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I. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2008 bis 30. September 2010

 

5.11.    Auskunft über eine vermeintliche Stasi-Quelle  

Über einen Antragsteller lag bei der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) ein Informationsbericht der Staatssicherheit aus dem Jahre 1983 vor, in dem von einem Mitarbeiter des MfS eine Sachbearbeiterin für Finanzen einer Gemeinde, die mich im vorliegenden Fall um Rat ersuchte, als Quelle angegeben wurde.

Mit seinem Informationszugangsantrag begehrte der Antragsteller von der Gemeinde Auskunft über den Namen "dieser Sachbearbeiterin". Er ging in seiner Antragsbegründung offensichtlich davon aus, dass jene Sachbearbeiterin ihn bewusst denunziert habe und wollte von ihr eine persönliche Stellungnahme einfordern. Er berief sich ausdrücklich auf § 5 Abs. 4 IZG LSA, der ihm ein Recht auf Preisgabe des Namens eines Sachbearbeiters einräume.

Die Vorabprüfung des Sachverhalts durch die Behörde hatte bisher nicht zu einer Identifizierung der betreffenden Sachbearbeiterin geführt. Sie hatte lediglich ergeben, dass vier ehemalige Mitarbeiterinnen als Quelle in Betracht kommen könnten. Nach den Recherchen gab es damals eine Sachbearbeiterin der Finanzen nicht, es wurde in den Unterlagen nur Buchhalter und Sachbearbeiter "Haushalt" geführt.

Fraglich war im vorliegenden Fall zunächst, ob das IZG LSA überhaupt anwendbar war. Da gem. § 1 Abs. 3 IZG LSA Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen dem IZG LSA vorgehen, ist zunächst zu prüfen, ob es sich bei der Auskunft über eine Quelle der ehemaligen Staatssicherheit um eine Information handelt, die dem StUG unterfällt. Eine Konkurrenzsituation dürfte hier jedoch nicht eintreten, da der Anwendungsbereich des StUG nicht eröffnet ist. Dieses bezieht sich nämlich auf Stasi-Unterlagen und gewährt dem Einzelnen auch nur einen Informationszugangsanspruch gegenüber der BStU, da sie die Stasi-Unterlagen verwaltet (vgl. §§ 3 Abs. 1, 2 Abs. 1 StUG). Hier aber begehrt der Antragsteller eine Auskunft aus allgemeinen Behördenakten, die bei einer öffentlichen Stelle des Landes Sachsen-Anhalt geführt werden. Dies sprach dafür, dass das IZG LSA anwendbar war.

Ein Informationszugangsanspruch nach dem IZG LSA setzt voraus, dass die begehrte Information tatsächlich vorhanden ist. Eine Informationsbeschaffungspflicht besteht dagegen nicht. Die Behörde musste daher zunächst prüfen, welche amtliche Information vom Antragsteller gewünscht wird und ob sie diese Information besitzt.

Im vorliegenden Fall begehrte der Antragsteller nicht nur die bloße Angabe des Namens einer Sachbearbeiterin (vgl. § 5 Abs. 4 IZG LSA), sondern zugleich auch die behördliche Auskunft, dass diese die Informantin des Verfassers des Informationsberichts war. Ein Auskunftsanspruch nach dem IZG LSA kann daher nur dann bestehen, wenn die Behörde wusste, welche Sachbearbeiterin die Quelle war. Man musste somit verlangen, dass die Behörde die als Quelle angegebene "Sachbearbeiterin der Finanzen" durch amtliche Dokumente zweifelsfrei identifizieren konnte (vgl. zur entsprechenden Rechtslage nach dem StUG, Geiger/Klinghardt, StUG, 2. Aufl. 2006, § 13 Rn. 16). Dementsprechend konnte es nicht ausreichen, dass nach den Unterlagen der Gemeinde vier ehemalige Mitarbeiterinnen lediglich als Quelle in Betracht kamen. Ein Informationszugangsanspruch bestand daher nicht.

Schließlich stellte sich die Frage, ob ein neuer IZG LSA-Antrag auf Angabe der Namen der vier in Frage kommenden Sachbearbeiterinnen dem Antragsteller weiter helfen würde. Die Erfolgsaussichten eines solchen Antrags sind jedoch gering, da einer Preisgabe der Namen der in § 5 Abs. 1 IZG LSA verbürgte Schutz personenbezogener Daten entgegenstehen dürfte.

Die Sonderregelung des § 5 Abs. 4 IZG LSA, nach der der Name eines Bearbeiters vom Informationszugang nicht ausgeschlossen ist, soweit er Ausdruck und Folge der amtlichen Tätigkeit ist, dürfte auf die vorliegende Fallkonstellation keine Anwendung finden. Nach ganz h. M. bezieht sich der Begriff des Bearbeiters nämlich nur auf diejenigen Bediensteten, die mit dem konkreten Vorgang, auf den sich das Informationszugangsbegehren bezieht, betraut gewesen sind (Schoch, Informationsfreiheitsgesetz (IFG), 2009, § 5 Rn. 70; Rossi, IFG, 2006, § 5 Rn. 32). Mit dieser Regelung soll sichergestellt werden, dass die in jeder Akte zu findenden Daten des den Vorgang bearbeitenden Sachbearbeiters den Informationszugang nicht verhindern bzw. den Informationszugang von einem Einwilligungs-  oder Abwägungsvorbehalt abhängig machen (Rossi, a. a. O.). Ein Auskunftsbegehren, das nicht auf den Einblick in eine Sachakte, sondern allgemein auf die Preisgabe des Namens eines oder mehrerer Sachbearbeiter einer Behörde gerichtet ist, beurteilt sich daher nicht nach § 5 Abs. 4, sondern nach § 5 Abs. 1 IZG LSA.

Nach § 5 Abs. 1 IZG LSA darf Zugang zu personenbezogenen Daten nur gewährt werden, soweit das Informationsinteresse des Einzelnen das schutzwürdige Interesse des Dritten am Ausschluss des Informationszugangs überwiegt oder der Dritte in die Preisgabe seiner Daten eingewilligt hat:

Auf der Seite des Informationsinteresses ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Antragsteller um eine ausgespähte Person handelt, deren Aufklärungsinteresse als hoch zu bewerten ist. Die Aufarbeitung des Stasi-Unrechts liegt auch im Allgemeininteresse.

Auf der Seite des Geheimhaltungsinteresses ist zu beachten, dass der Antragsteller mit der Angabe des Namens der Sachbearbeiterinnen nicht lediglich die dienstlichen Kontaktdaten zur Bearbeitung eines behördlichen Vorgangs begehrt. Dann würde es sich um Daten handeln, die an sich der weniger schutzwürdigen Sozialsphäre zuzurechnen wären. Ein solcher dienstlicher Zusammenhang besteht jedoch gerade nicht mehr, da es sich um die Namen ehemaliger Mitarbeiterinnen handelt, die in Ihrer Behörde keine Tätigkeit mehr ausüben. Auch möchte der Antragsteller die Daten nicht zu dienstlichen, sondern zu privaten Zwecken verwenden. So geht es ihm im Ergebnis darum, die Informantin des Berichts zu ermitteln und von ihr eine Stellungnahme zu verlangen. Vor diesem Hintergrund müsste damit gerechnet werden, dass er nach Preisgabe der Namen weitere Erkundigungen über die Sachbearbeiterinnen (z.B. über die private Anschrift, ihre Vergangenheit, ihre Lebensumstände etc.) einholt, um sie als Quelle zu identifizieren. Gäbe es eine Quelle, müssten zumindest drei unbescholtene Personen ein Eindringen in ihre Privatsphäre befürchten. Diese würden sich darüber hinaus, der Gefahr einer falschen Verdächtigung ausgesetzt sehen. Gäbe es gar keine Quelle, könnte das Ziel des Antragstellers gar nicht erreicht werden. Vor diesem Hintergrund erscheint die Preisgabe aller in Betracht kommenden Namen unverhältnismäßig (vgl. auch Jastrow/Schlatmann, IFG, 2006; § 5 Rn. 48, nach denen die Bekanntgabe des Namens eines vor langer Zeit für ein Aufgabengebiet zuständigen Mitarbeiters, der diese Tätigkeit nicht mehr wahrnimmt, nur ausnahmsweise in Betracht kommt).

Das gefundene Ergebnis mag für den Antragsteller zwar unbefriedigend sein. Bei der Preisgabe der Quelle eines Stasi-Spitzels handelt es sich jedoch um eine Information, die nicht zum allgemeinen Behördenwissen, sondern typischerweise zum Wissen der Staatssicherheit der ehemaligen DDR gehört und daher eher in Stasi-Unterlagen zu finden sein wird.