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II. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2010 bis 30. September 2012

6.3 Regierungshandeln unterfällt der Informationsfreiheit

In den Berichtszeitraum fielen auch zwei Grundsatzentscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zum Zugang zu Informationen über die Vorbereitung und Begleitung von Gesetzesvorhaben bzw. zum Zugang zu Stellungnahmen der Bundesministerien in Petitionsverfahren, die wegen ihrer hohen Bedeutung für die Praxis in Bund und Ländern mit Spannung erwartet worden waren (vgl. auch Nr. 6.5 dieses Tätigkeitsberichts).

In beiden Konstellationen hatte das um Informationszugang ersuchte Bundesministerium der Justiz die Informationszugangsanträge mit dem Argument abgelehnt, das IFG des Bundes fände auf die Bundesministerien nur Anwendung, soweit sie als Teil der Verwaltung handelten. Bei der Gesetzesvorbereitung oder der Abgabe von Stellungnahmen für den Petitionsausschuss handelten die Bundesministerien aber als Teil der Regierung und somit als Verfassungsorgane. Die Tätigkeit von Verfassungsorganen sei aber vom Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes ausgenommen.

Das Bundesverwaltungsgericht ist dieser Argumentation mit einer überzeugenden Begründung nicht gefolgt. Eine Unterscheidung zwischen der Verwaltungs- und der Regierungstätigkeit eines Ministeriums gehe aus dem IFG nicht hervor und sei auch nach dem Gesetzeszweck nicht gerechtfertigt. Das Informationsfreiheitsgesetz wolle die demokratischen Beteiligungsrechte der Bürger durch die Verbesserung der Informationszugangsrechte stärken und vor allem auf der Grundlage der so vermittelten Erkenntnisse der Meinungs- und Willensbildung in der Demokratie dienen. Dieser Zweck werde nur unvollkommen gefördert, wenn gerade der Bereich der Vorbereitung und Durchführung grundlegender Weichenstellungen für das Gemeinwesen vom Geltungsbereich des Gesetzes ausgenommen wird (BVerwG, Urteil vom 3. November 2011, DVBl. 2012, 176). Im Einklang mit der allgemeinen Zielsetzung des Gesetzes sei der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass nicht nur die alltägliche insbesondere der Anwendung des Gesetzes dienende Verwaltungstätigkeit, sondern gerade der Bereich des Regierungshandelns grundsätzlich dem Gesetz unterfallen sollte und sich Ausnahmen - unter Prüfung der gesetzlich vorgesehenen Informationsversagungsgründe - rechtfertigen lassen müssten. Auch schließe die parlamentarische Kontrolle der Verwaltung, die den demokratischen Verantwortungszusammenhang gegenüber der Regierung herstelle, eine Kontrolle durch die öffentliche Meinung, die auf fundierte Informationen angewiesen sei, nicht aus. Das Recht des Bürgers auf Teilhabe an der politischen Willensbildung beschränke sich nämlich nicht auf den Wahlakt, sondern bestünde auch in der Einflussnahme auf den ständigen Prozess der politischen Meinungsbildung (BVerwG, a. a. O.).

Das Bundesverwaltungsgericht hat daher sowohl in diesem ersten Fall, in dem ein Interessent Einsicht in Unterlagen des Bundesjustizministeriums zur Frage der Reformbedürftigkeit des Kindschaftsrechts begehrt hatte, als auch im zweiten Fall, in dem der Kläger Zugang zu Stellungnahmen des gleichen Hauses, die dieses in zwei Petitionsverfahren gegenüber dem Bundestag abgegeben hatte (siehe Nr. 6.5), einen Informationszugangsanspruch im Regelfall bejaht.

Die zentrale Botschaft lautet daher: Regierungshandeln unterfällt grundsätzlich den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes und der Länder und ist diesen nicht von vornherein entzogen. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Regierungstätigkeit dadurch gläsern wäre. Der notwendige Schutz des Regierungshandelns erfolgt vielmehr über die Informationsversagungsgründe der Informationsfreiheitsgesetze, die nach der Rechtsprechung ein hohes Schutzniveau begründen. Beispielsweise sind danach die Beratungen der Ministerien, der behördliche Entscheidungsprozess, aber auch der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung der Regierung grundsätzlich vor Informationszugängen geschützt.