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I. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2008 bis 30. September 2010

7.4. Eine erste zusammenfassende Bewertung des IZG LSA

Zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes kann ich feststellen, dass viele Menschen ein erfreuliches Interesse am freien Zugang zu amtlichen Informationen der öffentlichen Stellen des Landes gezeigt haben. Die neuen Rechte haben sich grundsätzlich bewährt. Die Bürgerinnen und Bürger haben Informationen erhalten, die sie nach der alten Rechtslage nicht oder nicht in der gewünschten Form bekommen hätten. Bei den meisten Begehren spielen die Nachvollziehbarkeit des Verwaltungshandelns und die bürgerschaftliche Kontrolle der Verwaltung eine Rolle. Bei der Bearbeitung der Anfragen und Eingaben wird deutlich, dass viele Antragsteller wissen möchten, ob die Behörde eine richtige Entscheidung getroffen hat. Es zeigt sich, dass viele Bedenken abgebaut werden können, wenn Behörden durch die Öffnung ihrer Akten nachvollziehbar darlegen können, aufgrund welcher Sach- und Rechtslage sie zu dem von ihnen gefundenen Ergebnis gekommen sind. Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern, aber auch von Behörden verdeutlichen außerdem, dass viele Menschen mit Hilfe des IZG LSA auf noch laufende Behördenentscheidungen Einfluss nehmen möchten. Sie begehren z.B. bei der Aufstellung eines Bebauungsplans Einsicht in ein Gutachten zur Rechtmäßigkeit eines städtischen Bebauungsplans oder Einsicht in Unterlagen zur geplanten Errichtung von Windkraftanlagen. Werde ich um Rechtsrat gebeten, erfahre ich das Ergebnis der behördlichen Entscheidung nicht mehr. Diese Anfragen sind für mich jedoch ein Indiz dafür, dass sich die Bürger informieren und bei Entscheidungen mitreden wollen.

Allerdings musste ich feststellen, dass in Sachsen-Anhalt - ebenso wie in anderen Bundesländern - viele Bürgerinnen und Bürger ihre neuen Rechte noch gar nicht kennen und daher nicht nutzen. Viele Menschen wissen schlichtweg nicht, dass es Informationsfreiheits-, Umweltinformationsgesetze und sogar ein Verbraucherinformationsgesetz gibt. Schon deshalb ist in Sachsen-Anhalt ein Ansturm auf Behörden ausgeblieben, zu einer Überlastung der Behörden ist es nicht gekommen.

Auch wird das IZG LSA von den Bürgerinnen und Bürgern, die ihre Rechte kennen, eher mit Bedacht geltend gemacht. Dazu hat sicherlich auch beigetragen, dass der Informationszugang gebührenpflichtig ist. Die Kostenverordnung zum IZG LSA, die die Kosten für die Durchführung des IZG LSA regelt, enthält die teuersten Gebührensätze in ganz Deutschland. Während im Bundesrecht die Höchstgrenze für die Erteilung von Informationen nach der Informationsgebührenverordnung bei 500,- Euro liegt, beträgt in Sachsen-Anhalt die Höchstgrenze für einen erfolgreichen Antrag für die Informationszugangsgewährung in Form von Auskunft und Akteneinsicht 1.000,- Euro bzw. bei Informationszugangsgewährung in sonstiger Weise sogar 2.000,- Euro. Es liegt meines Erachtens auf der Hand, dass viele Informationsbegehren nicht gestellt werden, weil sich die Betreffenden die Frage stellen, ob sie sich die Kosten für die Information leisten wollen. Bezahlen muss ein Antragsteller zwar nur den tatsächlich angefallenen Verwaltungsaufwand. Die Anfragen und Eingaben zeigen jedoch, dass viele Antragsteller die Gebühren selbst dann noch für zu hoch halten. Da der hohe Gebührenrahmen der IZG LSA KostVO sicherlich bezweckt, die der Verwaltung bei besonders umfangreichen Anträgen entstehenden Kosten zu ersetzen, wäre ein Lösungsvorschlag, nach britischem Vorbild eine grundsätzliche Kostenfreiheit des Informationszugangs einzuführen, bei gleichzeitiger voller Kostenpflichtigkeit besonders aufwändiger Anfragen.

Die Verwaltung hat sich auf die neue Rechtslage zumeist gut eingestellt. Die Nachfrage nach Fortbildungsveranstaltungen durch mich war gerade im ersten Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes außergewöhnlich hoch. Eingaben von Bürgerinnen und Bürgern sowie Anfragen von Behördenmitarbeitern zeigen jedoch einige Probleme bei der praktischen Umsetzung des Gesetzes auf. Problematisch ist insbesondere das Konkurrenzverhältnis des IZG LSA zu anderen Informationszugangsvorschriften. Spätestens im Rahmen der Evaluierung des Gesetzes sollte nach dem Vorbild des Forschungsvorhabens NRW zur Vereinheitlichung der Informationsfreiheitsgesetze geprüft werden, ob die verschiedenen Informationsfreiheitsgesetze auf Landesebene zusammengelegt und die Zahl der spezielleren Zugangsvorschriften zugunsten einer Anwendbarkeit des IZG LSA verringert werden könnte.

Informationszugangsbegehren scheiterten im Wesentlichen daran, dass die begehrten Informationen nicht vorhanden waren oder ein Ausschlussgrund vorlag. Als häufigste Ausschlussgründe sind dabei der Schutz der behördlichen Beratungen, der Schutz besonderer Amtsgeheimnisse sowie der Schutz personenbezogener Daten zu nennen. Im Gegensatz zu den Erfahrungen anderer Bundesländer spielte der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen eine geringere Rolle. Im Ergebnis lässt sich daher feststellen, dass das Gesetz durch die zahlreichen Ausschlussgründe der §§ 3 bis 6, 9 Abs. 2 IZG LSA ein hohes Schutzniveau besitzt. Gerade unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten wird die neu geschaffene Transparenz daher nicht dazu führen, dass das Vertrauen in die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung beeinträchtigt wird, denn der Gesetzgeber hat dafür Sorge getragen, dass sensible Daten geschützt bleiben.

Langfristig gesehen dürfte die mit dem IZG LSA einhergehende Verwirklichung von Transparenz  mit einer Verbesserung der Verwaltungsorganisation sowie einer Verwaltungsmodernisierung verbunden sein. Durch eine aktive Informationspolitik kann der behördliche Aufwand für die Beratung des Bürgers und die Anzahl von Informationsanträgen erheblich gesenkt werden. Es ist daher weiter zu erwarten, dass Behörden zukünftig Informationen, bei denen sie ein Öffentlichkeitsinteresse vermuten, nach Maßgabe des IZG LSA der Allgemeinheit zugänglich machen werden.

Für die Zukunft hoffe ich, dass das Gesetz zur Steigerung des freien Einblicks in das Handeln der Verwaltung bei den Bürgerinnen und Bürgern noch bekannter wird, damit sie in Zukunft noch stärker davon Gebrauch machen. Die neue Verwaltungskultur, bei der das Prinzip der Amtsverschwiegenheit zugunsten von mehr Bürgernähe aufgegeben wird, wird auch durch die modernen Medien unterstützt. Eine transparente, wenn auch nicht gläserne Verwaltung ist eine Voraussetzung für bürgerschaftliches Engagement und die Teilhabe des Einzelnen an der Entwicklung des demokratischen Gemeinwesens. Kontrolle und Mitsprache führen zu Vertrauen, so dass auch die Behörden weiter gehalten sind, durch aktive Informationspolitik dazu beizutragen.