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III. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt
vom 1. Oktober 2012 bis 30. September 2014

1 Einführung

Die Rechte auf gute Verwaltung und Zugang zu amtlichen Informationen sind so elementar, dass sie die EU in die 2009 in Kraft getretene EU-Grundrechte-Charta als eigenständige, nebeneinander bestehende Grundrechte aufgenommen hat (Art. 41 und 42). Man würde vermuten, dass sie sich auch in der Landesverfassung Sachsen-Anhalts wiederfinden müssten. Doch vergleichbare Regelungen fehlen. Haben die Sachsen-Anhalter daher kein verfassungsrechtlich verbürgtes Anrecht auf eine gute Verwaltung und freien Informationszugang? Sicherlich kann man die beiden Rechte auch als Ausprägungen des Rechtsstaats-, des Demokratieprinzips oder einzelner Grundrechte interpretieren. Wäre es aber nicht zeitgemäß und zudem ein viel überzeugenderes Signal an die Menschen, nach dem Vorbild der EU ein verfassungsrechtlich verbrieftes Grundrecht auf gute Verwaltung und Transparenz in die Landesverfassung aufzunehmen?

Mit dem Inkrafttreten des Informationszugangsgesetzes Sachsen-Anhalt (IZG LSA) am 1. Oktober 2008 wurde ein Kulturwandel zu einer offenen, transparenten Landesverwaltung eingeleitet. In meinen beiden ersten Tätigkeitsberichten hatte ich bereits darauf verwiesen, dass die Verwaltung damit transparent, aber nicht gläsern wird. Denn Transparenz ist kein Selbstzweck. Sie soll vielmehr das Verwaltungshandeln nachvollziehbar machen, eine bürgerschaftliche Kontrolle der Verwaltung ermöglichen, die Bekämpfung der Korruption unterstützen sowie die Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger am demokratischen Meinungsbildungsprozess fördern, um nur einige wesentliche Aspekte zu nennen. Dass sensible Informationen, wie personenbezogene Daten oder Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse oder staatliche Sicherheitsbelange, geschützt bleiben und es somit nur um eine limitierte, d. h. begrenzte Transparenz gehen kann, ist eine Selbstverständlichkeit, die nicht besonders erwähnt werden muss.

Dabei ist es eine Aufgabe des Gesetzgebers, einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Spannungsfeld der Informationsfreiheit und den vom Geheimhaltungsinteresse umfassten schützenswerten Gütern zu schaffen. Dies ist dem Landesgesetzgeber, der sich insoweit am Bundesrecht orientiert hat, jedoch nur bedingt gelungen. Bisher sind in Sachsen-Anhalt wie im korrespondierenden Bundesrecht die Ausschlussgründe überwiegend starr und unflexibel geregelt. Teile der Verwaltung, wie z. B. die Steuerverwaltung oder der Verfassungsschutz, werden privilegiert, indem sie vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen werden. Eine Güterabwägung zwischen dem Informationsinteresse der Allgemeinheit und dem Interesse an der Geheimhaltung schützenswerter Belange findet nicht statt, da dies in den meisten Ausschlussgründen nicht vorgesehen ist.

Das führt in der Praxis zu absurden oder unlogischen Ergebnissen. Drei ausgewählte Beispiele möchte ich hier nennen. Erstens: Gegenüber der Steuerverwaltung besteht nach dem IZG LSA nicht einmal ein Anspruch auf Herausgabe von Gesetzestexten oder Verwaltungsvorschriften. Auch darf der Steuerpflichtige nicht in seine eigene Akte schauen. Zweitens: Der Verfassungsschutz ist wiederum vom Anwendungsbereich vollkommen ausgenommen, obwohl z. B. sein Jahresbericht, sein Organigramm oder seine Haushaltsdaten zum Teil öffentlich sind. 80% seiner Informationen gewinnt der Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt nach eigenen Angaben aus öffentlichen, allgemein zugänglichen Informationen, die folglich auch nicht geheim sind. Nach dem IZG LSA bekommt ein Antragsteller jedoch nichts. Drittens: Generell nicht nachvollziehbar ist es, dass der Zugang zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im Umwelt- und Verbraucherinformationsrecht von einer Güterabwägung abhängig ist, während im allgemeinen Informationsfreiheitsrecht auf diese verzichtet und damit das Geheimhaltungsinteresse des Unternehmers ohne sachlichen Grund dem Informationsinteresse der Allgemeinheit vorgezogen wird.

Deshalb halte ich es auch für außerordentlich wichtig, dass im IZG LSA, besser noch in einem ihm nachfolgenden modernen Transparenzgesetz, diese Privilegien und Ausnahmen aufgehoben werden. Im Sinne einer limitierten Transparenz bleiben sensible Informationen weiterhin geschützt. Wichtiger ist m. E. die Verankerung eines gesetzlichen Abwägungsgebots zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem entgegenstehenden Belang. Damit wird kein Vorrang des Informationsinteresses festgelegt, vielmehr wird die Behörde zu einer Güterabwägung im Einzelfall verpflichtet. Anzumerken ist übrigens, dass auch beim Akteneinsichtsanspruch nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz oder dem Auskunftsanspruch nach dem Presserecht bereits heute – nicht bei allen Ausschlussgründen, aber doch dem Grundsatz nach – eine Güterabwägung vorgesehen ist. Es sind im Wesentlichen also die Bürgerinnen und Bürger, die ausgerechnet im allgemeinen Informationsfreiheitsrecht schlechter gestellt werden.

Der von mir eingangs genannte Kulturwandel bedeutet nicht nur, dass der individuelle Zugang zu Informationen verbessert wird, sondern zwingt die Behörden auch dazu, ihre Akten ordnungsgemäß zu führen und ihre Entscheidungen nachvollziehbar zu begründen. Teil des Kulturwandels ist vor allem, dass die öffentlichen Stellen die bei ihnen vorhandenen öffentlichen Informationen von sich aus der Bevölkerung unentgeltlich und anonym, gebündelt an einer Stelle im Internet, z. B. auf einer Transparenzplattform, zur Verfügung stellen. Es handelt sich – wie die Landesregierung zutreffend feststellt – um eine Serviceleistung einer modernen Verwaltung. Der Ausbau des Landesportals zu einem Informationsregister, den die Landesregierung im Masterplan 2014 bis 2016 beschlossen hat, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Er reicht aber nicht aus, da hier die Landesregierung nur die aus ihrer Sicht relevanten, von ihr interpretierten Informationen und keine Rohdaten, wie es das IZG LSA verlangt, zur Verfügung stellt.

Open Data und Open Government sind Ausfluss des Demokratieprinzips, denn die Teilhabe am demokratischen Meinungsbildungsprozess setzt voraus, dass der Staat seine Entscheidungsgrundlagen seinen Bürgerinnen und Bürgern umfassend und rechtzeitig zur Verfügung stellt, damit diese als Vertretene auf den Entscheidungsprozess ihrer Volksvertreter noch Einfluss nehmen können. Der Staat und letztendlich auch die Politik haben insofern eine Bringschuld.

Auch wenn der digitale Wandel der Verwaltung etwas Prozesshaftes hat: Das E Government-Gesetz des Bundes, die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs in der Justiz, das neue Informationsweiterverwendungsrecht nebst den Regierungsprogrammen der Bundesregierung „Digitale Agenda 2014 bis 2017“, „Digitale Verwaltung 2020“ sowie der nationale Aktionsplan zur Umsetzung der G8-Open-Data-Charta zwingen auch die Länder zum Handeln. Rechtliche und politische Vorentscheidungen sind in Sachsen-Anhalt schon gefallen, denn die Einführung eines Landes-E-Government-Gesetzes sowie der elektronischen Akte sind in den Umsetzungsplan zur IT-Strategie des Landes „Sachsen-Anhalt digital 2020“ aufgenommen worden. Die Behörden müssen sich daher – unabhängig von einer Reform des Informationsfreiheitsrechts – darauf einstellen, dass Auskunft und Akteneinsicht in elektronischer Form erfolgen werden. Informationen werden nicht mehr in Papierform, sondern medienbruchfrei in offenen maschinenlesbaren Formaten entweder auf individuellen Antrag oder proaktiv der Allgemeinheit auf einer Online-Plattform zur Verfügung gestellt werden.

Nach § 12 Abs. 3 IZG LSA i. V. m. § 22 Abs. 4a Satz 1 bis 3 des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger (DSG LSA) erstattet der Landesbeauftragte für die Informationsfreiheit dem Landtag alle zwei Jahre einen Tätigkeitsbericht, zu dem die Landesregierung Stellung nimmt. Er dient der Unterrichtung des Landtages und enthält Materialien und Empfehlungen für die Novellierung des Informationsfreiheitsrechts in Sachsen-Anhalt unter Einbeziehung des Zwischenstands der Evaluierung des IZG LSA. Darüber hinaus bezweckt er die Information der Behörden und Bürgerinnen und Bürger.