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II. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2010 bis 30. September 2012

3.3.1 Stellungnahme der IFK - eine erste Bewertung des Gesetzes

Der Novellierung des Verbraucherinformationsgesetzes war zunächst eine Evaluierung des Gesetzes vorhergegangen. Dazu hatte die Bundesregierung drei umfangreiche wissenschaftliche Studien zur Evaluierung des VIG in Auftrag gegeben. Diese untersuchten u. a. die Veränderung der Informationskultur der für die Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung zuständigen Behörden durch das Inkrafttreten des VIG, die Anwendungserfahrungen mit dem VIG und verglichen das Verbraucherinformationsrecht in Deutschland mit anderen ausgewählten Ländern. Die Gutachten kamen dabei zu dem Ergebnis, dass sich das VIG grundsätzlich bewährt habe und das erreichte Verbraucherschutzniveau einem internationalen Vergleich stand halte. Sie sahen dabei aber in zahlreichen Bereichen des Gesetzes Verbesserungsmöglichkeiten und gaben umfangreiche Empfehlungen für Rechtsänderungen (BT-Drs. 17/1800).

Da die Bundesregierung der Auffassung war, dass ein Transparenzgesetz wie das VIG auch in transparenter Form evaluiert werden sollte und daher die wissenschaftlichen Studien sowie den darauf aufbauenden Evaluationsbericht einer breiten Fachöffentlichkeit zur Verfügung stellen wollte, hat sie nach dem Vorbild der Europäischen Kommission einen offenen und transparenten Dialogprozess über Möglichkeiten für eine Optimierung des bestehenden Rechtsrahmens sowie der Verwaltungspraxis initiiert. Sie hat dabei den betroffenen Akteuren aus Politik, Ländern, Wirtschafts- und Verbraucherverbänden sowie der sonstigen interessierten (Fach-)Öffentlichkeit Gelegenheit gegeben, im Rahmen einer dreimonatigen Dialogphase zu den Ergebnissen der wissenschaftlichen Evaluationsstudien Stellung zu nehmen. Gefragt wurde nach nicht-legislativen Optionen zur Verbesserung des Gesetzes, zu Möglichkeiten der Systematisierung des Informationszugangsrechts, zur Schaffung eines Rechts auf Zugang zu Unternehmensinformationen, zu Optimierungsmöglichkeiten des Gesetzes wie z. B. der gesetzlichen Definition des Begriffes der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses oder des Rechtsverstoßes sowie zu einer proaktiven Information der Öffentlichkeit. Bemerkenswert ist insbesondere, dass u. a. die Frage aufgeworfen wurde, ob ein Modellgesetz geschaffen werden solle, in dem die verschiedenen Informationsfreiheitsgesetze zusammengefasst werden sollten, statt dessen kurzfristig der Anwendungsbereich des VIG optimiert werden sollte oder ob die beiden Ansätze kombiniert werden sollten (kurzfristige Verbesserung mit anschließender mittelfristiger Zusammenlegung der Informationsfreiheitsgesetze).

Die Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten hat im Rahmen dieses Dialogs zur Evaluierung im Jahr 2010 Stellung genommen. Sie sah sich durch die Ergebnisse der Studien in vielen Punkten bestätigt, die sie bereits als Verbesserungsvorschläge bei Erlass des VIG bereits gemacht hatte (vgl. Entschließung vom 26. Juni 2006 "Verbraucherinformationsgesetz nachbessern"). Sie sprach sich ferner für eine Zusammenführung von IFG, UIG und VIG in einem Modellgesetz aus, regte u. a. die Ausweitung des Anwendungsbereiches des Gesetzes, die Optimierung des Drittbeteiligungsverfahrens, die Schaffung einer Legaldefinition von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, die Senkung der Gebühren sowie die Einführung einer allgemeinen Abwägungsklausel, nach der Ausschlussgründe mit dem Informationsinteresse abzuwägen sind, an.

Nach Abschluss und Auswertung des Dialogs hat das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz einen Referentenentwurf vorgelegt, der im Internet zur Anhörung freigegeben wurde, an der sich die Konferenz ebenfalls beteiligt hat. Positiv fiel auf, dass der Entwurf viele Anregungen der Informationsfreiheitsbeauftragten zur einfacheren und schnelleren Gewährung des Informationszugangs im Ergebnis aufgegriffen hat. Das zeigt sich u. a. darin, dass Anträge wie im allgemeinen Informationszugangsrecht nunmehr auch per E-Mail gestellt werden können oder dass die Anhörungsfristen für Dritte, wie in Sachsen-Anhalt mit dem VIG AG LSA bereits geschehen, verkürzt wurden.

Bedauerlich ist allerdings, dass sich die Bundesregierung, obwohl dies im Koalitionsvertrag für die 17. Legislaturperiode vorgesehen war, nicht dafür entscheiden konnte, schon jetzt die Informationsfreiheitsgesetze in einem einheitlichen Gesetz zusammenzuführen. Stattdessen hat sie sich entschieden, den Anwendungsbereich des VIG zu erweitern und das Gesetz zu optimieren. Über eine mittel- oder langfristige Zusammenlegung der Gesetze wurde keine Entscheidung getroffen, da u. a. auch die Evaluierung des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes abgewartet wurde. Ich halte eine Vereinheitlichung der verschiedenen Informationszugangsregelungen nach wie vor für dringend erforderlich.

Mit dem Erlass des neuen Verbraucherinformationsrechts wurden jedoch nicht alle sich bietenden Chancen genutzt. Dazu gehört nicht nur die fehlende Vereinheitlichung der Informationsfreiheitsgesetze. Unglücklich ist auch, dass dem Antragsteller zwar ein Recht auf Informationszugang, aber kein ausdrückliches Recht auf Kopien zugestanden wurde. Ein großes Manko besteht darin, dass durch die zahlreichen Ergänzungen die Verständlichkeit des Gesetzes erheblich gelitten hat. Allein der "Mammutparagraph" § 3 VIG, der die Ausschlussgründe regelt, dürfte sowohl den Behörden als auch den Bürgerinnen und Bürgern erhebliche Schwierigkeiten bei der Auslegung bereiten. Es steht zu befürchten, dass der normale Bürger ohne die Hinzuziehung von juristischem Sachverstand mit dem Gesetz nicht zurechtkommt.

Vor diesem Hintergrund ist es überaus bedauerlich, dass der Gesetzgeber letztendlich davon abgesehen hat, die Zuständigkeit der Informationsfreiheitsbeauftragten des Bundes bzw. der Länder auf den Bereich des VIG zu erstrecken, obwohl dies in einem ersten Referentenentwurf des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz noch vorgesehen war. Die entsprechende Regelung wurde im Zuge der Ressortabstimmung wieder gestrichen, nachdem der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit darauf hingewiesen hatte, dass diese sehr begrüßenswerte Aufgabenerweiterung einen gewissen Personalmehrbedarf für seine Dienststelle auslösen würde. Im parlamentarischen Verfahren hatte er sich an die zuständigen Bundestagsausschüsse gewandt und gebeten, für die Wiederaufnahme der Aufgabenübertragung einzutreten. Dabei hatte er sogar seine Bereitschaft erklärt, die Aufgabe für den Bereich des VIG auch ohne zusätzliche Personalmittel zu übernehmen, sofern der tatsächliche Aufwand nach einer bestimmten Frist überprüft werde. Dieser Vorschlag fand, was aus meiner Sicht sehr bedauerlich ist, jedoch keine Zustimmung. Nach meinem Dafürhalten fehlt damit eine vermittelnde Stelle, an die sich ein Antragsteller im Zweifelsfall wenden kann.

Im Zuge der Novellierung des VIG wurden auch die Veröffentlichungspflichten der Behörden nach dem LFGB noch einmal verschärft. Nach dem neuen § 40 Abs. 1a LFGB informiert die zuständige Behörde die Öffentlichkeit auch unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist. Voraussetzung ist dafür, dass der durch Tatsachen, im Falle von Proben nach § 39 Abs. 1 Satz 2 LFGB auf der Grundlage mindestens zweier unabhängiger Untersuchungen von Stellen nach Artikel 12 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004, hinreichend begründete Verdacht besteht, dass erstens in Vorschriften im Anwendungsbereich des LFGB festgelegte zulässige Grenzwerte, Höchstgehalte oder Höchstmengen überschritten wurden oder zweitens gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich des LFGB, die dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens dreihundertfünfzig Euro zu erwarten ist.

Ross und Reiter, d. h. das verantwortliche Unternehmen zu nennen, hatte auch die IFK in ihrer Stellungnahme zur Evaluation des Verbraucherinformationsgesetzes gefordert.  § 40 Abs. 1a LFGB regelt aber nicht die Art der Veröffentlichung, also insbesondere nicht die Veröffentlichung der Informationen im Internet. Hier hatte die IFK mit Blick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu den Agrarsubventionen (C-92/09 und C-93/09), nach der bei Veröffentlichungen personenbezogener Daten im Internet insbesondere die Verhältnismäßigkeit zu beachten ist, eine spezielle Regelung für die Veröffentlichung von personenbezogenen Händlerdaten im Internet angeregt. Es stellt sich nämlich die Frage, ob wirklich jeder Einzelhändler, der im Rahmen der Vertriebskette ein Lebensmittel i. S. d. § 40 Abs. 1a LFGB in den Verkehr gebracht hat, im Internet genannt werden muss. Daher hatte die Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten vorgeschlagen, nach der Größe der betroffenen Händler oder nach der Schwere des Rechtsverstoßes zu differenzieren. Leider hat der Gesetzgeber diesen Vorschlag nicht aufgegriffen. Wie die Behörden in der Praxis zukünftig mit diesen Fällen umgehen, bleibt abzuwarten. Anders als in anderen Ländern fehlt in Sachsen-Anhalt überhaupt eine Internetplattform.