I. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2008 bis 30. September 2010
5.6. Weitergabe von Adressdaten
Im vorliegenden Fall hatte mich eine Stadt um Stellungnahme gebeten, ob ein privater Verlag nach dem IZG LSA einen Anspruch auf Weitergabe der bei dem Gesundheitsamt gespeicherten Praxis-/Dienstanschrift und Telefonnummern der in der Stadt tätigen Ärzte, Apotheker und Heilberufler habe. Sie erkundigte sich insbesondere danach, ob ein solcher Antrag mangels überwiegenden Informationsinteresses des Antragstellers gem. § 5 Abs. 1 IZG LSA abgelehnt werden könne.
Die Weitergabe von Adressdaten war zuletzt Gegenstand der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Urteil vom 07. Oktober 2008 - Az.: 5 BV 07.2162). Dieser hatte zwei grundsätzliche Bedenken gegen die Berechtigung einer allgemeinen gewerblichen Adressenabfrage im Gewand eines Antrags auf Informationszugang geltend gemacht: Er verwies zum einen darauf, dass der Gesetzgeber mit dem Informationsfreiheitsgesetz nicht kommerziellen Interessen dienen, sondern das Verwaltungshandeln durch erleichterten Informationszugang transparenter machen und dadurch die demokratischen Beteiligungsrechte der Bürger stärken wollte (BayVGH, Az.: 5 BV 07.2162, S. 9 Rn. 38). Zum anderen bezweifelte er, dass ein Antragsteller ein schutzwürdiges Interesse an der Herausgabe der begehrten Adressdaten haben dürfte, weil ihm die beabsichtigte Weiterverwendung dieser Daten untersagt sein könnte. Dem Informationsweiterverwendungsgesetz läge die Annahme zugrunde, dass die gesetzlichen Informationszugangsrechte das Recht zur kommerziellen Weiterverwendung der Informationen nicht umfassen (BayVGH, Az.: 5 BV 07.2162, S. 10 Rn. 39.).
Die Überlegungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes konnten bei der Prüfung des § 5 IZG LSA berücksichtigt werden:
Gem. § 5 Abs. 1 IZG LSA darf der Zugang zu personenbezogenen Daten nur gewährt werden, soweit das Informationsinteresse des Antragstellers das schutzwürdige Interesse des Dritten am Ausschluss des Informationsinteresses überwiegt. Im Rahmen der Güterabwägung ist zu beachten, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers die mit dem IZG LSA bezweckte Transparenz der Verwaltung nicht nur dem Einzelnen, sondern auch der Allgemeinheit dienen soll (vgl. Fetzer, in: Fluck/Theuer [Hrsg.], Informationsfreiheitsrecht, Loseblattsammlung, Band 1, 22. Ergänzungslieferung, Stand: Mai 2008, A II IFG Bund, § 5 Rn. 19 zur korrespondierenden Rechtslage im Bund). So soll der Einzelne durch die Verfolgung seines persönlichen Informationsinteresses zugleich auch als Sachwalter der Öffentlichkeit fungieren (Gesetzentwurf LReg., LT-Drs 5/748, S. 26). Das Allgemeininteresse an der Auskunft muss daher in die Bewertung des Informationsinteresses des Einzelnen mit einfließen (Jastrow/Schlatmann, Informationsfreiheitsgesetz, 1. Auflage 2006, § 5 Rn. 14). Ein überwiegendes Informationsinteresse ist daher um so eher anzunehmen, je weniger ein Informationsantrag rein persönlichen dafür aber umso mehr einem öffentlichen Informationsinteresse dient (Fetzer, in: Fluck/Theuer [Hrsg.], Informationsfreiheitsrecht, Loseblattsammlung, Band 1, 22. Ergänzungslieferung, Stand: Mai 2008, A II IFG Bund, § 5 Rn. 34). Lässt sich bei einem Informationsbegehren nicht auch ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit feststellen, wird man kaum ein überwiegendes Informationsinteresse annehmen können.
Die von dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vorgetragenen Bedenken stellen daher Belange dar, die im Rahmen der Güterabwägung auf der Seite des Geheimhaltungsinteresses zu beachten sind. Danach wird das Informationsinteresse des Antragstellers das Geheimhaltungsinteresse der Personen, deren Adressen gespeichert sind, aus den oben dargestellten Gründen dann nicht überwiegen, wenn ein Verlag mit seinem Informationsantrag rein kommerzielle Interessen verfolgt. Die Adressen der Betroffenen dürfen in einer solchen Konstellation daher nur aufgrund ihrer Einwilligung preisgegeben werden.
Auch die Anwendung des § 5 Abs. 3 IZG LSA führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach dieser Vorschrift überwiegt das Informationsinteresse des Antragstellers das schutzwürdige Interesse des Dritten am Ausschluss des Informationszugangs in der Regel dann, wenn sich die Angabe auf Name, Titel, akademischen Grad, Büroanschrift und Telekommunikationsnummer beschränkt und der Dritte als Gutachter, Sachverständiger oder in vergleichbarer Weise eine Stellungnahme in einem Verfahren abgegeben hat oder abgeben soll. Der Gesetzgeber hat auch hier nicht die generelle Weitergabe von Adressdaten aller Sachverständigen eines bestimmten Bezirks vor Augen gehabt, denn der Gesetzeswortlaut bezieht sich auf ein konkretes Verfahren ("in einem Verfahren"). Gemeint sind die Fälle, in denen ein Antragsteller wissen möchte, welche Person als Gutachter in einem bestimmten Verfahren tätig geworden ist.
Aus meiner Sicht erscheint in den Fallkonstellationen, in denen es um die Weitergabe von Adressdaten geht, prinzipiell folgende Vorgehensweise sinnvoll:
Ein Antragsteller sollte im Rahmen der behördlichen Beratungspflicht darauf aufmerksam gemacht werden, dass es aus Sicht der Behörde ungewiss ist, ob und wann er die Informationen bekommt. Es sollte ihm mitgeteilt werden, dass die Behörde die Erfolgsaussichten seines Antrags auf Informationszugang eher skeptisch beurteilt. Die Behörde sollte ihn ferner darauf hinweisen, dass eine Drittbeteiligung durchzuführen ist, deren Kosten er unabhängig von dem Ausgang des Verfahrens tragen muss. Er sollte ferner darauf aufmerksam gemacht werden, dass sich im Fall von Widerspruch und Klage des Dritten der Informationszugang im positiven Fall erheblich verzögern kann.
Durch diese Hinweise kann ein Antragsteller selbständig beurteilen, ob ihm die gewünschte Information so viel wert ist, dass er seinen Antrag weiter verfolgt.
Die Stadt hat mir mitgeteilt, dass meinem Rat gefolgt wurde. Der Antragsteller hat daraufhin seinen Informationszugangsantrag zurückgenommen.