass die Rechtsprechung des OVG NRW zum dortigen Landesrecht ergangen sei, das vom hiesigen Landesrecht abweiche (OVG NRW, Beschluss vom 31. Januar 2005, NJW 2005, 2028). Dabei hat es vollkommen übersehen, dass eine gleichlautende Rechtsprechung des OVG NRW zu dem korrespondierenden § 1 Abs. 3 IFG Bund bereits vorliegt (OVG NRW, Urteil vom 28. Juli 2008, Az.: 8 A 1548/07, RDV 2008, 246).

Inhaltlich lässt sich die Entscheidung des OVG LSA im Übrigen ohne Weiteres vertreten. Interpretiert man § 32 JAPrVO LSA als abschließende Informationszugangsvorschrift, die den Einsichtsanspruch des Prüflings auf die Prüfungsakten als solche beschränkt und Musterlösungen absichtsvoll von jeglichem Einsichtsrecht ausnimmt, kommt eine subsidiäre Anwendung des IZG LSA nicht in Betracht.

Die Praxis steht damit vor der unglücklichen Situation, dass die obergerichtliche Rechtsprechung eine inhaltsgleiche Norm unterschiedlich auszulegen scheint. Es bleibt für Sachsen-Anhalt zu hoffen, dass das OVG LSA seine Rechtsprechung präzisieren wird. Es ist zu erwarten, dass Rechtssicherheit erst mit einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts eintreten wird. Das Beispiel aus der Rechtsprechung zeigt aber, dass sich der Gesetzgeber der Frage des Konkurrenzverhältnisses im Rahmen der Evaluierung noch einmal annehmen und eine klare Regelung treffen sollte.