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V. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für die Informations­freiheit Sachsen-Anhalt vom 1. Oktober 2016 bis 30. September 2018

4.4 Das neue Geschäftsgeheimnisgesetz

Die Richtlinie (EU) 2016/943 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung (ABl. L 157 vom 15. Juni 2016, S. 1) verpflichtet die Mitgliedstaaten zum zivilrechtlichen Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Dem liegt die Auffassung zugrunde, dass der Zugang zu Geschäftsgeheimnissen und deren Verwertung einen erheblichen wirtschaftlichen Wert darstellen können (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung in BT-Drs. 19/4724).
 
Generell besteht im Falle von Geschäftsgeheimnissen nur ein eingeschränkter Informationszugang. Der Begriff des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses war in Deutschland bisher richterrechtlich geprägt:
 
Nach der ständigen Rechtsprechung waren unter Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge zu verstehen, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat (BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006, Az.: 1 BvR 2087/03; BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2014, Az.: 6 B 43/13; BGH, Urteil vom 4. September 2013, Az.: 5 StR 152/13 jeweils m. w. N. – vgl. IV. Tätigkeitsbericht, Nr. 14.7).
 
Mit der Richtlinie gibt es nun eine Legaldefinition des Begriffs des Geschäftsgeheimnisses. Nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie sind unter einem „Geschäftsgeheimnis“ alle Informationen zu verstehen, die folgende Kriterien erfüllen:
 
a) Sie sind in dem Sinne geheim, dass sie weder in ihrer Gesamtheit noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne weiteres zugänglich sind;
 
b) sie sind von kommerziellem Wert, weil sie geheim sind;
 
c) sie sind Gegenstand von den Umständen entsprechenden angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch die Person, die die rechtmäßige Kontrolle über die Informationen besitzt.
 
Wer diese Definition des Geschäftsgeheimnisses aufmerksam liest, stellt fest, dass in ihr eine für das deutsche Recht wesentliche Komponente zu fehlen scheint, nämlich das berechtigte Geheimhaltungsinteresse des Inhabers des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses. Erst aus Erwägungsgrund 14 der Richtlinie ergibt sich, dass der Begriff so verstanden werden muss, dass er Know-how, Geschäftsinformationen und technologische Informationen abdeckt, bei denen sowohl ein legitimes Interesse an ihrer Geheimhaltung besteht als auch die legitime Erwartung, dass diese Vertraulichkeit gewahrt wird.
 
In ihrem Gesetzentwurf zur Umsetzung der Richtlinie hatte die Bundesregierung die Definition des Geschäftsgeheimnisses aus Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie eins zu eins in § 2 Nr. 1 E-GeschGehG übernommen (BT-Drs. 19/4724). Danach wären also völlig belanglose, nicht schutzwürdige oder sogar Informationen über Rechtsverstöße als Geschäftsgeheimnisse einzustufen gewesen, sofern der Inhaber nur angemessene Schutzmaßnahmen ergriffen hätte. Der Gesetzentwurf erfuhr daher in der Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestags heftige Kritik durch einen großen Teil der Sachverständigen, darunter Informationsfreiheitsexperten und Journalistenverbände. Als Ergebnis der Anhörung wurde § 2 Nr. 1 GeschGehG unter Verweis auf Erwägungsgrund 14 um das Erfordernis eines berechtigten Interesses ergänzt. Das Gesetz ist am 25. April 2019 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden (BGBl. I 2019, S. 466 ff.).
 
Die rechtspolitischen Herausforderungen dieser Regelungsmaterie sind damit noch nicht beendet:
 
Nach § 1 Abs. 2 GeschGehG gehen zwar öffentlich-rechtliche Vorschriften zur Geheimhaltung, Erlangung, Nutzung oder Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen dem GeschGehG vor. Die Informationsfreiheitsgesetze, wie etwa auch das IZG LSA, kennen den Begriff des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses, sie enthalten aber regelmäßig keine Legaldefinition. In der Literatur ist es bisher strittig, ob der alte Begriff des Geschäftsgeheimnisses noch verwendet werden darf oder ob ab sofort der neue Begriff aus dem Geschäftsgeheimnisgesetz zur Anwendung kommen muss. Letztere Auffassung überzeugt, da Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse in der Rechtsordnung einheitlich geschützt werden müssen und dies auch der Intention des Gesetzentwurfs entspricht. So liegt es nahe, dass die neue Begriffsbestimmung aus § 2 Nr. 1 GeschGehG zukünftig auch im Informationsfreiheitsrecht gelten muss.
 
Dies würde aber bedeuten, dass derjenige, der sich auf das Vorliegen eines Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses beruft, zukünftig zusätzlich nachweisen müsste, dass er angemessene Schutzmaßnahmen für die in Frage kommenden Informationen, z. B. in Form von Schutzkonzepten, getroffen hat. Diese können z. B. im Schutz der Informationen vor unbefugtem Zugriff wie der Verwahrung der Daten in einem Tresor etc. oder in arbeitsvertraglichen Regelungen von Verschwiegenheitspflichten der Mitarbeiter bestehen.
 
Klarheit zur Anwendbarkeit des Begriffes wird wohl erst durch die Rechtsprechung geschaffen werden.
 
Für Sachsen-Anhalt bietet es sich an, im Entwurf des Transparenzgesetzes eine ausdrückliche Regelung zur Anwendbarkeit des Begriffs zu schaffen.
 
Im Übrigen enthält das neue Geschäftsgeheimnisgesetz in § 5 Nr. 2 eine Regelung zum Schutz von Whistleblowern (vgl. auch Nr. 3.3).