V. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2016 bis 30. September 2018
11.2 Transparenz im Rahmen politischer Entscheidungsprozesse – Verpflichtendes Lobbyregister einführen
Bei den Stellungnahmen der Experten geht es nicht nur um deren Inhalte, sondern auch darum, wer auf ein Vorhaben Einfluss nehmen will bzw. nahm. Die Bürgerinnen und Bürger sollten aber wissen, wer im Laufe des Entstehungsprozesses an der Formulierung eines Gesetzentwurfs beteiligt war und wer in wessen Auftrag und mit welchen Mitteln auf politische Entscheidungen einzuwirken versucht.
Die parlamentarische Demokratie lebt von der offenen und deshalb öffentlichen Diskussion verschiedener, oftmals unterschiedlicher Interessen, die im Rahmen der Gesetzgebung von den Parlamentsmitgliedern gegeneinander abgewogen werden müssen. Angesichts der Komplexität der sozialen und wirtschaftlichen Realität und der Regelungsmaterien kann es im demokratischen Willensbildungsprozess oftmals hilfreich sein, auf die Expertise von unterschiedlichen Personen, Gruppierungen und Beteiligten aus Gesellschaft und Wirtschaft zurückgreifen zu können. Die Art und Weise einer solchen Einflussnahme muss jedoch transparent sein.
Aus Sicht der Informationsfreiheitsbeauftragten in Deutschland ist es daher geboten, verpflichtend Register einzuführen, in die Informationen über Interessenvertretungen und deren Aktivitäten einzutragen sind. Darin sind mindestens die Namen der natürlichen und juristischen Personen unter Angabe ihrer Organisationsform, der Schwerpunkt der inhaltlichen oder beruflichen Tätigkeit und zumindest die wesentlichen Inhalte des Beitrags zum jeweiligen Gesetzgebungsverfahren zu veröffentlichen. Die damit hergestellte Transparenz stärkt das Vertrauen der Menschen in die Politik, ermöglicht demokratische Kontrolle und erhöht die Akzeptanz politischer – insbesondere gesetzgeberischer – Entscheidungen.
In ihrer Entschließung „Transparenz im Rahmen politischer Entscheidungsprozesse – Verpflichtendes Lobbyregister einführen“ vom 12. Juni 2019 in Saarbrücken (Anlage 9) fordert die Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten den Bundes- und die Landesgesetzgeber deshalb dazu auf, gesetzliche Rahmenbedingungen zur Einführung eines verpflichtenden Lobbyregisters zu verabschieden. Dies kann beispielsweise in Anlehnung an das Thüringer Beteiligtentransparenzdokumentationsgesetz (GVBl. Thüringen 2019, Nr. 1, S. 1 ff.) erfolgen.
In Sachsen-Anhalt ist ein Lobbyregister zwar in § 86b der Geschäftsordnung des Landtages von Sachsen-Anhalt sowie der dazugehörigen Anlage geregelt. Eine klare gesetzliche Verankerung fehlt jedoch. Das Lobbyregister gibt außerdem nur Aufschluss darüber, welcher Verband vom Landtag im Rahmen einer Anhörung beteiligt werden könnte. Hierzu enthält es u. a. Angaben über den Bereich, in dem der Verband tätig ist, sowie Kommunikations- und Funktionsträgerdaten. Die Bürgerinnen und Bürger können dem Register also nur entnehmen, welcher Verband beteiligungsfähig ist und mit welchen Kommunikationsmitteln er zu erreichen ist. Es liegt nahe, dass sie auch wissen möchten, für wen der Verband in welcher Angelegenheit konkret Einfluss genommen und welche Positionen er in einem Gesetzgebungsverfahren vertreten hat. Diese wesentlich relevanteren Informationen enthält das Register jedoch nicht.
Vor diesem Hintergrund halte ich eine Verbesserung des Landesrechts für überlegenswert. Ich habe daher angeregt, die Vorschläge der Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten in die Beratungen der Parlamentsreformkommission mit einzubeziehen.