V. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2016 bis 30. September 2018
13.11 Einsicht im Schulverwaltungsverfahren – Vertretungsbefugnisse eines Rechtsanwalts
Ein Rechtsanwalt hatte mir anlässlich eines Informationszugangsverfahrens mitgeteilt, dass das Landesschulamt unter Berufung auf eine Entscheidung des VG Düsseldorf (Urteil vom 14. April 2010, Az.: 18 K 4441/09) die Auffassung vertreten habe, eine Vertretung eines Schülers oder seiner Erziehungsberechtigten durch einen Rechtsanwalt sei gem. § 2 Abs. 3 Nr. 3 VwVfG LSA i. V. m. § 14 VwVfG des Bundes im Verwaltungsverfahren an Schulen nicht zulässig. Eine Vertretung komme erst im gerichtlichen Vorverfahren in Betracht, da hierfür die Einschränkung des § 2 Abs. 3 Nr. 3 VwVfG LSA nicht gelte. Diese Rechtsauffassung habe das Landesschulamt auch auf das IZG LSA übertragen. Der Rechtsanwalt hatte mich daraufhin um eine Prüfung der Rechtslage gebeten.
Durch einen Antrag auf Informationszugang wird ein eigenständiges Verwaltungsverfahren eingeleitet, so dass die Vorschriften des VwVfG LSA Anwendung finden, sofern das IZG LSA – insbesondere in den §§ 7 bis 9 IZG LSA – keine spezielleren Verwaltungsvorschriften enthält (vgl. Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, Vorbemerkung §§ 7 bis 9, Rn. 2 zum korrespondierenden Bundesrecht). Da das IZG LSA keine speziellen Regelungen über die Vertretung eines Antragstellers durch einen Bevollmächtigten trifft, ist ein Rückgriff auf die allgemeinen Regelungen des VwVfG LSA grundsätzlich möglich.
§ 2 Abs. 3 Nr. 3 VwVfG LSA bestimmt, dass § 14 VwVfG des Bundes, demzufolge sich ein Antragsteller durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen kann, für die Tätigkeit der Schulen nicht gilt. Fraglich ist, ob sich die Regelung mit § 3 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) vereinbaren lässt, wonach jedermann im Rahmen der geltenden Gesetze das Recht hat, sich in Rechtsangelegenheiten aller Art durch einen Rechtsanwalt seiner Wahl beraten und vor Behörden vertreten zu lassen.
Das VG Düsseldorf hat in der vergleichbaren Regelung im nordrhein-westfälischen Landesrecht keine unzulässige Beschränkung des § 3 Abs. 3 BRAO gesehen. Das Schulwesen und das dazugehörige Verwaltungsverfahrensrecht lägen in der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder. Weil der Bund hier keine Gesetzgebungskompetenz besitze, komme der Grundsatz aus Art. 31 GG, dass Bundesrecht Landesrecht breche, nicht zur Anwendung. Vielmehr sei § 3 BRAO selbst verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass er für die Tätigkeit der Schulen nicht gelte. In der Kommentarliteratur zur BRAO wird diese Auffassung nicht bestritten, sondern darauf verwiesen, dass § 3 BRAO eine gesetzliche Regelung voraussetze, nach der sich der Betroffene auch vertreten lassen dürfe („im Rahmen der geltenden Gesetze“, stellvertretend für andere Feuerich/Weyland/Vosseberger, BRAO, 8. Auflage 2012, § 3 Rn. 23).
Nach § 2 Abs. 3 VwVfG LSA i. V. m. § 14 VwVfG des Bundes entfällt eine Vertretungsbefugnis für die Tätigkeit der Schulen. In der Kommentarliteratur wird hinsichtlich der entsprechenden landesrechtlichen Regelungen die Auffassung vertreten, dass der Ausschluss nur für Fragen des inneren Schulbetriebs, nicht jedoch für Fragen der äußeren Schulorganisation gelten könne (Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 1. Aufl. 2014, § 14 Rn. 20). Für eine entsprechende restriktive Auslegung des Wortlauts spricht auch die Gesetzesbegründung zum Entwurf des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt. Die Aufnahme dieser Ausnahme in das VwVfG LSA wurde hier mit der Besonderheit der Tätigkeit der Schulen begründet. Als Beispiele, für die sie eingeführt wurde, werden neben Eignungs- und Leistungsbeurteilungen insbesondere auch Aufnahmeentscheidungen und Ordnungsmaßnahmen genannt (LT-Drs. 1/2578, Begründung S. 6).
Es ließe sich zwar diskutieren, ob Schulen auch im Anwendungsbereich des IZG LSA besonders behandelt werden müssen. Nach der Rechtsprechung handelt es sich bei dem Verwaltungsverfahren nach dem IZG LSA jedenfalls um ein eigenständiges Verwaltungsverfahren, das unabhängig von jeglichen anderen Verwaltungsverfahren, also auch von einem Schulverwaltungsverfahren, durchgeführt wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 2012, Az.: 7 B 53/11 für das Verhältnis des IFG des Bundes zur AO). Die Schule wird also nicht in einem Schulverwaltungsverfahren des schulischen Innenbetriebs tätig, an das bei der Regelung des § 2 Abs. 3 VwVfG LSA gedacht wurde. Auch werden Schulen im Anwendungsbereich des IZG LSA grundsätzlich wie jede andere öffentliche Stelle behandelt. Insbesondere sind für sie keine besonderen Ausschlussgründe geschaffen worden.
Es lässt sich aber nicht ganz von der Hand weisen, dass Informationszugangsbegehren zu Eignungs- und Leistungsbeurteilungen und zu schulischen Ordnungsmaßnahmen gerade den Bereich betreffen, für den der Gesetzgeber eine besondere Tätigkeit der Schulen angenommen und bewusst eine Vertretungsmöglichkeit durch Rechtsanwälte ausgeschlossen hat. Ich habe daher die am Wortlaut des § 2 Abs. 3 VwVfG LSA orientierte Argumentation des Landesschulamts – unabhängig von der Frage, ob der Ausschluss entsprechender Vertretungsmöglichkeiten wegen der zunehmenden Verrechtlichung des schulischen Bereichs noch zeitgemäß oder verfassungsrechtlich bedenklich ist – auch im Bereich des IZG LSA für vertretbar gehalten.
Letztendlich könnte die Rechtslage abschließend nur durch eine gerichtliche Entscheidung geklärt werden.