II. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2010 bis 30. September 2012
3.4 Die Hygiene-Ampel - kommt sie nun oder nicht?
Unter Nr. 3.7.1. meines I. Tätigkeitsberichts hatte ich ebenfalls dargestellt, dass das VIG nach der wohl h. M. die Einführung eines Smiley-Systems erlaubt, bei dem das Ergebnis der Lebensmittelkontrolle von Gaststätten über Smiley-Symbole als amtliches Gütesiegel angezeigt werden.
Da allerdings nicht abschließend geklärt war, ob der damals hierzu herangezogene § 5 VIG (neu: § 6 VIG) tatsächlich als Rechtsgrundlage für eine Veröffentlichung der Kontrollergebnisse ausreiche, sollte das Smiley-System auf eine sichere rechtliche Basis gestellt werden. Hierzu sollte eine bundeseinheitliche Regelung geschaffen werden. Nachdem sich die Politik der Sache angenommen hatte, wurde aus dem Smiley eine Hygiene-Ampel. Die Ergebnisse der Lebensmittelkontrolle sollten also durch ein Ampelsystem mit den Farben Grün für Sauberkeit, Gelb und Rot für Beanstandungen angezeigt werden. Die Einführung der Hygiene-Ampel als solcher blieb zwischen den Verbraucherschutz- und den Wirtschaftsministerien jedoch strittig. Während die Verbraucherschutzministerien darauf verweisen können, dass die Hygiene-Ampel schwarze Schafe entlarven, für eine höhere Lebensmittelsicherheit sorgen und so den Verbraucher besser schützen wird, befürchten die Wirtschaftsministerien, dass einzelne Unternehmen an den Pranger gestellt werden könnten. Auf einem Treffen der Gemeinsamen Arbeitsgruppe der Wirtschaftsministerkonferenz (WMK) und der Verbraucherschutzministerkonferenz (VSMK) am 11. Mai 2012 machten die Vertreter der WMK deutlich, dass die Einführung der Hygiene-Ampel nur auf freiwilliger Basis mitgetragen werde; der einzelne Unternehmer müsse entscheiden können, ob er die ihn betreffenden Kontrollergebnisse bekannt machen wolle (vgl. Drs. 20/5423 der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, 24 kByte). Der Einführungsprozess schien daraufhin ins Stocken geraten zu sein. Am 14. September 2012 bat jedoch die VSMK den Bund, zeitnah die Rechtsgrundlagen einschließlich der Gestaltung für ein bundeseinheitliches Modell zur Transparentmachung der Kontrollergebnisse von Lebensmittelunternehmen zu schaffen (Beschluss der 8. VSMK vom 14. September 2012 in Hamburg). Dabei sollen
- der Aushang der Kontrollergebnisse für die Lebensmittelunternehmer freiwillig sein,
- eine Ermächtigungsgrundlage geschaffen werden, mit der die Länder das System verpflichtend einführen können,
- nach Ablauf von drei Jahren eine Evaluierung und ggf. Optimierung des Transparenzsystems stattfinden.
Anschließend solle darüber entschieden werden, ob das Transparenzsystem bundesrechtlich verpflichtend gemacht werden könne.
Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) hatte bereits im Vorfeld der 8. VSMK erklärt, die letzten Bedenken für die Einführung der Hygiene-Ampel ausräumen zu wollen. In der Vergangenheit sei von einigen Bundesländern die Auffassung vertreten worden, der Bund habe die Frage der Verbraucherinformation abschließend geregelt, so dass die Gesetzgebungskompetenz der Länder für weitergehende landesrechtliche Regelungen gesperrt sei. Diese Bedenken werde der Bund nunmehr durch eine klarstellende Regelung im LFGB endgültig ausräumen. Der betreffende § 40 LFGB werde um einen neuen Absatz 6 dahingehend erweitert werden, dass die Länder ausdrücklich weitergehende Regelungen zur Information der Verbraucher über die Ergebnisse der amtlichen Kontrollen von Betrieben treffen könnten. Solche Regelungen seien nach der Rechtsauffassung des Bundes zwar auch schon bisher möglich gewesen, mit der geplanten Rechtsänderung werde aber noch einmal ausdrücklich klargestellt, dass Bundesrecht den Ländern nicht im Weg stehe, wenn sie Regelungen für ein verpflichtendes Kontrollbarometer schaffen wollten.
Das Gesetzesvorhaben ist allerdings aufgrund von Vorbehalten des Bundeswirtschaftsministeriums erneut stecken geblieben. Damit bleibt auch fraglich, ob die Länder zu einer einheitlichen Praxis kommen.
Sachsen-Anhalt hatte im Rahmen des Dialogs mit dem BMELV zur Evaluierung des VIG sowie bei der Verbraucherschutzministerkonferenz für die Einführung des Smiley-Systems plädiert, sofern hierfür der notwendige rechtliche Rahmen geschaffen sei. Der Minister für Arbeit und Soziales hat sich für die Einführung des Hygiene-Barometers ausgesprochen. Eine Pflicht zur Veröffentlichung des Barometers solle es aber nicht geben. Vielmehr soll der Gastwirt entscheiden können, ob er das Ergebnis der Kontrolle öffentlich macht. Mittelfristig sei auch an eine Pflicht zur Veröffentlichung der Ergebnisse zu denken. Das Vorhaben stößt allerdings in der Hotel- und Gastronomiebranche auf Kritik, da die Kontrolleure im Land nicht für Kontrollen aller Anbieter der Branche ausreichten. Auch seien Nachkontrollen oft nicht kurzfristig möglich.
Das System der doppelten Freiwilligkeit - freiwillige Einführung der Hygiene-Ampel im Land, freiwillige Veröffentlichung des Kontrollergebnisses durch den kontrollierten Betrieb - erscheint rechtlich nicht tragfähig zu sein. Nach der Neuregelung des VIG hat jedermann einen Anspruch auf Zugang zu den Kontrollergebnissen der Lebensmittelbehörden, weil es sich bei diesen Informationen nicht mehr um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse handelt, vgl. § 3 Satz 4 Nr. 3 VIG. Die Ergebnisse der Kontrolle und damit auch das Ergebnis der Ampel-Prüfung sind nach dem VIG folglich jedermann zugänglich. Es dürfte sich damit in letzter Konsequenz nicht verhindern lassen, dass sie auch veröffentlicht werden.