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II. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2010 bis 30. September 2012

2.2 Keine Verschlechterung der EU-Transparenzverordnung

Bisher wenig bekannt ist, dass in Art. 42 EU-Grundrechtecharta ein Grundrecht auf Zugang zu Dokumenten der Europäischen Union geregelt ist. Nach dieser Vorschrift haben die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder satzungsmäßigem Sitz in einem Mitgliedstaat das Recht auf Zugang zu den Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission. Die Einzelheiten über den Zugang zu den Dokumenten der EU regelt die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission, die als sog. EU-Transparenzverordnung bezeichnet wird (vgl. auch meinen I. Tätigkeitsbericht, Nr. 2.3.1.). Noch weniger bekannt ist, dass dieses Recht auf Zugang auch gegenüber den Mitgliedstaaten geltend gemacht werden kann, sofern sich das EU-Dokument bei einer Behörde des Mitgliedstaates befindet, so Art. 5 der EU-Transparenzverordnung. Der Zugang zu einem solchen Dokument kann daher auch in Deutschland, z. B. bei einer sachsen-anhaltischen Behörde, beantragt werden.

Mit Besorgnis hat daher die Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten in Deutschland zur Kenntnis genommen, dass genau diese EU-Transparenzverordnung von der dänischen EU-Ratspräsidentschaft im Jahre 2012 in Frage gestellt wurde. Bereits im Jahre 2008 hatte die Europäische Kommission mannigfaltige Vorschläge zu einer drastischen Einschränkung des Zugangs zu europäischen Dokumenten vorgelegt, deren Folge eine massive Reduzierung der gebotenen Transparenz des Handelns europäischer Institutionen gewesen wäre (vgl. Entschließung der Informationsfreiheitsbeauftragten in Deutschland vom 30. Juni 2008). Das Europäische Parlament forderte daraufhin zwar eine Stärkung der Informationsfreiheit, doch arbeiten die Mitgliedstaaten derzeit daran, genau das zu verhindern. Doch das "Kompromisspapier" der dänischen Ratspräsidentschaft sah zuletzt vor, das Zugangsrecht zu Akten der Institutionen der Europäischen Union deutlich einzuschränken. Während bislang alle Arten von Inhalten der Informationsfreiheit unterfallen, sollten zukünftig nur "formell übermittelte" Dossiers öffentlich einzusehen sein. Damit wären der Öffentlichkeit sämtliche Entwürfe oder Diskussionspapiere des Rats, der Kommission und des Parlaments vorenthalten. Dies würde auch Vertragsverletzungsverfahren, Wettbewerbs- und Kartellverfahren betreffen, die von hohem öffentlichem Interesse sind.

Die Konferenz hat daher die Ausnahme einzelner europäischer Institutionen von der Transparenzpflicht abgelehnt. Sie ist dafür eingetreten, dass insbesondere die Europäische Zentralbank und die Europäische Investitionsbank nicht nur hinsichtlich ihrer Verwaltungstätigkeiten auf mehr Transparenz verpflichtet werden. Sie hat die Bundesregierung in einer Entschließung gebeten, sich im Europäischen Rat für mehr Transparenz einzusetzen, damit Verwaltung und Politik auf der Ebene der Europäischen Union nicht in bürokratische Geheimniskrämerei zurückfallen (Anlage 11).

Im Juni 2012 wurde bekannt, dass die dänische EU-Ratspräsidentschaft ihr Vorhaben zurückgezogen habe, nachdem einige Mitgliedstaaten den publik gewordenen Entwurf abgewiesen hatten.