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II. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2010 bis 30. September 2012

6.6 Einsicht in die Gutachten und Stellungnahmen der wissenschaftlichen Dienste des Bundestags bzw. der Landtage

Gutachten und Stellungnahmen der Gesetzgebungs- und Beratungsdienste des Bundestags bzw. der Landtage spielen in der Praxis eine große Rolle, weil die Parlamentarier diese regelmäßig ihren Entscheidungen zugrunde legen. Kennt man erst einmal die Rechtsposition der wissenschaftlichen Dienste, dann lässt sich in vielen Fällen wesentlich besser verstehen und nachvollziehen, wie etwa ein Gesetz zustande gekommen ist. Dazu muss man allerdings wissen, ob die wissenschaftlichen Dienste sich zu einem Vorgang geäußert haben, sowie Zugang zu dem Dokument erhalten.

Ob und inwieweit ein Informationszugangsanspruch nach den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes bzw. der Länder besteht, ist streitig. Ausgetragen wird der Streit stellvertretend im Bundesrecht. Gegenstand des Streits ist ein Informationszugangsantrag zu einer Ausarbeitung der wissenschaftlichen Dienste des Bundestags mit dem Namen "Die Suche nach außerirdischem Leben und die Umsetzung der VN-Resolution A/33/426 zur Beobachtung unidentifizierter Flugobjekte und extraterrestrischer Lebensformen" sowie ein Antrag auf Informationszugang zu den Arbeiten der wissenschaftlichen Dienste und des Sprachendienstes des Deutschen Bundestags, die der ehemalige Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg für seine Dissertation verwendet hatte.

Beide Informationszugangsanträge hat der Deutsche Bundestag mit der Begründung abgelehnt, das Informationsfreiheitsgesetz gelte für ihn nur, soweit er Verwaltungsaufgaben wahrnehme. Eine solche Tätigkeit liege hier nicht vor, da die wissenschaftlichen Dienste des Bundestags den Abgeordneten zuarbeiteten. Im Übrigen stünden die Arbeiten der wissenschaftlichen Dienste auch unter dem Schutz des geistigen Eigentums. Der Bundestag behalte sich daher sämtliche Rechte an der Veröffentlichung vor.

Auf meine Anregung hat sich der Arbeitskreis der Informationsfreiheitsbeauftragten mit der Thematik befasst. Er ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die wissenschaftlichen Dienste des Bundes- und der Landtage grundsätzlich den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes und der Länder unterfallen, da ihre Tätigkeit Verwaltungshandeln darstelle. Es ist im Übrigen der Bevölkerung auch nicht vermittelbar, dass mit Steuergeldern erstellte Gutachten unter Verschluss bleiben sollen, z. B. weil das Ergebnis dem Auftraggeber nicht genehm ist. Dieses Recht steht schließlich nach den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes und der Länder auch nicht den anderen öffentlichen Stellen des Landes zu, die - wie z. B. § 4 Abs. 1 Satz 2 IZG LSA zeigt - die von ihnen in Auftrag gegebenen Gutachten im Normalfall preisgeben müssen.

Vor diesem Hintergrund sind die Entscheidungen des VG Berlin, nach der die Gutachten der wissenschaftlichen Dienste grundsätzlich einsehbar sind, zu begrüßen (VG Berlin, Urteil vom 1. Dezember 2011, Az.: 2 K 91.11 zu dem sog. UFO-Gutachten sowie VG Berlin, Urteil vom 14. September 2012, Az.: 2 K 185.11 zur Dissertation des ehemaligen Bundesverteidigungsministers).

Das Gericht hat zutreffend darauf verwiesen, dass die Erstellung von Gutachten erst die Grundlage für die spätere parlamentarische Arbeit bildete und diese somit nicht schon selbst als parlamentarische Arbeit qualifiziert werden könnte. Auch formell entscheide über die Veröffentlichung nicht der Abgeordnete oder das Parlament, sondern die Bundestagsverwaltung. Damit liege auch aus formellen Gründen eine Verwaltungstätigkeit vor. Auch das geistige Eigentum stünde einer Einsicht in die Gutachten nicht entgegen. Die Urteile des VG Berlin sind allerdings noch nicht rechtskräftig.

Da das IZG LSA mit dem IFG des Bundes korrespondiert, hat der Ausgang des Rechtsstreits natürlich auch Signalwirkung für Sachsen-Anhalt. Was die Veröffentlichung von Gutachten und Stellungnahmen der wissenschaftlichen Dienste anbelangt, ist der Bund allerdings trotz des geschilderten Sachverhalts einen Schritt weiter. Während der Deutsche Bundestag Gutachten der wissenschaftlichen Dienste veröffentlicht, an denen er ein Öffentlichkeitsinteresse vermutet, bleiben Gutachten und Stellungnahmen des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes in Sachsen-Anhalt weitgehend unveröffentlicht.

Mit Blick auf die Bedeutung der Gutachten und Stellungnahmen des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes wäre es ein erheblicher Fortschritt, wenn entsprechende Unterlagen, zumindest zu wichtigen politischen Themen, an denen erkennbar ein Öffentlichkeitsinteresse besteht, der Öffentlichkeit auch ohne konkreten Antrag zur Verfügung gestellt würden. Eine solche proaktive Veröffentlichung wäre nach § 11 Abs. 3 IZG LSA ohne Weiteres möglich (vgl. auch Nr. 5.6.3).