II. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2010 bis 30. September 2012
5.4.1 Ressortumfrage des Innenministeriums zur Änderung der IZG LSA KostVO
In meinem I. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit (Nr. 7.4.) hatte ich kritisiert, dass Sachsen-Anhalt mit einem Gebührenrahmen von 0 Euro bis 1.000 Euro, u. U. sogar 2.000 Euro, im Vergleich zum Bund oder zu den Bundesländern eine der teuersten Gebührenordnungen habe. Im Vergleich dazu betragen die Gebühren im Bund für erfolgreiche Informationszugangsbegehren maximal 500 Euro. Im Falle der Ablehnung eines Antrags besteht Kostenfreiheit (Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, 2009, § 10 Rn. 37). Ich hatte daher vorgeschlagen, den Informationszugang grundsätzlich kostenfrei zu gewähren und nur bei aufwendigen Anfragen einen Kostenausgleich vorzusehen. In der Pressemitteilung der Staatskanzlei vom 7. Juni 2011 hat die Landesregierung eine derartige Regelung abgelehnt, eine Überprüfung der Gebührenhöhe jedoch in Aussicht gestellt.
In der Tat hat das Innenministerium im Wege einer Ressortumfrage bei den Ministerien des Landes Sachsen-Anhalt, dem Landesverwaltungsamt, dem Landesrechnungshof, den Landkreisen und den kommunalen Spitzenverbänden eine Überprüfung der Gebührenhöhe eingeleitet. Es hat den angeschriebenen Stellen folgende Vorschläge für eine kurzfristige Änderung der IZG LSA KostVO zur Stellungnahme übersandt:
- Der Sternchenvermerk zu den Gebührentatbeständen Nr. 1 bis 3 des Teiles A der IZG LSA KostVO wird dahingehend konkretisiert, dass die Voraussetzungen für das Absehen von einer Gebührenerhebung wegen Geringfügigkeit des Aufwandes grundsätzlich gegeben sind, wenn im Einzelfall der Aufwand für die Gewährung des Informationszugangs weniger als eine Viertelstunde beträgt oder der Aufwand für die Kostenfestsetzung höher als für die Gewährung des Informationszugangs ist.
Alternativ könnten die Eingangsgebührensätze zu den Gebührentatbeständen Nr. 1 bis 3 des Teiles A der IZG LSA KostVO von 0 auf 20 Euro angehoben und der Sternchenvermerk zu den Gebührentatbeständen wie folgt gefasst werden: "Bemessung nach dem jeweils angefallenen Zeitaufwand. § 3 der Allgemeinen Gebührenordnung des Landes Sachsen-Anhalt findet entsprechend Anwendung. Eine Gebühr ist nicht zu erheben, wenn der Aufwand im Einzelfall unter 20 Euro liegt." - Die Höchstgebührensätze nach den Gebührentatbeständen Nr. 1 bis 3 des Teiles A der IZG LSA KostVO für die Erteilung von Auskünften (bisher 1000 Euro), die Akteneinsicht auch in maschinenlesbare oder verfilmte Unterlagen (bisher 1000 Euro) und die Zur-Verfügung-Stellung von Informationen in sonstiger Weise (bisher 2000 Euro) werden jeweils auf die Hälfte reduziert. Für die Änderung spricht zum Einen, dass damit die Höchstgebühren für die Gewährung des Informationszugangs auf dem Niveau der Gebührenregelungen des Bundes und der meisten anderen Länder mit Informationsfreiheitsgesetzen lägen. Zum anderen sind in der Vergangenheit die Gebührenhöchstsätze regelmäßig nicht ausgeschöpft worden.
- Anstelle des Änderungsvorschlages unter 2. könnte auch erwogen werden, die Höchstgebührensätze nach den Gebührentatbeständen Nr. 1 bis 3 des Teiles A der IZG LSA KostVO jeweils auf ein Viertel zu reduzieren, wenn im Gegenzug bestimmt würde, dass in besonders aufwendigen Verfahren Gebühren ohne Betragsbegrenzung bis zur Höhe des tatsächlichen Aufwandes erhoben werden. Als besonders aufwendig wären alle Verfahren auf Informationszugangsgewährung einzustufen, die in Fällen der bisherigen Gebührentatbestände Nr. 1 und 2 einen Aufwand von mehr als 250 Euro und In Fällen des bisherigen Gebührentatbestandes Nr. 3 einen Aufwand von mehr als 500 Euro verursachen.
Die Einleitung einer grundsätzlichen Überprüfung der Gebührenhöhe durch das Innenministerium, um in der Übergangsphase bis zu einer Evaluierung des Gesetzes eine Gebührensenkung zu erreichen, habe ich natürlich begrüßt. In meiner Stellungnahme habe ich allerdings darauf hingewiesen, dass die Vorschläge optimiert werden könnten.
So ist z. B. hinsichtlich des in Ziff. 1 genannten Vorschlags, der eine Kostenfreiheit für ein Antragsbearbeitung innerhalb einer Viertelstunde vorsieht, zu befürchten, dass in der Praxis innerhalb dieses Zeitrahmens nicht einmal eine kursorische Prüfung des Akteninhalts auf seine Zugänglichkeit erfolgt sein wird, da schon das Suchen und Holen der Akte den angedachten Zeitraum in Anspruch nehmen kann. Aus meiner Sicht erscheint es sinnvoll, von der Erhebung einer Gebühr wegen Geringfügigkeit abzusehen, wenn im Einzelfall der Aufwand für die Gewährung des Informationszugangs weniger als eine halbe Stunde beträgt, da in einfachen Fällen in diesem Zeitraum eine Prüfung des Akteninhalts nebst einer Entscheidung über den Akteninhalt möglich sein sollte.
Auch der Alternativvorschlag, dass eine Gebühr nicht erhoben werden sollte, wenn der Verwaltungsaufwand im Einzelfall unter 20 Euro liegt, reicht nicht aus. Dabei sollte jedoch berücksichtigt werden, dass in der Praxis diese Grenze regelmäßig überschritten werden dürfte, weil in einfach gelagerten Fällen die Prüfung und insbesondere das Erstellen eines Gebührenbescheids diesen Verwaltungsaufwand übersteigen wird. Gerade weil das Abfassen des Gebührenbescheids zu den ebenfalls kostenpflichtigen Vorgängen gehört, sollte eine Gebühr im Einzelfall nicht erhoben werden, wenn der Aufwand für die Informationszugangsgewährung unter 50 Euro liegt.
Hätte sich dieser Vorschlag durchgesetzt, dann hätten nach meiner Auffassung die Eingangsgebührensätze zu den Gebührentatbeständen Nr. 1 bis 3 zusätzlich (und nicht lediglich alternativ) auf 50 Euro angehoben werden müssen. Aus meiner Sicht hätte in dem Änderungsentwurf ferner berücksichtigt werden müssen, dass im Bundesrecht wie auch in vielen anderen Bundesländern erfolglose Informationszugangsanträge kostenfrei sind (vgl. stellvertretend für andere § 11 Abs. 1 Satz 2 IFG NRW). Sachsen-Anhalt hätte sich dann dieser Rechtslage anpassen müssen. Ich hatte daher folgende Ergänzung des Sternchenvermerks vorgeschlagen: "Auf Antrag kann von der Erhebung von Gebühren und Auslagen aus Gründen der Billigkeit oder des öffentlichen Interesses ganz oder teilweise abgesehen werden. Im Falle der Erfolglosigkeit des Antrags soll von der Erhebung von Gebühren abgesehen werden."
Den Vorschlag in Ziff. 3 habe ich abgelehnt, da er im Verhältnis zur gegenwärtigen Rechtslage sogar zu einer Verschlechterung der Position des Bürgers führen dürfte, da er eine Höchstgrenze für die Erhebung von Gebühren nicht vorsieht. Wird die Schwelle von 250 Euro überschritten, muss der Antragsteller den angefallenen Verwaltungsaufwand voll vergüten. Nach den von meinem Hause gemachten Erfahrungen ist ein Verwaltungsaufwand von mehr als 250 Euro schnell erreicht. Gehört der Sachbearbeiter der in § 3 Abs. 1 Nr. 3 AllGO LSA genannten Kategorie an, ist die 250 Euro-Schwelle regelmäßig schon überschritten, wenn die Prüfung des Antrags mehr als fünf Stunden dauert. Eine entsprechend lange Prüfung ist, insbesondere bei Behörden, die mit der Materie noch nicht vertraut sind, durchaus üblich.
Im Ergebnis habe ich daher den Vorschlag in Ziff. 2 befürwortet, da er eine verbindliche Obergrenze für die Gebühren festlegt, da er den bisherigen Gebührensatz auf die Hälfte begrenzt hätte. Aus meiner Sicht wäre dieser Vorschlag wegen der nicht verwirklichten Kostenfreiheit zwar nicht optimal, aber doch ein erheblicher Fortschritt gewesen, der mit dazu hätte beitragen kann, dass die Bürgerinnen und Bürger ihre Rechte vermehrt in Anspruch nehmen könnten.
Die Initiative des Innenministeriums ist jedoch leider ins Stocken geraten. Ein Großteil der befragten Stellen konnte sich im Rahmen der Umfrage durchaus eine Anpassung des Gebührenrahmens auf den Bundesdurchschnitt und damit eine Senkung des Gebührenrahmens auf 500 Euro vorstellen. Beispielsweise hatte die Staatskanzlei gegen die Reduzierung der Höchstgebührensätze um die Hälfte keine Bedenken. Der Landesrechnungshof vertrat sogar die Auffassung, dass es derzeit keine hinreichende Rechtsgrundlage für die Erhebung von Gebühren bei der Ablehnung von Informationszugangsanträgen gebe. Die von einer Gebührensenkung insbesondere betroffenen Gemeinden und Landkreise, die kommunalen Spitzenverbände sowie das Finanzministerium standen einer kurzfristigen Änderung des Gebührenrechts dagegen eher ablehnend gegenüber. Sie würden es vorziehen, wenn der Gesetzgeber eine Entscheidung über die Gebühren erst nach Abschluss der Evaluierung des Gesetzes treffen würde.
Nach einer Würdigung gerade der letzten Stellungnahmen hat das Innenministerium die von ihm unterbreiteten Vorschläge in der jetzigen Fassung nicht mehr für realisierbar gehalten. Nach einem Gespräch auf Arbeitsebene im Juni 2012 mit meinem Haus wollte das Innenministerium einen Kompromissvorschlag erarbeiten, demzufolge der Gebührenrahmen der IZG LSA KostVO auf eine Höhe von 500 Euro beschränkt werden soll, aber in besonderen Ausnahmefällen auch höhere Gebühren verlangt werden können. Die Arbeiten an dem Entwurf einer modifizierten IZG LSA KostVO waren bis Ende des Jahres 2012 noch nicht abgeschlossen.
Eine Lösung, die eine grundsätzliche Kostenfreiheit vorsieht, halte ich nach wie vor für vorzugswürdig, da die Höhe der Gebühren viele Bürgerinnen und Bürger von der Antragstellung abhält. Eine grundsätzliche Kostenfreiheit ist, wie das neue Verbraucherinformationsgesetz oder das Gutachten zur Evaluierung des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes zeigen, auch rechtlich machbar. Die derzeitige Pattsituation in Sachsen-Anhalt scheint im Moment nur der Gesetzgeber selbst auflösen zu können, indem er den Rahmen für die Höhe der Gebühren - wie z. B. im VIG geschehen - selbst regelt.