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IV. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informations­freiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2014 bis 30. September 2016

16.9 Zugang zu den Geschäftsverteilungsplänen der Gerichte

Aus dem in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG geregelten Recht auf den gesetzlichen Richter ergibt sich, dass für Rechtsstreitigkeiten und Prozesse bereits im Voraus bestimmt sein muss, welches Gericht und welcher Richter zuständig ist. Vor diesem Hintergrund ist der Zugang zu den Geschäftsverteilungsplänen der Gerichte von überragender Bedeutung, da diese Auskunft darüber geben, welcher Spruchkörper in welcher Besetzung für einen Fall zuständig ist.

In dem von mir zu prüfenden Fall hatte ein Antragsteller ein Amtsgericht um die Übersendung des richterlichen Geschäftsverteilungsplans gebeten. Das Gericht hatte das Begehren mangels Darlegung eines berechtigten Interesses abgelehnt. Das IZG LSA, das jedermann unabhängig von der Geltendmachung eines berechtigten Interesses einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen gewährt, schien das Gericht als mögliche Anspruchsgrundlage nicht in Betracht gezogen zu haben.

In rechtlicher Hinsicht hat sich mir nicht ohne Weiteres erschlossen, warum das Begehren nicht als Antrag nach dem IZG LSA behandelt wurde. Das Verfahren auf Zugang zu amtlichen Informationen nach dem IZG LSA stellt nämlich ein eigenständiges Verwaltungsverfahren dar, das durch einen Antrag eingeleitet wird, der grundsätzlich formlos gestellt werden kann und auch nicht explizit als solcher bezeichnet werden muss (vgl. Schoch, IFG, 2. Auflage 2016, § 7 Rn. 15 zum korrespondierenden Bundesrecht). Bei Vorliegen eines Informationszugangsanspruchs nach dem IZG LSA würde sich auch die vom Antragsteller gewünschte Rechtsfolge ergeben. Ein Anspruch auf die Übersendung der begehrten Informationen in Kopie ergibt sich regelmäßig aus § 7 Abs. 5 IZG LSA.

Gegenüber dem Gericht habe ich aber auch angeregt, das Verhältnis des Informationszugangsanspruchs aus § 1 Abs. 1 IZG LSA zum Einsichtsrecht für jedermann aus § 21e Abs. 9 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG), das in dem ablehnenden Schreiben ebenfalls nicht erwähnt wurde, zu prüfen. Da nach § 1 Abs. 3 IZG LSA Informationszugangsregelungen in anderen Rechtsvorschriften dem IZG LSA vorgehen, hätte das Gericht zumindest eruieren müssen, ob es sich bei § 21e Abs. 9 GVG um eine vorrangige Informationszugangsregelung handelt.

Gem. § 21e Abs. 9 GVG ist nämlich der Geschäftsverteilungsplan des Gerichts in der von dem Präsidenten oder aufsichtführenden Richter bestimmten Geschäftsstelle des Gerichts zur Einsichtnahme aufzulegen; einer Veröffentlichung bedarf es nicht. Nach der Kommentarliteratur handelt es sich um eine mindere Form der Veröffentlichung, die es jedermann ermöglicht, sich ohne Darlegung eines Interesses ungehindert über die Besetzung des Gerichts und die Aufgabenverteilung zu informieren (Kissel/Mayer, GVG, 8. Auflage 2015, § 21e Rn. 75). Über den aufgelegten Plan ist generell auf Antrag auch Auskunft zu geben, sofern dem Antragsteller eine Einsichtnahme nicht möglich oder nicht zuzumuten ist (Kissel/Mayer, a. a. O.) Ein Anspruch auf Übersendung eines Geschäftsverteilungsplans soll laut OLG Frankfurt aber nicht bestehen (OLG Frankfurt am Main, NStZ-RR 2006, 2008). In dieser Entscheidung wurde aber das Verhältnis des § 21e Abs. 9 GVG zum Informationsfreiheitsrecht nicht geprüft, da Hessen, im Gegensatz etwa zu Sachsen-Anhalt, kein Informationsfreiheitsgesetz besitzt. Da viele Gerichte in der Praxis ihre Geschäftsverteilungspläne veröffentlichen – so z. B. das OVG Magdeburg oder das VG Magdeburg – drängt sich der Gedanke, dass § 21e Abs. 9 GVG Sperrwirkung für das IZG LSA entfalten sollte, jedenfalls nicht zwingend auf. Das OVG Berlin-Brandenburg hat für das Land Berlin einen Anspruch auf Zugang zu den Geschäftsverteilungsplänen der Gerichte nach dem dortigen Informationsfreiheitsgesetz grundsätzlich bejaht (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. Januar 2011, Az.: OVG 12 B 69.07).

In meinem Fall hat mir das Amtsgericht in seiner Stellungnahme, ohne eine echte inhaltliche Auseinandersetzung in der Sache, schließlich mitgeteilt, dass es § 21e Abs. 9 GVG als vorrangige Informationszugangsregelung betrachte.

Es wird angeregt, dass die Gerichte dem Vorbild des OVG Magdeburg oder des VG Magdeburg folgen und zukünftig ihre Geschäftsverteilungspläne bürgerfreundlich im Internet veröffentlichen.